Angefasst: BlackBerry Priv mit Android im Hands-On
Als ein BlackBerry-Mitarbeiter zum Mobile World Congress einen Slider kurz hochhielt, rechneten alle mit einem BB10-Topgerät. Jetzt ist es ein Android-Smartphone geworden.
BlackBerry kann schon lange Android. Die aktuelle Generation der Smartphones enthält einen Android Player auf Basis des AOSP. Seit letztem Jahr haben die Geräte mit BlackBerry 10 dazu einen Amazon App Store. BlackBerry wettete auf den Erfolg des Amazon Fire Phones. Und verlor. Jetzt machen die Kanadier Nägel mit Köpfen und bringen in Kooperation mit Google ein Android-Smartphone, mit allem Drum und Dran.
BlackBerry wuchert mit dem Sicherheits-Pfund. Das Unternehmen sieht sich selbst als führend im Bereich der Softwaresicherheit und will diese Kompetenz in Android einbringen. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, denn BlackBerry 10 ist kein Erfolgmodell. Die Sicherheit der Plattform ist unbestritten, die Geräte sind gut verarbeitet, robust und flink. Aber der Markt zuckt mit den Schultern. Keine Apps, keine User, keine Apps und so weiter. Der Umsatz an BlackBerry-Smartphones sank Jahr über Jahr, zuletzt von 2,1 auf 0,8 Millionen im Quartal. Die Wende soll nun der BlackBerry Priv bringen, ein Android-Gerät, das zusätzlich zu den Modellen Passport, Classic und Leap angeboten wird.
BlackBerry legt das Fundament der Sicherheit in der Hardware. Jeder Priv bekommt bei der Fertigung eine ID und einen Device Primary Key. Mit diesem Schlüssel prüft das Gerät den Bootloader und soll zuverlässig verhindern, dass Software, die nicht von BlackBerry signiert wird, darauf überhaupt startet. Jeder weitere Schritt in der Bootreihenfolge stellt sicher, dass er nur signierte Software lädt. BlackBerry will so vermeiden, dass bösartige Software im Kern und in den darüber liegenden Schichten zur Ausführung kommt.
Android an das BlackBerry Priv angepasst
Zusätzlich hat BlackBerry Android umfangreich umgekrempelt, um die Nutzung der Gerätefunktionen durch die Apps zu kontrollieren. Dazu gibt es ein Dashboard mit dem Namen DTEK, abgeleitet vom englischen Wort ”detect”, das Auskunft über die Sicherheitseinstellungen gibt und dem Benutzer hilft, sein Gerät sicherer zu konfigurieren. Das geht bei jeder App bis ins Detail und listet etwa auf, wieviel hundertmal die Twitter App jetzt schon den Standort des Nutzers festgestellt hat. Was fehlt, ist eine Möglichkeit, diese Abfragen abzustellen. Man kann die App stoppen, entfernen, aber man kann ihr keine Rechte entziehen. Priv läuft mit Android 5.1. Mit Marshmallow wird DTEK vermutlich auch Berechtigungen entziehen können.
BlackBerry verspricht monatliche Sicherheitsupdates, dazu Hotfixes, wenn es ein dringenderes Problem gibt. Wer bei BlackBerry direkt kauft, bekommt sie unmittelbar, wer beim Carrier kauft, dem verspricht BlackBerry immerhin eine beschleunigte Abnahme der Patches. Unternehmenskunden können solche Updates steuern, damit keine Inkompatibilitäten mit eigenen Apps ausgerollt werden.
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Der Priv konkurriert, was die Ausstattung angeht mit den anderen aktuellen Spitzengeräten. 64 bit Snapdragon 808 Hexa-Core, 3GB DDR3 933MHz RAM, 32GB Flash, hot-swappable MicroSD Slot für SDXC bis 2 TB. Das Display mit 5,43 Zoll Diagonale stammt von Samsung und ist wie die Bildschirme von Galaxy S6 edge an den Rändern gebogen. 2560 x 1440 Pixel ergeben eine Auflösung von 540 DPI. Das Gerät wiegt mit 192 Gramm etwa so viel wie ein iPhone 6S Plus, ist aber zusammengeschoben etwas kleiner.
BlackBerry Priv: Premium-Hardware zum Premiumpreis (5 Bilder)
(Bild: Volker Weber )
Der Akku hat eine Kapazität von 3410 mAh. BlackBerry gibt eine Betriebsdauer von bis zu 22,5 Stunden bei gemischter Nutzung an. Wir haben noch nicht nachgemessen, den Akku aber binnen eines Tages nicht geleert. Aufgeladen wird der Priv über einen MicroUSB 2.0-Anschluss, der mittels USB On-The-Go andere Geräte wie Thumbdrives anschließen kann. Über SlimPort-Adapter lassen sich externe Bildschirme oder Beamer beschicken.
