70 Jahre Farbfernseher – 1954 wurde die Flimmerkiste bunt

Seit rund zwei Jahrzehnten sind TVs mit Flachbildschirm Standard. Aber Premiere feierten die bunten Bilder auf klobigen Röhren der Radio Corporation of America.

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Röhrenfernseher mit Antennen

Heute sind Fernseher flach, doch über Röhrengeräte wie dieses führte der Weg in die Ära des Farb-TVs, wie wir es heute kennen.

(Bild: Shutterstock/BrAt82)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Karl-Gerhard Haas
Inhaltsverzeichnis

Am 1. Dezember 1954 ist es soweit: Der RCA 21-CT-55 kommt in den USA in den Handel. Seiner 53-Zentimeter-Bildröhre (21 Zoll) macht ihn zum ersten Farb-TV der Welt mit halbwegs wohnzimmertauglicher Bilddiagonale. Aber bei einem Preis von 895 US-Dollar (ohne Steuern; nach heutiger Kaufkraft rund 10.500 Dollar) ist er ein schwer verkäufliches Stück Luxus. Und das, obwohl RCA den Preis gegenüber dem Erstling des Hauses schon gesenkt hat: Im April des Jahres hatte man den CT-100 auf den Markt geworfen. Dieser erste in Serie produzierte Farb-TV der Welt hatte eine eher mickrige Brutto-Diagonale von 15 Zoll (38 Zentimeter), kostete 1000 Dollar (2024: rund 11.730) und fand in den gesamten USA nur rund 4.440 Käufer.

So astronomisch die Preise für einen Fernseher im Jahr 2024 erscheinen mögen: Sie waren seinerzeit mehr als gerechtfertigt. RCA musste nicht nur eine völlig neuartige Bildröhre entwickeln, sondern die komplette Aufnahme- und Sendekette – und dabei ein auf den ersten Blick genial einfaches Konkurrenzsystem ausstechen.

Denn die Lage in den USA ist nach dem Zweiten Weltkrieg vertrackt. Als die US-Wirtschaft nach Kriegsende brummt und die Elektronikindustrie sich nicht mehr mit Radar- oder Funkgeräten für die Armee, sondern Unterhaltungstechnik befassen kann, soll das gerade flügge gewordene Fernsehen mit dem Kino gleichziehen und farbig werden. Die wenigen, vor und unmittelbar nach dem Krieg verkauften TV-Geräte und begonnenen TV-Dienste waren samt und sonders schwarzweiß. Im Kino hingegen ist dank Technicolor und hierzulande Agfa Farbe zwar nicht dominierend – aber sie wird nach Kriegsende immer selbstverständlicher.

Für die Firmen, die Farbe in die Wohnzimmer der Zuschauer bringen wollen, bedeutet dies: Sie müssen nicht nur die passenden Kameras und Bildschirme konstruieren, sondern auch geeignete Übertragungstechnik entwickeln. Zu jener Zeit ist der menschliche Farb-Sehsinn erforscht, auch ist bekannt, dass sich aus Rot, Grün und Blau (RGB) fast alle sichtbaren Farben mischen lassen. CBS (Columbia Broadcasting System) präsentierte am 28. August 1940 eine ebenso simple wie scheinbar clevere Idee: mechanisches Farb-TV. Bringt man vor einer Schwarzweiß-Videokamera und einem Schwarzweißbildschirm ein RGB-Farbrad an und lässt dies vor Aufnahme- und Wiedergabegerät synchron schnell genug rotieren, verschmelzen für den Zuschauer die drei sequentiell übertragenen Farbauszüge zu einem Farbbild. Keine neue Kameratechnik, keine neuen Bildschirme – größtes, aber lösbares Problem ist, die Farbräder auf Kamera- und Bildschirmseite zu synchronisieren.

Bei genauerem Hinsehen und erst recht in der Praxis fallen schnell die Nachteile dieser Idee auf: Auf der Empfängerseite wird das Farbrad bei auch nur halbwegs brauchbaren Bildschirmgrößen recht schnell wuchtig – auch alternativ um den Bildschirm rotierende Trommeln sind nicht wirklich kompakt. Zudem macht die Mechanik Geräusche und ist verschleißbehaftet. Schließlich zeigt die Technik Ränder in allen Farben des Spektrums – ein Effekt, den auch Nutzer von Einchip-DLP-Projektoren kennen.

Der größte Haken an der CBS-Technik aber ist: Das derart produzierte Farbsignal ist nicht mit den gerade erst verkauften Schwarzweißfernsehern kompatibel – und braucht bei vergleichbarer Bildschärfe ("Auflösung") mehr Bandbreite als Schwarzweiß-TV.

Trotz all dieser Macken erklärt die für Radio und Fernsehen zuständige Behörde, die Federal Communications Commission (FCC), das CBS-System 1950 zum offiziellen Farbsystem der USA.

