65 Prozent der Deutschen sind im Netz

Der Anteil der Internetverweigerer ist hierzulande erstmals angesichts eines Zuwachses der Surfer um drei Millionen im vergangenen Jahr auf unter 30 Prozent gesunken, hat der 8. (N)onliner-Atlas ergeben.

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Der Anteil der Internetverweigerer ist hierzulande erstmals angesichts eines Zuwachses der Surfer um drei Millionen im vergangenen Jahr auf unter 30 Prozent gesunken. Dies geht aus dem 8. (N)onliner-Atlas hervor, den die Initiative D21 und das Marktforschungsinstitut TNS Infratest am heutigen Dienstag in Berlin präsentiert haben. Laut der Befragung von über 52.000 Bürgern über 14 Jahren sind rund 42,2 Millionen deutsche Jugendliche und Erwachsene online, was einem Anteil von 65 Prozent an der Bevölkerung und einem Zuwachs um fast fünf Prozentpunkten gegenüber 2006 entspricht. 4,9 Prozent der Nonliner planen, in 2008 online zu gehen. Diese Quote lag 2007 aber noch bei 5,7 Prozent.

Angesichts der Zahlen könne man die umfangreiche Studie in "Onliner-Atlas" umbenennen, freute sich Bernd Bischoff, Präsident der von Politik und Wirtschaft getragenen Initiative D21. Das Internet sei ein "Medium für Jedermann" geworden. "Wer keinen Zugang hat, dem droht der Ausschluss", machte der Chef von Fujitsu Siemens Computers auch klar. Der digitale Graben zwischen Nutzern und Online-Abstinenzlern schließe sich zwar weiter. Es bestehe aber noch Handlungsbedarf. So müssten Politik und Wirtschaft weiter Anreize für mehr Internetnutzung schaffen, etwa durch ein "hohes Maß an digitaler Ausbildung". Die Initiative D21 habe daher ein Projekt aufgesetzt, um Deutschlands Schulen mit den besten Lehrkräften auch für den Unterricht mit Informations- und Kommunikationstechnologie zu versorgen. Zudem müssten Kinder schon im Kindergarten Umgang mit IT-Techniken haben.

Zum neuen Wachstumsschub bei den Onlinern haben Bischoff zufolge vor allem günstige Flatrate-Angebote für Internet und Telefonie bei hohem Preisdruck beigetragen, aber auch die geringere Arbeitslosenquote. Als Ziel der Internetdurchdringung gab er die Losung aus: "85 Prozent wären toll". Dafür müsse man sicher nicht "Millionen reinbuttern", aber unter anderem die Flatrates vielleicht "noch mal zwei Euro günstiger machen".

Im Wettbewerb der Bundesländer liegt Berlin weiter ganz vorne mit 70,3 Prozent Onlinern, knapp gefolgt von Hamburg mit genau 69 Prozent und Schleswig-Holstein mit 68,6 Prozent. Ostdeutschland weise nach wie vor unterdurchschnittliche Werte auf, erklärte Robert Wieland, Geschäftsführer von TNS Infratest. Schlusslicht bilde einmal mehr das Saarland mit 56,8 Prozent Internetnutzern. Die größten Zuwächse habe es in Rheinland-Pfalz mit 8,5, Bayern mit 7 und im Saarland mit 6,1 Prozentpunkten gegeben, sodass bei letzterem Besserung in Sicht sei. Berlin habe eine gewisse Sättigungsquote erreicht. Mehr Sorgen machte Wieland Mecklenburg-Vorpommern, wo das Wachstum mit 2 Prozentpunkten deutlich unterdurchschnittlich sei: "Hier sollten Fördermaßnahmen ergriffen werden."

