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Was war. Was wird.

Schöne Aussichten, nicht nur von Microsoft: Bald dürfen wir wieder wählen. Wenn's der Wahrheitsfindung dient, bemüht Hal Faber einen einstmals in die politische Folklore eingegangenen Spruch im Gerichtssaal und stürzt sich auf Teil 2 des Sommerrätsels.

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Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Buena Vista, Windows: "Wir leben in einer Welt mit immer mehr Informationen, mehr Kommunikationswegen, mehr Möglichkeiten und mehr Aufgaben." Diese komplizierte Welt braucht einen neuen Bundestag und ein einfaches Betriebssystem -- oder ist es etwa andersherum? Die Möglichkeiten und Aufgaben sind in der Tat immer mehr: Während die mit Viagra gefütterte Wolfsburger Arbeiterbewegung mit brasilianischen Sexarbeiterinnen die Globalisierung praktisch auf Hartz und Nieren geprüft hat, scheint Infineon die Großkampfstätte aller Bobos gewesen zu sein. Doch in dieser Welt explodieren nicht nur die Informationen, sondern auch die Bomben, gewissermaßen die Aufkündigung jeglicher Kommunikation. Während diese Zeilen geschrieben werden, steigt die Zahl der Toten in Ägypten. Dieses WWWW ist den unbekannten Opfern gewidmet, in der kleinen Hoffnung, dass aus dem laut proklamierten Krieg gegen den Terror nicht noch der unüberlegte Kulturkrieg wird, den amerikanische wie britische Hardliner jetzt fordern. Ja doch, das Ende ist nah, nicht nur in Washington und London: Glaubt man dem Bundes-Köhler, schlittert dieses Land auf die nahezu unvermeidliche Katastrophe zu, was -- nur von wenigen widersprochen -- auch schon mal Notverordnungen zur Parlamentsauflösung zu rechtfertigen meint. Gleichzeitig feiert die Medienöffentlichkeit die coolen, ach so unaufgeregten Londoner, ihren Politikern aber erscheint vor Aufregung keine Einschränkung der Bürgerrechte undenkbar. Da muss man doch noch einmal festhalten: Kompliziert ist sie, die Sicht auf die neue Welt, komplizierter als uns alle Politiker weismachen wollen, ja gar so kompliziert, dass kein Betriebssystem "Klarheit in die täglichen Abläufe bringen kann". Mir würde es schon reichen, wenn von einem System statt Klarheit Virenfreiheit gebracht wird.

*** Auch das weiter laufende Sommerrätsel ist der Wetware, den Menschen gewidmet, die nicht die große, aber doch wichtige Rollen inne hatten oder haben. Hier wird nicht nach den Strahlemännern Gates, Ellison oder Jobs gefragt oder nach dem "Bill Gates mit einem richtigen College-Abschluss", wie die US-Presse bewundernd schrieb, als "Boy Wonder" Marc Andreesen die Szene betrat. Hinter den Kulissen haben viele Menschen Großes bewirkt, dass sich die komplizierte Welt entwickeln konnte. Es gibt unscheinbare, gar fiktive Dienste, die Charaktere wie James Doohan leisteten und dennoch im Gedächtnis der Menschen haften geblieben sind. Sie mögen sich leise auf die große Reise verabschieden, wie dies der Vater aller Synthesizer, Bob Moog, getan hat. Sie mögen auf einmal nicht mehr da sein, obwohl sie immer da waren und begeistert dabei waren wie Helga Rinsky.

Zu den leisen gehörte diese Dame auf dem Bild rechts (wie zuvor fördert ein Klick auf die Bilder eine vergrößerte Ansicht zu Tage).

*** Heute ist freilich ein besonderer Sonntag, denn heute vor 40 Jahren fand der Urknall der Popmusik statt, zumindest in den Ohren der Musikkritiker. Damals kam Bob Dylans Platte Like a Rolling Stone in die Charts und veränderte den Pop.
Inzwischen mehrmals zum größten Song aller Zeiten gewählt, ist es wohl das nüchternste Abschiedslied, das man auf eine untergehende Kultur singen kann. Zwei Jahre später, auch das ein Jubiläum, kollerten die Steine in Detroit zurück. Die Stadt, die heute das größte Gemüsebeet Amerikas werden soll, erlebte die schlimmsten Rassenunruhen. Für Steve Jobs, der zeitweilig mit der Protestsängerin Joan Baez zusammen lebte, ist Dylan das größte Vorbild gewesen. Als Jobs bei Apple gegangen wurde, schaltete er zu Hause den Abwimmler an und hörte den ganzen Tag dieses eine Lied. Passend zum Urknall, mit dem eine schon vorher große Branche immer größer wurde, gab es diese Woche ein Knällchen und, huppdiwupp eine neue Website zu einem alten Thema.

Diese begnadete Dilletantin auf dem Bild links gehörte ebenfalls zur Gegenkultur in der Bay Area, die begeistert mitsang.

