Algerien verfolgt Kritiker: 3 Jahre Haft für Memes

Algerien verfolgt noch immer Regierungskritiker. Für satirische Memes und kritische Postings in Sozialen Netzwerken setzt es Geld- und Haftstrafen.

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Flagge Algeriens

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Walid Kechida, 25, ist am Montag in Algerien zu drei Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt worden. Die Geldstrafe entspricht 25 Monaten des kürzlich angehobenen algerischen Mindesteinkommens. Kechidas "Verbrechen": Er hatte eine Facebook-Gruppe gegründet, über die satirische Memes geteilt wurden. Für die Anklage erfüllte das die Straftatbestände der Beleidigung öffentlicher Einrichtungen, des Präsidenten Abdelmadjid Tebboune sowie der Vorschriften des Islam.

Das teilt das Komitee zur Befreiung Gefangener (CNLD) mit. Diese von Anwälten gegründete Organisation setzt sich für die Freilassung politischer Gefangener in Algerien ein. Über 90 Betroffene sitzen demnach wegen friedlicher Proteste oder auch nur Onlinepostings in algerischen Gefängnissen. Ein Gutteil harrt noch ihren Prozessen.

Als der damalige Präsident Abd al-Aziz Bouteflika im Februar 2019 nach 20 Jahren im Amt eine fünfte Kandidatur ankündigte, ergriff eine weitgehend friedliche Protestbewegung gegen Korruption im Allgemeinen und Bouteflika im Speziellen im das Land. Diese als Hirak bezeichneten Proteste waren die größten in einer Generation. Bouteflika musste vorzeitig zurücktreten. Eine von ihm noch neu eingesetzt Regierung ist umstritten – und sie fürchtet sich offenbar besonders vor kritischen Stimmen im Internet. Immer wieder werden Kritiker eingesperrt und nach geraumer Wartezeit verurteilt.

"Meinung ist kein Delikt", hält das Plakat des CNLD fäst.

(Bild: CNLD)

Kechida wurde im April 2020 verhaftet. Seither musste er im Gefängnis auf seinen Prozess warten. Das EU-Parlament hatte im November vergeblich seine Freilassung gefordert. Das Parlament verurteilte "aufs Schärfste den Anstieg willkürlicher und unrechtmäßiger Verhaftungen, Inhaftierungen und gerichtlicher Schikanen gegenüber Journalisten, Menschenrechtsverteidigern, Gewerkschaftern, Rechtsanwälten, der Zivilgesellschaft und friedlichen Aktivisten in Algerien, der jeglichen politischen Dialog über die undemokratische Verfassungsänderung und die Ausübung der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit verhinderte", aber auch "die Einführung von Sofortmaßnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, die als Vorwand für die Einschränkung der Grundrechte der algerischen Bevölkerung genutzt wird."

Ebenfalls am Montag wurde Toufik Hassan verurteilt. Der ehemalige Polizist hatte Polizeigewalt gegen einen Protestmarsch in Algier im Oktober 2019 kritisiert. Er sitzt bereits eine zweijährige Haftstrafe wegen "Bedrohung von Polizeibeamten" und "Geheimnisverrat auf Facebook" ab. Nun kamen sechs Monate wegen "Unterminierung der territorialen Integrität durch Postings in Sozialen Netzwerken" hinzu.

Aufmerksamkeit erregte letzten August die Verurteilung Mohamed Khaled Drarenis, dem Korrespondenten des französischen Nachrichtensenders TV5 MondeTwee und Vertreter von Reporter ohne Grenzen (RSF). Wie das EU-Parlament festhält, wurde Drareni zu drei Jahren Haft plus Geldstrafe verurteilt, weil er Polizeikräfte bei einem Angriff auf Demonstranten gefilmt hatte. Im Oktober wurden 44 Personen verurteilt, weil sie an einer heimlichen Hochzeit eines homosexuellen Paares teilgenommen haben sollen.


Tweet des Nahost-Sprechers von Human Rights Watch, Ahmed Benchemsi

Mustapha Bendjama, Chefredakteur der Zeitung Le Provincial, ist für online veröffentlichte Artikel gleich mit vier Strafverfahren eingedeckt. Die Algerier Mohamed Tadjadit, Noureddine Khimoud und Abdelhak Ben Rahmani sind laut France24 seit über einer Woche in Hungerstreik. Damit protestieren sie gegen ihre Verhaftung für das veröffentlichen von Videos und Stellungnahmen im Internet.

Am ersten Tag des Jahres hat Präsident Tebboune eine neue Verfassung in Kraft gesetzt. Eine Volksabstimmung über diese Verfassung am 1. November war überwiegend boykottiert worden.

(ds)