49-Euro-Ticket: Busunternehmen schildern im Bundestag ihre Bedenken

Bund und Länder sträuben sich, den Tarif für das Deutschlandticket vorzuschreiben. Dem VDV ist das genehm, den eigenwirtschaftlichen Busunternehmen nicht.

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Busunternehmer befürchten, auf Mindereinnahmen durch das Deutschlandticket sitzenzubleiben.

(Bild: BDO, Aufnahme vom Aktionstag Busunternahmen vom 17. Juni 2020 in Berlin.)

Lesezeit: 4 Min.

Bevor am 1. Mai das Deutschlandticket für den ÖPNV eingeführt wird, müsste noch einiges reguliert werden, damit es nicht zu einem Tarif-Flickenteppich kommt. Diese Befürchtung, die private Verkehrsunternehmen zuvor bereits äußerten, konnten sie nun in einer Anhörung im Bundestag vorbringen.

So forderte Christiane Leonard, Hauptgeschäftsführerin beim Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (BDO), eine Tarifvorgabe. Eine solche gebe es weder vom Bund noch von den Ländern. Ohne diese gebe es aber keine beihilferechtlich sichere Finanzierung. Bund und Länder müssten daher in Paragraf 9 des Regionalisierungsgesetzes die Festsetzung des Höchsttarifs festlegen und sicherstellen, "dass zumindest bei eigenwirtschaftlichen Verkehren und bei Nettoverträgen allgemeine Vorschriften erlassen werden".

Eine solche "Allgemeine Vorschrift", also eine Tarifvorgabe, hatten die Länder im Verkehrsausschuss des Bundesrats abgelehnt. Eine solche sei aber nötig, damit Mindereinnahmen durch das 49 Euro kostende Ticket EU-beihilferechtlich konform ausgeglichen werden können, erläuterte der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (BDO) gegenüber heise online. Die Notvergabe, wie sie zum 9-Euro-Ticket genutzt worden sei, ist eine weitere Möglichkeit. Doch beim Deutschlandticket handele es sich nicht um eine solche wie beim 9-Euro-Ticket, mit der Mehrausgaben der Bürger durch die Energiekrise allgemein ausgeglichen werden sollten. Momentan könne der BDO seinen Unternehmen nicht empfehlen, das Deutschlandticket zu akzeptieren, da sie befürchten müssten, die Ausgleichszahlungen für Mindereinnahmen zurückzahlen zu müssen.

Die Position des BDO, es müssten allgemeine Vorschriften erlassen werden, sei ihm aus Gesprächen bekannt, teilte das Bundesverkehrsministerium heise online mit. "Ziel von Bund und Ländern ist eine rechtssichere Umsetzung des Vorhabens." Die für den ÖPNV zuständigen Länder würden eigenständig entscheiden, auf welchem Wege den Verkehrsunternehmen die Ausgleichsmittel für das Deutschlandticket zur Verfügung gestellt werden. Die verschiedenen Lösungsansätze der Länder zur Weitergabe der finanziellen Mittel würden in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Verkehrsunternehmen geprüft und bewertet.

Die Länder seien aktuell dabei, sich auf einheitliche Tarifbestimmungen zu verständigen, bestätigte Norbert Mauren vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Anders als die privaten Verkehrsunternehmen hält er die in Paragraf 9 des Entwurfs zum Neunten Regionalisierungsgesetz enthaltene "Genehmigungsfiktion" für ausreichend. Städte, Kommunen und Landkreise müssten damit den neuen Tarif nicht überall individuell genehmigen, sagte Mauren.

Der VDV begrüße auch, dass der Preis für das Deutschlandticket nur zur Einführung auf monatlich 49 Euro festgelegt werden soll. Der Preis solle mit Blick auf die weiterhin steigenden Personalkosten und Energiepreise auf keinen Fall dauerhaft "eingefroren" oder aufgrund kurzfristiger politischer Opportunitäten gar gesenkt werden.

Carry Buchholz, Vorstandmitglied des Verbandes Baden-Württembergischer Omnibusunternehmen (WBO), verdeutlichte, dass die eigenwirtschaftlichen Verkehre auf die Fahrgeldeinnahmen angewiesen seien. "Wenn ich an den 1. Mai denke, an dem das Deutschlandticket eingeführt werden soll, wird mir angst und bange, weil ich nicht weiß, wie unser Verkehr finanziert werden soll", sagte sie. Zu den Abgeordneten sagte Buchholz: "Es ist Ihre Aufgabe, das für uns zu lösen, weil Sie das Ticket beschließen." Derzeit wolle aber keiner in die Finanzierungsverantwortlichkeit für die vollen Kosten gehen, kritisierte sie.

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Das beihilferechtliche Risiko bis hin zum Insolvenzrisiko belaste die Verkehrsunternehmen und die kommunalen Aufgabenträger, sagte Markus Brohm vom Deutschen Landkreistag. Mit dem bisherigen Gesetzentwurf sei das Deutschlandticket nicht dauerhaft ausfinanziert. Lediglich für das Restjahr 2023 sei ein vollständiger Ausgleich der Einnahme- und Anlaufverluste durch den rabattierten Ticketpreis vorgesehen. Dieser sei aber europarechtlich noch nicht abgesichert. Eine flächendeckende Anwendung und Anerkennung des Deutschlandtarifs sei momentan nicht sichergestellt. Es gebe keinen "Anwendungsbefehl". Stattdessen solle der Deutschlandtarif freiwillig durch Antrag der Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen eingeführt und angewandt werden.

Der Preis von 49 Euro sei zwar zu bisherigen Abo-Preisen gerade im ländlichen Raum sehr gut, meinte Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Allerdings sei er für viele Menschen aus einkommensschwachen Haushalten nicht erschwinglich. Es brauche daher einen bundesweit einheitlichen Ermäßigungstarif, da ansonsten ein neuer Flickenteppich aus Sozial- und Jugendtickets erwartbar sei. Auch fehle eine Perspektive für den ÖPNV-Ausbau. Diese hätte der Bund durch finanzielle Planungssicherheit für die Aufgabenträger geben müssen.

(anw)