Lauterbach: E-Patientenakte für alle "von der Sicherheit her besonders sicher"
Während Ärzte Kritik am Startzeitraum der "elektronischen Patientenakte für alle üben", verspricht der Gesundheitsminister ein sehr hohes Datenschutzniveau.
Karl Lauterbach kommt am Mittag zu spät zur Vorstellung der elektronischen Patientenakte (ePA), doch dieses Schicksal soll das Vorhaben auf keinen Fall ereilen. "Nach 20 Jahren Vorbereitungszeit sind es jetzt nur noch 100 Tage, bis die elektronische Patientenakte endlich kommt", sagt der Bundesgesundheitsminister. Mit einer Kampagne auf Social Media, in Presse, Rundfunk und einem Infomobil wolle man nun über die Chancen aufklären.
Es gebe keine grundsätzliche Kritik an der ePA, sagt Lauterbach. Befunde, Arztbriefe und ähnliche Dokumentation fehlten bei der Behandlung, was Doppeluntersuchungen, unvollständige Diagnosen und tödliche Wechselwirkungen verursachen könne. Die Barmer geht aufgrund einer laut Lauterbach "gut gemachten Studie" davon aus, dass dadurch "bis zu 65.000" Todesfälle vermieden werden könnten.
Wird nicht alles ab Januar funktionieren
"Das wird nicht alles am ersten Tag der Einführung funktionieren", warnte Lauterbach vor überzogenen Erwartungen. Stückweise sollen Funktionen freigeschaltet werden. Zuerst soll in zwei Testregionen im Januar die Einführung beginnen. "Es geht darum, ob die neue Architektur tatsächlich mit den Praxisverwaltungssystemen so funktioniert, wie wir uns das gedacht haben", erläutert Lauterbach. Derzeit habe er keinen Anhaltspunkt, dass das anders sein könnte.
"Die Einführung und der Betrieb sind ein hochkomplexes Unterfangen", betonte Florian Fuhrmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Gematik, der künftigen Digitalagentur Gesundheit. Die neue Architektur solle stabiler und leistungsfähiger sein als die bisherige ePA, die gesetzlich Versicherte beantragen müssen. Der ab 2025 kommenden "ePA für alle" müssen Versicherte widersprechen, wenn sie sie nicht haben wollen. Zwar positiv gestimmt betont der Präsident des Hausärzteverbandes Markus Beier dennoch, dass der "bundesweite Roll-out" der ePA mitten in die Phase des Jahres falle, in der es am meisten Infektionen gibt.
"Kurze PDF-Phase" gewünscht
Anders als der Start bisheriger staatlicher Gesundheitsprojekte – beispielsweise das E-Rezept oder die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – mahnte er, dass der Start der elektronischen Patientenakte für alle stabil verlaufen soll. Zudem fordert er unter anderem eine bessere Durchsuchbarkeit darauf gespeicherter Inhalte: "Die PDF-Phase muss ziemlich kurz sein." Die Ärzte müssten zusätzlich ohnehin eine eigene Patientenakte führen.
Datenschutz und Datensicherheit "wichtigste Anliegen"
"Der Datenschutz und die Datensicherheit waren uns zu jedem Zeitpunkt der Einführung das wichtigste Anliegen", meint Lauterbach. "Das Confidential-Computing-Umfeld ist von der Sicherheit her besonders sicher." Allerdings, gibt der Gesundheitsminister auf Nachfrage zu, dass er bei der ePA mehr als einmal aufgrund von Datenschutzfragen nicht mit dem ehemaligen Bundesdatenschutzbeauftragten und SPD-Parteigenossen Ulrich Kelber übereinkam.
Lesen Sie auch
Wie sensible Daten geschützt werden können
Absenken des Sicherheitsniveaus ist DSGVO-Verstoß
Kelber hatte im Mai eine Warnung an die Krankenkassen geschickt: Sollten diese das Sicherheitsniveau in bestimmten Fällen herabstufen, sei das ein Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung. Ein Argument, das die Vorsitzende des Verbandes der Krankenkassen Doris Pfeiffer so nicht gelten lässt: Die gesetzlichen Anforderungen der Bundesregierung würden von den Kassen befolgt: "Herr Kelber hatte angekündigt, dass er das nicht zulassen wird. Das ist etwas, wo man dann die Frage stellen muss, welche Rechtswirklichkeit gilt denn nun jetzt?", Pfeiffer habe verstanden, "dass die neue Bundesdatenschutzbeauftragte vielleicht etwas anders mit dem Thema umgeht."
Datenschutz darf Datennutzung nicht verhindern
Karl Lauterbach betont, dass es der Sache angemessen sei, intensiv zu diskutieren: "Es hilft ja niemandem, wenn der Datenschutz so funktioniert, dass die Daten nicht genutzt werden können." Es gebe seines Wissens keine grundsätzlichen Einwände seitens BSI oder BfDI mehr, sonst hätte man die ePA nicht zur Einführung gebracht. "Die ePA ist und bleibt freiwillig", sagt Doris Pfeiffer vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen.
Für die Akzeptanz bei der Ärzteschaft dürfte aber vor allem die Implementation in der Praxisverwaltungssoftware entscheidend bleiben. Hier kündigt Lauterbach an, dass, wer sich nicht an die Vorgaben der Gematik hält, die zur Digitalagentur ausgebaut werden soll, damit rechnen müsse, die Zulassung zu verlieren. Dazu wird die Gematik zur Digitalagentur des Gesundheitsministeriums ausgebaut.
(mack)