Denn Rivale RCA hatte zwar eine Alternative präsentiert – die war aber anfangs so schlecht, dass die FCC dankend ablehnte. Aber wegen des von der Sowjetunion angezettelten Koreakriegs wurden kurz nach der Entscheidung pro CBS alle Farbfernsehpläne gebremst: Wie schon im Zweiten Weltkrieg gab es Wichtigeres als Unterhaltungselektronik.

Stalins Kriegstreiberei verschafft RCA die dringend benötigte Atempause. Die RCA-Idee: Die Farbe wird kompatibel aufs Schwarzweißsignal draufgepackt (Details zur NTSC-Übertragung hier), eigens entwickelte Farbbildröhren zeigen das derart übertragene Signal ohne Rad-Mimikri.

Bei den Bildröhren liegt der Hase im Pfeffer. Schwarzweiß-Exemplare sind vergleichsweise simpel. Das Innere der Bildseite ist mit Phosphor beschichtet, ihr gegenüber sitzt im Röhrenhals eine Elektronenquelle. Vom Bildsignal gesteuerte Elektromagneten („Ablenkspulen“) bewegen einen Elektronenstrahl über die Leuchtschicht, dessen Spannung proportional zur Bildhelligkeit ist. Das Bild wird zeilenweise von oben nach unten in die Leuchtschicht geschrieben, das Nachleuchen des Phosphors und die Trägheit des menschlichen Sehapparats gaukeln den Augen ein vollständiges Bewegtbild vor.

Aber wenn eine Bildröhre farbige Bilder zeigen soll, wird es komplex. Das geringste, aber keinesfalls triviale Problem: statt einer drei Elektronenkanonen für RGB im Röhrenhals unterbringen und diese unabhängig voneinander, aber dennoch synchron steuern. Rund 150 Einzelteile gehören im Röhrenhals an den richtigen Platz.

Viel schwieriger wird es auf der Bildseite: Statt einer uniformen Leuchtschicht wollen unterschiedliche Phosphore in den drei Grundfarben fein säuberlich getrennt auf die Röhren-Innenseite aufgetragen werden. Je ein RGB-Triplet stellt einen Leuchtpunkt dar. Auch wenn man die Triplets sehen und zählen kann: Sie entsprechen nicht den diskreten Bildpunkten („Pixel“) moderner Flach-Displays.

Im Hintergund steht das DuMont-Farbrad, das hergestellt wurde, um ein großes Problem mit dem CBS-System zu demonstrieren, nämlich die Größe des Rades, die für einen großen Bildschirm erforderlich war. CBS reagierte mit einem Trommelempfänger, der es ermöglichte, eine große Leinwand auf kleinem Raum zu produzieren.

Hat man die drei Elektronenquellen untergebracht und dreierlei Phosphore aufgetragen, bleibt nur noch ein Problem zu lösen: Wie schafft man es, dass jede Elektronenkanone nur die ihr zugedachten Farbpunkte trifft? Ohne weiteres würde jeder Elektronenstrahl alle RGB-Triplets zum Leuchten anregen – ade, Farbbild…

Dieses Problem löst eine vor der Leuchtschicht in der Röhre angebrachte Schattenmaske, auch Lochmaske genannt. Sie sorgt dafür, dass jede Elektronenquelle die für sie bestimmten Leuchtpunkte sieht. Die Produktion einer solchen Bildröhre ist ein langwieriger Vorgang – in diesem RCA-Film wird erklärt:

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In den ersten von RCA und anderen produzierten Bildröhren haben die Triplets Dreiecksform, auch die Elektronenkanonen sind in Gestalt eines Dreiecks im Röhrenhals montiert. Größtes Problem bei der Produktion ist, die RGB Elektronenkanonen über die gesamte Fläche des Bildschirms deckungsgleich („konvergent“) einzustellen. Da bedarf es geduldiger Justage…

Nicht wegregeln lässt sich hingegen ein anderes Problem: Die Schattenmaske macht ihrem Namen alle Ehre, denn sie schluckt rund 85 Prozent der Energie und damit Helligkeit der Elektronenkanonen. Die frühen Farbbildröhren sind regelrechte Funzeln. Dennoch funktionierten NTSC und die RCA-Bildröhren Ende 1953 gut genug, um die FCC umzustimmen: Die grundsätzlichen Nachteile des CBS-Systems waren nicht zu übersehen, trotz der noch bescheidenen Bildröhren erklärten die Regulierer am 18. Dezember 1953 das RCA-System zum US-Farb-TV-Standard.

