50 Jahre PAL-Farbfernsehen – eine Grabrede zum Geburtstag
Am 25. August 1967 begann auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin das Farbfernsehzeitalter in der damaligen BRD. MaĂźgeblicher Entwickler: der Telefunken-Ingenieur Walter Bruch.
So vergeht die Herrlichkeit der Welt: Bei seiner EinfĂĽhrung war PAL (Phase Alternating Line, etwa: Phasenwechsel zu jeder Zeile) das beste und modernste Farbfernsehsystem der Welt. Im Zeitalter mannsgroĂźer UHD-Flach-TVs ist es ein technischer Dinosaurier, dessen Grab schon ausgehoben ist.
70 Jahre zurück: Die westliche Welt erholt sich von den Folgen des Zweiten Weltkriegs, Konsumgüter sind wieder gefragt. In Europa und den USA war mit Fernsehen bis in die ersten Kriegsjahre experimentiert worden. Der spätere PAL-Vater stand während der Olympischen Spiele 1936 an den "Ikonoskop"-Kameras für die TV-Übertragung in die öffentlichen Fernsehstuben – die Vorläufer des Public Viewing. Wie das Kino drängte es auch das Fernsehen zur Farbe. Schon 1940 hatte die US-Radio- und TV-Kette CBS (Columbia Broadcasting System) der Presse ein Farbfernsehsystem mit Farbrad demonstriert. 1950 wurde es für drei Jahre der offizielle Standard in den Vereinigten Staaten. Seine Technik ist auf den ersten Blick verblüffend simpel: Vor Schwarzweißkamera und Bildschirm rotieren synchron Farbräder. Kamera und Bildschirm arbeiten mit dreifacher Bildfrequenz und produzieren beziehungsweise zeigen nacheinander die drei nötigen TV-Grundfarben Rot, Grün und Blau (RGB).
In der Praxis ist das System dann doch nicht so genial einfach: Die so gesendeten Signale sind nicht kompatibel zu Schwarzweißempfängern, Farbscheibe oder -trommel bringen die Geräte auf wuchtige Maße. Der Mechanismus ist zudem nicht ganz leise, das System produziert Ränder in allen Regenbogenfarben. Mit den damals verfügbaren Kameras und Bildschirmen reicht zudem die Helligkeit nicht mehr – die Farbfilter schlucken ohnehin Licht; wenn der Bildschirm statt einem in der selben Zeit drei Bilder darstellen muss, steht fürs vollständige Farbbild auch nur noch ein Drittel der Leuchtkraft zur Verfügung.
NTSC
So geht es also nicht. Aber wie überträgt man RGB simultan und schwarzweißkompatibel? Der erste praktikable Ansatz stammt ebenfalls aus den USA – vom damals dominierenden Unterhaltungselektronikhersteller RCA (Radio Corporation of America), dem praktischerweise auch das NBC-Sendernetzwerk (National Broadcasting Company) gehörte. Das später unter dem Namen NTSC (was nur für das US-Standardisierungsgremium "National Television Systems Committee" steht) berühmt-berüchtigt gewordene System formt aus dem RGB-Signal einer Kamera ein Schwarzweißsignal ("Luminanz", Y). Das enthält 59 Prozent Grün-, 30 Prozent Rot- und 11 Prozent Blauanteile. Parallel bildet eine Differenzschaltung aus B-Y ein U genanntes Signal, eine weitere aus R-Y ein zweites, V genanntes. Gönnt man U und V dieselbe Bandbreite (als 4:4:4 bezeichnet) wie Y, lässt sich das schließlich geforderte RGB-Signal ohne Qualitätseinbußen wiederherstellen. Wollte man diese Signale senden, brauchte man für ein Farbbild immer noch drei Sender und drei Empfangsteile pro TV-Gerät, was zu Analogzeiten sehr teuer geworden wäre. Außerdem ist die Synchronisierung der drei Signale zu einem korrekten Farbbild schwierig. Bis hierhin ist der einzige Vorteil von YUV ("Komponenten") statt RGB nur, dass ein schwarzweißkompatibles Signal entsteht, welches Altgeräte korrekt darstellen können.
