"AKWs zu Silvester vorsorglich vom Netz!"

Der Computersicherheitsexperte Klaus Brunnstein bezweifelt, dass alle deutschen Atommeiler Jahr-2000-fest sind. In einem Fax an Umweltminister Trittin ("Dringend - bitte sofort auf den Tisch!") fordert der Hamburger Informatik-Professor die vorsorgliche Abschaltung zweier Kraftwerke. Er habe erhebliche "Zweifel an der Überprüfungskette zur Y2k-Tüchtigkeit bei den KKWs Unterweser und Neckarwestheim I" und rate dem Minister "dringlichst", einen Sachverständigen für Y2k-Probleme aus den USA oder England einfliegen zu lassen.

Die beiden Reaktoren waren nachträglich mit digitalen Sicherheitssystemen ausgerüstet worden. Aus diesem Grunde sieht Brunnstein bisherige Gutachten in Frage gestellt. Der Betreiber Preussen Elektra habe die digitale Nachrüstung der Anlagen, so Brunnstein, durch geschickte Formulierungen absichtlich zu verschleiern versucht. Zwar sei die Nachrüstung von der Reaktorsicherheitskommission bestätigt und als Y2k-konform bewertet worden, jedoch bezweifelt Brunnstein die Fachkompetenz der Kommission für die spezielle Problematik des Datumswechsels.

Bei Preussen Elektra will man hingegen zwischen festverdrahteten "Schutzsystemen" und prozessorgesteuerten "sicherheitsrelevanten Leitsystemen" sorgfältig unterschieden wissen. Erstere erlaubten das risikofreie Herunterfahren der Reaktoren im Havariefall völlig datumsunabhängig, zweitere lieferten "lediglich" Messwerte in die Leitzentrale, wiegelt Preussen-Sprecherin Angela Ettl ab. An eine vorsorgliche Abschaltung denke man daher nicht.

Auch das Bundesumweltministeriums sieht "keinen Anlass, diese beiden Atomkraftwerke zum Jahreswechsel stillzulegen", hieß es heute in einer Erklärung. Das Landesumweltministerium in Hannover bestätigte gegenüber c't eine nochmalige Überprüfung des niedersächsischen Kraftwerkes Unterweser durch den TÜV. Auch an der Kompetenz des TÜV bei Fragen der Informationstechnik hatte Brunnstein bereits vor längerer Zeit Zweifel angemeldet. (tig)