*** Während Steve Jobs wahrscheinlich Highway 61 in einer Endlosschleife abdüdeln lässt, konnte sich eine Firma über den Verkauf des halbmilliardsten Songs freuen. Mit einem etwas gequälten Lächeln jubelt auch die Musikindustrie mit, die Apple den Verdienstanteil neidet. Bei der Entwicklung tragbarer Verwertungsstrukturen, die den Hörer nicht zum Sklaven seiner Apparatur machen, hat diese Branche bisher wenig Überzeugendes geleistet. Mit dem Digital Rights Management haben wir einen gut ausgebauten Holzpfad betreten.

Ein Trost dabei: Apple hatte sich auch hin und wieder verirrt. Was zeigt dieses Bild rechts?

*** "Wir sind dabei, etwas zu verändern", ist wohl eine kleine Untertreibung. Das Gegenteil davon ist es, einen ICANN-Direktor als großen Durchblicker beim weltweiten Diplomatiezirkus zur Kaschierung der US-Machtverhältnisse zu feiern. Wenn in Digitalien Neuland unter den Pflug genommen wird, müssen dort zuvor etwa die Netzindianer ausgerottet sein?

Eine interessante Frage, die sich diesem Mann auf dem Bild links wohl nicht gestellt hat.

*** Keine Frage, dass der erste Amiga ein Werkzeug für die Pioniere war, auch wenn aufmerksame Tickerleser den Beweis dafür lieferten das fachgerechte Entsorgung nicht zu den Dingen gehört, die in einem Studentenwohnheim bekannt sind.

Bleibt als Textfrage der Woche übrig, wer denn das Amiga-Logo gestaltet hat.

*** Auf die Pioniere mit den Pfeilen im Rücken, die Fallensteller und Skalpjäger folgen meistens die Leute, die das El Dorado suchen und dabei ganze Berge sprengen, Flüsse umleiten und Steine waschen.
Dieser werte Herr auf nebenstehendem Bild rechts gab einer Software-Firma seinen Namen, deren wichtigstes Produkt in diesem Monat angeblich den 35. Geburtstag feierte. Doch leider konnte sich niemand der Beteiligten an den Geburtstag erinnern, also wurde er nicht gefeiert. Wer die Firma des wilden Herren errät, ist aber noch nicht am Ziel, denn in der letzten Woche erhielt ein Programm dieser Firma eine hohe Auszeichnung -- was durchaus ironisch gemeint sein kann.

Wie heißt das Programm?

*** Außerhalb eines Hundes ist ein Buch ein guter Freund, innerhalb eines Hundes ist es jedoch zu dunkel zum Lesen, das wusste schon Groucho Marx. Heute ist der Geburtstag von Dumas dem Älteren, der neben 299 anderen Büchern mit dem Grafen von Monte Christo den ersten Roman über das Problem des Social Engineering schrieb: Die Bediener der Chappeschen Telegraphen wurden bestochen, die Prüfsummen ihrer Nachrichten zu verändern, was die Börsenkurse ins Purzeln brachte. Was wären die Superhelden der Comics ohne Dumas? Selbst für die Journalisten hatte der "König von Paris" ein offenes Ohr.

Nach einer Geschichte, die seinen Romanen entsprungen scheint, starb ein Großer unserer Zunft. Wer ihn hier (Bild links) berührt, wird große Stories schreiben, geht die Saga. Sein Name?

*** Ein bekannter amerikanischer Journalist aus der Computerbranche hat sich in dieser Woche über gewisse notwendige Lizenzen lustig gemacht und erntet nun Applaus von allen Seiten.
Leider hat der gute Mann wie andere Kollegen auch nicht verstanden, dass Lesen manchmal hilft. Creative-Commons-Lizenzen geben einem Autor in verschiedenen Abstufungen Rechte, die produktiv eingesetzt werden können. Wer Texte mit kurzer Halbwertzeit schreibt, etwa Aufklärung über aktuelle Computer, Steckkarten und hochtrabende Versprechungen der Branche, sichert seinen Lebensunterhalt, aber nicht öffentliches Gut.

Passend dazu die Frage: Was zeigt dieses Foto rechts?

Was wird.

Während Blogs Filmstoff werden und uns manche Enttäuschung auf der Leinwand servieren werden, feiert das Retroblogging fröhliche Feste. Am Ende stehen wahrscheinlich die Felszeichnungen in Altamira als Frühformen der Social Software. Ehe es zu Missverständnissen kommt: ich mag Blogs, wenn von den Nöten der Verkäufer die Rede ist, wenn Kellner und Türsteher in fremden Kulturen erklären, wie der Hase läuft. Auch bei Köchen lerne ich trotz Anthony Bourdain noch hinzu. Genau deswegen, zur Einstimmung in die Woche, der Scheiß des Jahres.

Wer keine gepflegten Outdoor-Treffen goutiert, wird sich vielleicht freuen, wenn das Indoor-Programm für Wissensdurstige steht. Die Wikipedianer demontieren mit Lust alle verhobenen Schwarmtheorien, dass sie einfach Lob verdienen. Besonders für den Anti-Neuss, die kollektive Dekonstruktion des Mythos der Autorin Rowling wird Lob prasseln.

Wer will schon, dass seine Kinder wie auf dem Bild links nervös vor dem Bildschirm sitzen und auf den dringend notwendigen Heldentod von Harry Potter warten?

(Hal Faber) / (jk)