50 Jahre PAL-Fernsehen (12 Bilder)
Glücklicherweise orientiert sich das menschliche Auge an Kanten – also den Inhalten, die das Y-Signal transportiert. Man kann für U und V die Bandbreite reduzieren, ohne den Gesamteindruck des Farbbilds gravierend zu verschlechtern. Ein weiterer Umstand, der dem analogen Farb-TV sehr zupass kommt: Das Bild wird zeilenweise abgetastet und gezeigt; das resultierende Y-Signal hat daher eine Art Kammstruktur. Zwischen den Zinken dieses Kamms ist also noch Platz. Moduliert man einen Hilfsträger mit passender Frequenz durch die bandbreitenreduzierten U- und V-Signale, passt der zwischen die Zinken des Kamms. Schwarzweißgeräte ignorieren die so transportieren Farbinformationen, Farbfernseher trennen den Hilfsträger vom Y-Signal, dekodieren U und V und stellen aus YUV wieder RGB her.
Die Crux des 1953 eingeführten NTSC: Phasenschwankungen, wie sie während der analogen terrestrischen Übertragung immer auftreten können, resultieren in auffälligen Farbtonfehlern. An US-Farb-TVs gibt es daher einen Knopf ("Hue"), mit dem man den korrekten Farbton regeln muss – manchmal mehrfach während einer Sendung.
Besser machen
Diesen Fehler zu vermeiden, ohne neue Probleme einzuführen, war die Idee von Walter Bruch. PAL dreht von einer Bildzeile zur nächsten die Phase des Farbträgers um 180 Grad. Der PAL-Empfänger speichert die Farbinformation für die Dauer einer Zeile zwischen und bildet aus diesem und dem für die nächste Zeile den Mittelwert. Aus einem störenden Farbtonfehler wird so ein kaum auffallender Sättigungsfehler.
Erfinder Bruch befasste sich seit Beginn der 1930er Jahre mit Fernsehtechnik, ab 1935 bei Telefunken. Während des Zweiten Weltkriegs betreute er in Peenemünde die Videotechnik zur Startkontrolle der V2-"Wunderwaffen". Ab 1950 arbeitete er wieder für Telefunken im dortigen Grundlagenlabor für Empfängertechnik. PAL entwickelte er ohne offiziellen Auftrag und meldete es 1962 zum Patent an. Es folgten Vorführungen 1963 bei der EBU, Feldtests und natürlich auch Werbetouren.
Zu den Zeiten, als NTSC und später PAL konzipiert und umgesetzt wurden, arbeiteten TV-Geräte (und viele Radios) mit Elektronenröhren in ihren Schaltkreisen. Eine Verzögerungsleitung für die Dauer von 64 Mikrosekunden – entsprechend einer Bildzeile – zu realisieren war nicht trivial. Der Bruch-Mitarbeiter Ernst F. Schröder erinnert sich, wie man im Labor für die Versuche noch buchstäblich mit einem langen, auf eine Trommel gewickelten Koaxialkabel arbeitete – für ein TV-Gerät eine kaum nutzbare Lösung. Stattdessen entwickelte man etwa streichholzschachtelgroße, im Inneren gefaltete Glaskörper, verwandelte das Farb- in ein Ultraschallsignal und schickte es durch den Glaskörper. Korrekt dimensioniert bremst er das Signal um die gewünschten 64 Mikrosekunden. Selbst dieser Kniff war zur damaligen Zeit teuer, weshalb Kritiker PAL als "Pay Additional Luxury“ verspotteten.
Aufregung bei Aktivierung des ersten Farbsignals
Letztlich setzten sich Bruch und sein – anfangs gar nicht begeisterter – Arbeitgeber Telefunken aber durch: Auf der Internationalen Funkausstellung 1967 drückte der damalige Regierende Bürgermeister von West-Berlin Außenminister und Vizekanzler Willy Brandt einen symbolischen Schalter zum Start des Farbfernsehens in Westdeutschland. Die Wenigen, die einen der damals zwischen 2350 und 2700 D-Mark teuren Empfänger besaßen, konnten sehen, dass der Techniker, der tatsächlich das Farbsignal aktivierte, vor lauter Aufregung schon vor Willy Brandt auf Bunt schaltete. Live von der IFA startete das ZDF mit dem "Goldenen Schuß" ins Color- Zeitalter.