BlackbBerry Priv: 18-Megapixel-Kamera mit doppeltem LED-Blitz
Bei der Kamera macht BlackBerry diesmal keine halben Sachen. Bislang konnten die Kanadier ein anderes Nutzungsprofil annehmen. Um mit den anderen Top-Smartphones zu konkurrieren, reichte das nicht. Das Priv hat nun eine 18-Megapixel-Kamera mit doppeltem LED-Blitz, die Videos mit 4k und 30 FPS oder 1080p mit 60 FPS aufzeichnet. Die Kamera kann über die Lautstärke-Knöpfe, die Leertaste oder auf dem Bildschirm ausgelöst werden. Hält man den Auslöser fest, schießt sie fünf Bilder pro Sekunde. Der Autofokus benutzt Phase Detection, so dass man kaum eine Zeitverzögerung beim Scharfstellen merkt. Wie sich der Priv gegen ein aktuelles iPhone 6S Plus schlägt, zeigt die folgende Bildergalerie. Die Fotos sind in den frühen Morgenstunden zwischen Dämmerung und 9 Uhr entstanden. Sie sind nicht nachbearbeitet und mit den Standardeinstellungen inklusive Auto-HDR fotografiert. Auf ein BlackBerry-Bild folgt unmittelbar ein iPhone-Bild mit ähnlichem Motiv.
Wie schlägt sich der Priv gegen ein iPhone? (22 Bilder)
(Bild: Volker Weber )
Dem Standard-Android fügt BlackBerry eine Reihe eigener Apps hinzu. Der BlackBerry Hub führt mehrere Email-Konten, den Kalender, Twitter und Facebook sowie den BBM in einer Ansicht zusammen. Wer bereits ein Gmail-Konto über sein Google-Konto eingestellt hat, muss es hier erneut eintragen. Dabei lassen sich aktuell keine optionalen Kalender auswählen. Hub ist anders als bei BB10 eine App, erbt also nicht automatisch die Konten aus dem Betriebssystem. Ein sogenanntes Productivity Tab lässt sich überall vom Rand herein ziehen. Hier findet man seine fälligen Aufgaben, die nächsten Termine, die wichtigsten Kontakte und die ungelesenen Mails. BBM (BlackBerry Messenger) ist vorinstalliert und versucht den Nutzer penetrant zum Sign-Up zu drängen. Dagegen hilft nur, die App komplett zu disablen. Der BlackBerry Launcher ist vom Google Launcher abgeleitet und nur wenig modifiziert. Werden auf dem Desktop drei kleine Punkte unter einem Icon angezeigt, dann kann man darüber streichen und es erscheint ein Popup-Widget, das sich nur temporär über den Desktop legt. Streicht man vom Homebutton nach oben, erhält man über Google Now hinaus zwei weitere Optionen. Standardmäßig geht es rechts in den Hub und links in eine Suchfunktion, die nur auf dem Gerät sucht. Wenn man die Tastatur geöffnet hat, muss man nur lostippen und landet ebenfalls in dieser Suche. Wie beim BlackBerry Passport dient die Tastatur auch als Trackpad. So kann man ohne auf den Touchscreen zu fassen, den Bildschirminhalt oder den Cursor verschieben. Die Tastatur hat ein QWERTZ-Layout ohne Umlaute. Die erhält man, in dem man die Taste für den korrespondierenden Vokal kurz festhält.
BlackBerry Priv fĂĽr 779 Euro
Auch wenn BlackBerry zum Priv gerne einen BES12 (BlackBerry Enterprise Server 12) verkaufen will, so ist er doch ein Android-Gerät, das einfach über Android at Work verwaltet wird. Geschäftliche und Privatnutzung werden dabei über zwei verschiedene Nutzer-Profile auseinander gehalten. Die Daten werden über die Geräteverschlüsselung abgesichert. Bei Bedarf kann dieser Sicherheitsstandard über BlackBerrys Software-Container wie Good Dynamics oder Secure Workspace, ein OEM-Produkt von OpenPeak, ausgebaut werden. Dazu wird es auch die Hochsicherheitslösung von Secusmart geben. Dennoch sieht BlackBerry den Priv noch nicht auf einer Höhe mit BlackBerry 10. Diese Geräte wird es weiterhin geben, mindestens bis BlackBerry auf Android das gleiche Sicherheitsniveau erreicht. Das ist das erklärte Ziel. Aber da gibt es noch ein Ziel: CEO John Chen hat mehrfach gesagt, dass das Hardwaregeschäft profitabel sein muss, und dass dazu wenigstens 5 Millionen Geräte im Jahr abgesetzt werden müssen. Das erklärt auch den hohen Preis.
Priv steht laut BlackBerry für Privacy und Privileg. Der Priv soll in Deutschland in der zweiten Novemberhälfte für 779 € auf den Markt kommen. (vowe)