Daran ist auch ein drittes Team um das Filmstudio Paramount und den Atomphysiker Ernest Orlando Lawrence beteiligt, denn es hatte für die Übertragungstechnik eine ähnliche Idee wie RCAs NTSC – und lobbyierte wie RCA für ein schwarzweißkompatibles elektronisches System. Aber als Bildröhre hat man ein Modell namens Chromatron. Wenn das funktioniert, ist es der RCA-Konstruktion mit Schattenmaske haushoch überlegen – und als 1961 Sonys Laborleiter Nobutoshi Kihara auf der Wissenschaftsausstellung „IRE Show“ ein Exemplar dieses Displays sieht, ist er so überzeugt, dass sich Sony die Rechte daran sichert. Schnell stellt man fest, dass die Fertigung dieses Röhrentyps ein Alptraum ist. Beinah hätte der Sony ruiniert – und erst, als man die Idee 1966 zur Trinitron-Röhre modifiziert, wird daraus eine technische Meisterleistung, die Sony jahrzehntelang gutes Geld in die Kasse spült.

Einer der ersten Sony-Trinitron-TVs.

Bis dahin gibt es aber nur die RCA-Röhre, die selbstverständlich ebenfalls optimiert wird. Aber die 1954 und in den Jahren danach erschienen Farb-TVs plagen nicht nur die Kinderkrankheiten vieler technischer Neuheiten: Es gibt schlicht kaum Programm in Farbe und damit das typische Henne-Ei-Problem. Kein Programm – kein Anreiz, einen Farb-TV zu kaufen. Keine Farb-TVs beim Publikum – kein Anreiz für die Sender, Farbprogramme zu produzieren.

Da hilft es RCA anfangs auch wenig, dass man mit der National Broadcasting Company (NBC) eine der drei landesweiten Senderketten besitzt. Auch die zeigt erst ab 1962 immerhin zwei Drittel des Abendprogramms in Farbe. Die Konkurrenz ist noch zögerlicher – es dauert bis weit in die 1960er, bis substantielle Teile des US-TV-Programms bunt sind und eine ausreichend große Zahl von Kunden sich für ein Farbgerät entscheidet. 1966 werden mit 5,8 Millionen Fernsehern erstmals mehr Farb- als Schwarzweißgeräte verkauft.

Zu der Zeit tüftelt aber auch in Frankreich Henri de France am Secam-Farbsystem und in der damaligen Bundesrepublik Walter Bruch bei Telefunken an PAL. Das startet in Westdeutschland 1967 – die USA haben zwar mit ihrer Arbeit am Farbfernsehen die Grundlagen geschaffen, letztlich die Technik aber voreilig gestartet.

Dennoch zahlt sich das Invest von damals 40 Millionen US-Dollar für RCA aus: Denn auch, wenn außer Japan und Kanada kein damals wichtiges Land das von RCA entwickelte NTSC-Übertragungssystem akzeptiert: Für Farbbildröhren hat RCA jahrzehntelang alle wichtigen Patente, ebenso für die Maschinen zur Farbbildröhrenproduktion. Für alle anderen TV- und Röhrenhersteller entspannt sich diese Situation auch nach Sonys Trinitron-Durchbruch nicht, denn Sony behält die Technik für sich – nur Computermonitorherstellern liefert man die Trinitron-Röhren.

Im Laufe der Jahre verbessern allerdings auch andere Hersteller die Technik der Farbbildröhren dramatisch. Statt die Elektronenkanonen im Dreieck anzuordnen, platziert man sie nebeneinander ("In-line“), ebenso werden auch die RGB-Phosphore für jedes Triplet nicht mehr in Dreiecken, sondern nebeneinander angeordnet. Hitzefeste Schattenmasken erlauben höhere Strahlströme und damit mehr Helligkeit. Um die Nullerjahre sind die Displayseiten von Bildröhren grundsätzlich rechteckig und plan – die ersten RCA-Röhren waren nicht nur stark gewölbt, sondern auch noch rund, weshalb ein Teil der Röhrenfläche gar nicht fürs Bild nutzbar war. Mit den ersten HDTV-Versuchen in Japan werden auch Bildröhren hochauflösend und bekommen das mehr in Richtung Kino orientierte 16:9-Format.

Aber es ist klar: Für ein wirkliches Eintauchen in die Handlung braucht man größere Displays – die sind mit Röhrentechnik kaum realisierbar, da zu schwer, zu teuer und zu empfindlich. Aber dafür gibt es ja LCD, Plasma- und OLED-Bildschirme…

Bis es soweit ist, profitiert RCA jahrzehntelang von seiner Pionierarbeit rund ums Farbfernsehen. Aber in den 1960ern verlässt deren Obere der Spürsinn für kommende Technologien: Schon 1968 präsentiert man eines der ersten Flüssigkristall-Displays. Aber mit den dafür nötigen Chemikalien will man lieber nicht hantieren. Sie sind den Chefs zu schmuddelig – in Anbetracht der für Farbbildröhren nötigen Substanzen, unter anderem Blei fürs Glas, eine reichlich weltfremde Ansicht. Größter Sargnagel wird dann aber eine jahrzehntelang verbummelte Bildplatte. Wie von so vielen einst renommierten Firmen existiert von RCA nur noch der Name.

(nen)