Die Diskussion übers richtige Farb-TV-System war damit aber keineswegs beendet. Denn etwa gleichzeitig mit Bruch hatte Henri de France in Frankreich an Secam (Séquentiel couleur à mémoire) gearbeitet. Mit Rückenwind durch die französische Regierung wollte man es überall dort durchsetzen, wo es noch kein NTSC gab – also praktisch überall außer Nordamerika und Japan.
Die Farbschwankungen des amplitudenmodulierten NTSC-Farbträgers sollte der Wechsel auf Frequenzmodulation vermeiden. Die benötigt aber fürs selbe Nutzsignal mehr Bandbreite, die im Spektrum des TV-Signals rar ist. Der FM-Träger begrenzt zudem die Detailtreue und Schärfe des Schwarzweißsignals. Und: Damals wurde in TV-Studios mit dem kompletten ("Composite"-) Farbsignal gearbeitet. Secam lässt sich aber nicht mischen. Auch in Ländern, die sich letztlich für Secam entschieden, war intern PAL Standard. Der den damaligen Ostblock dominierenden UdSSR verkauften die Franzosen Secam mit dem Versprechen, eine Fabrik für neuartige Farbbildröhren mit Streifenmaske zu errichten. Die ging nie in Betrieb. Jahre später brachte Sony das Prinzip unter dem Namen Trinitron zur Serienreife. Trotz der Röhren-Pleite sendete die ehemalige DDR auf Druck des Großen Bruders ab 1969 in Secam.
Letztlich war Bruch, der immer nur mit Technikern und ohne Regierungsabordnungen reiste, mit seinem System erfolgreich. Ein Großteil der Welt setzte von Anfang an auf PAL. Mit dem Fall der Mauer schwenkten auch viele Ostblockstaaten auf sein System. Den tatsächlichen Umstieg erlebte er nicht mehr – er starb am 5. Mai 1990 in Hannover.
Zur Zeit, als es entwickelt und in den Markt eingeführt wurde, war PAL definitiv das beste System – wenn auch nicht frei von Schwächen. Durch die Mittelung über zwei Zeilen sinkt die vertikale Farbauflösung gegenüber NTSC um die Hälfte.
Nachfolger gesucht
1989 sollten die deutschen TV-Sats und die französischen TDF-Satelliten mit ihrer analogen Komponentenübertragung (MAC, Multiplexed Analogue Components) das Ende von PAL und Secam einläuten. Aber das Sonnensegel des ersten TV-Sat entfaltete sich nicht, die MAC-Empfänger wurden mit Verspätung fertig und kosteten mehr als erwartet. 1988 starte zudem SES seine Astra-Satellitenflotte – mit PAL. Da die MAC-Technik einmal mehr mit dem Staat in den Markt gedrückt werden sollte, entstand als Gegenbewegung PALplus – maßgeblich bei Grundig unter Federführung von Prof. Dr. Michael Silverberg sowie beim Münchner Institut für Rundfunktechnik (IRT).
PALplus erlaubt kompatible Übertragung anamorpher 16:9-Bilder und Komponentenqualität. Nebenbei sahen auch Signale im damals noch vorherrschenden 4:3-Format nie besser aus als mit PAL-plus-Encoder auf der Senderseite.
Dennoch: 1996 startete DF 1, Deutschlands erstes digitales Fernsehen. Anfangs war die Qualität unter der eines guten PAL-Bildes, die digitalen Set-Top-Boxen mit 1000 D-Mark exorbitant teuer. Aber: Datenreduktionsverfahren wurden immer besser, die Hardware billiger.
Ende vom Lied
Schon 2001 war wurde das Ende für PAL über terrestrische Sendemasten eingeleitet, 2012 endete die PAL-Satellitenübertragung. Der Kabelbetreiber Unity Media zog der analogen PAL-Übertragung in diesem Juli den Stecker, die letzten deutschen Kabelbetreiber stellen den Dienst im nächsten Jahr ein. Im Vergleich zu Digital-TV frisst PAL zu viel Bandbreite, schon bei der konventionellen TV-Auflösung ("SD", Standard Definition) zeigen sich mit Farbflimmern in Karomustern die Schwächen der PAL-Übertragung. An HDTV mit PAL ist nicht zu denken – fürs Zeitalter riesiger Flach-TVs war das System nie gemacht.
(nij)