Beim Alter sieht es dem Vorstandsmitglied bei D21 zufolge "relativ gut aus bis zu 49 Jahren". So seien bei der jüngsten Gruppe bis 29 Jahre bereits 91,3 Prozent im Netz. Dazu komme ein "überdurchschnittliches Wachstum bei den 40 bis 69-Jährigen". Die Altersgruppe 50 plus sei derzeit mit 40,3 Prozent im Internet unterwegs. Bei Schülern seien 95 Prozent online, zudem würden vier von fünf Berufstätigen das Internet nutzen. Aber nur knapp jeder zweite Nicht-Berufstätige sei online. Generell sei auch bei den Schwellenhaushalten, die über ein Haushaltseinkommen von 1000 bis 2000 Euro pro Monat verfügen können, eine Quote von 56 Prozent Onlinern noch nicht ausreichend. Dass die Breitbandnutzung inzwischen bei über 65 Prozent liege, sei dagegen eine "tolle Entwicklung"

Ein besonderes Augenmerk auf die Geschlechterverteilung legte Birgit Kampmann, Geschäftsführerin des Kompetenzzentrums "Technik – Diversity – Chancengleichheit": "Der Anstieg bei den Männern liegt in diesem Jahr bei 5,3 Prozentpunkten, bei den Frauen nur bei 4,5 Prozentpunkten." Insgesamt seien 58,3 Prozent des weiblichen Geschlechts, aber schon 72,4 Prozent der Männer online. Bei der Altersgruppe 50 plus liege die Differenz bei knapp 20 Punkten, sodass sich die wieder größer gewordene Schere vor allem bei den Älteren öffne. Es gebe einen Unterschied von 85 Prozentpunkten zwischen jungen und alten Frauen, da nur 9,2 Prozent der über 70-Jährigen im Netz seien. Die Differenz verstärke sich noch bei Einschluss der Arbeitslosen. Kampmann bedauerte daher, dass es "seit 2005 keine gezielten Angebote für Frauen mehr gegeben hat, die auch Nicht-Berufstätige und Ältere erreichen". Hier müsse man stärker in "informelle Vermittlungswege" wie Freizeit-Netzwerke gehen.

Insgesamt positiv wertete die Ergebnisse Jochen Homann, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Die Spannweite zwischen 57 Prozent Surfern im Saarland und 70 Prozent in Berlin liege "im Ungenauigkeitsbereich", rechnete der Volkswirt die Spalte schön. "Da muss man keine große Botschaft draus machen." Es bleibe aber Ziel der Bundesregierung, den Anteil der "bewussten Onliner ständig zu erhöhen" und so auch den Wirtschaftsstandort zu stärken. So wolle man etwa über das ELENA-Projekt zum elektronischen Einkommensnachweis, welches das Bundeskabinett am Mittwoch beschließen werde, "die Internetnutzung voranbringen". Zudem habe das Wirtschaftsministerium den Wettbewerb Wege ins Netz 2008 mit Geldpreisen in Höhe von 30.000 Euro ausgelobt und schicke ein fahrendes Internet-Café durch die Lande, wo sich Interessierte an 12 Arbeitsplätzen ins Surfen einweisen lassen könnten.

Die jährliche Sonderstudie, für die TNS Infratest 1000 Interviews durchführte, war dieses Jahr dem Online-Banking gewidmet. Die wichtigsten Themen dabei seien Sicherheit und Datenschutz sowie mit deutlichem Abstand Schnelligkeit und Bequemlichkeit, gab Michael Krings, Vorstandsvorsitzender der FIDUCIA IT AG, bekannt. Fast 61 Prozent der Befragten seien aber nicht bereit, zusätzliche Kosten für die Sicherheit zu tragen. 7,5 Prozent würden dafür 50 Cent im Monat zahlen, 15,3 Prozent eine einmalige Anschaffungsgebühr in Kauf nehmen. Zugleich würden 76 Prozent Überweisungen und Wertpapierkäufe im Internet trotz bekannter Risiken durchführen. "Knapp 84 Prozent setzen Virenschutz-Programme ein", zeigte sich Krings zumindest ein wenig erleichtert, "aber nur 63 Prozent spielen aktuelle Updates ein". Deutlich zu wenig bekannt seien Schutzverfahren wie mobileTan oder eine Verschlüsselung über HBCI-Chipkartenleser. Nur bei deren Einsatz könne man Online-Banking als sicher betrachten. (Stefan Krempl) / (jk)