Havariertes AKW Fukushima: Roboter soll hochradioaktive Probe bergen

Ein Roboter ist gestartet, um eine hochradioaktive Probe geschmolzener Brennstäbe aus dem Atomkraftwerk in Fukushima zu bergen. Doch die Mission ist schwierig.

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Arbeiter bereiten ein Zugangsrohr für einen Roboter vor.

Mitarbeiter von TEPCO bereiten das Rohr vor, durch das der Roboter in das Reaktorinnere gelangen soll.

(Bild: TEPCO (Screenshot))

Lesezeit: 4 Min.

Der Betreiber des 2011 bei einem Tsunami havarierten japanischen Atomkraftwerks in Fukushima, Tokyo Electric Power Company Holdings (TEPCO), hat einen ferngesteuerten Roboter auf eine zweiwöchige Mission geschickt, um eine Probe eines geschmolzenen, hochradioaktiven Brennelements aus dem Reaktorblock Daiichi 2 zu bergen. Zuvor waren bereits mehrere Bergungsversuche gescheitert.

Große Mengen hochradioaktiver, geschmolzener Brennstäbe müssen auch 13 Jahre nach der Katastrophe in Fukushima noch beseitigt werden. Eigentlich sollte bereits 2021 mit den Aufräumarbeiten begonnen werden, doch die gestalteten sich schwieriger als gedacht. Immer wieder gab es Verzögerungen bei dem Versuch, in das Reaktorinnere zu gelangen.

Hinzu kommt, dass TEPCO mehr über den Zustand der Kerne und Brennstofftrümmer wissen muss, um diese überhaupt beseitigen zu können. Denn der Zustand der Reaktoren ist unterschiedlich. Bei der Reaktorschmelze vermischten sich verschiedene Materialien wie etwa Zirkonium, Stahl, Kabel, Gitter und Beton. Das hochradioaktive, lavaartige Material spritzte dabei in alle Richtungen. Insgesamt schätzt TEPCO, dass sich in den drei Reaktoren zusammen rund 880 Tonnen Material befindet, das mit den radioaktiven Brennelementen vermischt ist. Die Aufräumarbeiten werden durch diesen Umstand zusätzlich erschwert.

Ein speziell von TEPCO entwickelter Roboter soll nun Licht ins Dunkel bringen. Der Zustand einer mit ihm geborgenen radioaktiven Probe der geschmolzenen Brennstoffelemente könnte Aufschluss darüber geben, wie schnell das Material entfernt werden muss, um es langfristig an einem sicheren Ort einlagern zu können. Die Brennelemente wurden zwar gekühlt und gelten als weitgehend stabil, doch die fortschreitende Alterung der Reaktoren stellt ein mögliches Sicherheitsrisiko dar. Auch sei noch unklar, wie das radioaktive Material entfernt, gelagert und entsorgt werden kann.

Geplant ist, dass der Roboter eine Probe aus dem Reaktorinneren entnimmt, die dann in sicheren Behältern zur Analyse an unterschiedliche Labore geschickt werden. Bei Übersteigen der festgelegten Strahlungsgrenzwerte soll der Roboter die Probe allerdings wieder zurück in den Reaktor bringen. In den Reaktor gelangt der Roboter über ein mehrteiliges Rohr (PDF) durch einen Zugang im primären Sicherheitsbehälter von Daiichi 2. Durch das Rohr soll er an einem Seil abgelassen werden und dann etwa sechs Meter weit in das Innere vordringen.

Der Super-GAU von Fukushima (77 Bilder)

Das AKW Fukushima Daiichi mit seinen sechs Reaktorblöcken vor der Katastrophe. Es liegt Luftlinie rund 250 km von Tokio entfernt. Alle sechs Blöcke basieren auf den Siedewasserreaktor-Baureihen BWR 3 bis BWR 5 des US-Unternehmens General Electric; gebaut wurden sie zwischen 1971 und 1979. Block 1 sollte ursprünglich Ende März 2011 stillgelegt werden, die japanischen Behörden genehmigten Februar 2011 aber eine Laufzeitverlängerung um zehn Jahre.
(Bild: dpa)

Dort soll der mit einer Kamera ausgestattete Roboter ferngesteuert von Operatoren mit einer Zange von einem Haufen geschmolzener Brennelemente einen weniger als drei Gramm schweren Teil des radioaktiven Materials abschneiden und auffangen. Es wird nur eine derart geringe Menge entfernt, um das Strahlungsrisiko zu minimieren. Danach kehrt der Roboter wieder zu der Stelle zurück, an der er in den Reaktor eingelassen worden ist.

Rund zwei Wochen lang soll die Mission dauern. Der Roboter muss dabei sehr langsam, präzise und vorsichtig gesteuert werden, um nicht etwa an Hindernissen hängen und gegebenenfalls endgültig stecken zu bleiben. Bei früheren Versuchen ist dies bereits passiert.

TEPCO will die Erfahrungen, die mit dem neuen Roboter gemacht werden, in die Entwicklung weiterer Roboter einfließen lassen, die später größere Teile des radioaktiven Materials abschneiden, in sichere Behälter verfrachten und abfahren können. Dazu müssen allerdings erst Proben von unterschiedlichen Stellen entnommen werden, um das Material einschätzen zu können. TEPCO will zuvor noch 2024 in die beiden Reaktorblöcke 1 und 3 mit Mikro-Drohnen vordringen, um mit ihnen die Lage untersuchen und besser einschätzen zu können. Beide Reaktoren sind in einem noch schlechteren Zustand als der Reaktorblock 2.

Zumindest bei der Beseitigung abgebrannter Brennstäbe ist man bereits vorangekommen. In Block 3 sind sie komplett entfernt worden. In den Blöcken 1 und 2 befinden sich noch einige Hundert in nicht umschlossenen Kühlbecken. Sollte ein weiteres Beben auftreten, so besteht dadurch ein akutes Sicherheitsrisiko.

Die Stilllegung des Atomkraftwerks kann noch sehr lange dauern. Die japanische Regierung rechnet mit etwa 30 bis 40 Jahren. Unabhängige Experten sehen dagegen eine längere Zeitspanne von etwa 100 Jahren als realistisch an. Problematisch ist, dass die Anlage in Fukushima nicht einfach insgesamt versiegelt werden kann, etwa wie in Tschernobyl. Sie liegt zu dicht am Meer und in einem Hochwassergebiet mit stärkerer seismischer Aktivität. Es würde daher fahrlässig sein, die Anlage einfach zu begraben und abzuwarten.

(olb)