Abweichung vom Standardmodell: Dunkle Materie in frühesten Galaxien vermessen

Dank einer neuartigen Herangehensweise hat ein Forschungsteam die Verteilung von Dunkler Materie jetzt im deutlich früheren Universum erforschen können.

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Galaxien als Gravitationslinsen für die kosmische Hintergrundstrahlung

(Bild: Reiko Matsushita, Nagoya University)

Lesezeit: 3 Min.

Messungen zur Verteilung von Dunkler Materie in Galaxien vor 12 Milliarden Jahren weichen von den Vorhersagen des Standardmodells der Kosmologie ab. Das hat ein japanisches Forschungsteam herausgefunden, das die Entstehung und Verteilung der mysteriösen Dunklen Materie auf einem Umweg deutlich weiter zurückverfolgen konnte, als es bislang möglich gewesen war. Insgesamt basiert ihr Datensatz auf fast 1,5 Millionen Galaxien, die wir so sehen, wie sie nur 1,7 Milliarden Jahre nach dem Urknall aussahen. Sollte sich ihre Ergebnisse bestätigen lassen, könnten sich daraus neue Erkenntnisse zur Natur der Dunklen Materie ergeben, meint der Studienleiter und Astrophysiker Hironao Miyatake von der Universität Nagoya.

Schon der Blick zurück auf leuchtende Objekte sei schwierig, erklärt das Team. So wird das Licht auf dem Weg zu uns immer weiter ins Rote und Infrarote verschoben, weswegen es schließlich nur von speziellen Observatorien wie dem neuen Weltraumteleskop James Webb beobachtet werden kann. Die Analyse von Dunkler Materie in der Frühzeit des Universums sei aber noch schwieriger, weil dafür spezielle Voraussetzungen vorherrschen müssen. Weil die nicht selbst leuchtet, wird die Auswirkung der Gravitation untersucht. Um die Verteilung von Dunkler Materie in einer derart fernen Galaxie zu untersuchen, braucht es Licht oder Strahlung von Objekten dahinter, die dort davon gebogen wird. Je weiter die Objekte entfernt sind, desto schwieriger werde diese Vorgehensweise.

Um nicht wie die bisherigen Analysen bei der Analyse von Galaxien vor acht bis zehn Milliarden Jahren stecken zu bleiben, ist das Team um Miyatake jetzt anders vorgegangen. Am Anfang stand demnach eine Liste mit 1,5 Millionen Galaxien, die wir so sehen, wie sie vor 12 Milliarden Jahren aussahen und die als Gravitationslinse fungierten. Deren Auswirkungen wurde aber nicht auf Licht eventuell noch weiter entfernter Galaxien untersucht, sondern auf die Mikrowellenstrahlung, wie sie der ESA-Satellit Planck für den Nachthimmel gemessen hat. Die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung ist kurz nach dem Urknall entstanden und füllt das gesamte Universum aus. Daraus, wie die Galaxien diese Strahlung beeinflussen, ließen sich nun die bislang frühesten Daten zur Verteilung Dunkler Materie gewinnen.

Die vorgenommenen Messungen zur "Klumpenbildung" in dieser Frühzeit des Universums weichen jetzt von dem sogenannten Lambda-CDM-Modell ab, dem Standardmodell zur Beschreibung der Entwicklung des Kosmos seit dem Urknall. Noch sei das Ergebnis zwar unsicher, aber sollte es sich als richtig herausstellen, würde das bedeuten, dass das gesamte Modell Schwächen hat, wenn man in der Zeit zurückgeht. Das sei aufregend, denn die nötigen Verbesserungen an dem Modell könnten auch dabei helfen, besser zu verstehen, worum es sich bei der Dunklen Materie genau handelt. Deren Natur ist eines der größten Rätsel der Physik. Außerdem spreche nichts dagegen, mit der Methode auch Galaxien zu untersuchen, die wir in einem noch deutlich früheren Zustand sehen. Die Forschungsarbeit ist in den Physical Review Letters erschienen.

(mho)