Linux-Distribution AlmaLinux 9.3: Adieu, reiner RHEL-Klon

AlmaLinux 9.3 bricht mit alten Gewohnheiten und ist kein reiner RHEL-Klon mehr. Die Entwickler sehen darin aber eher Chance als Gefahr.

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AlmaLinux 9.3 mit Gnome-Desktop

(Bild: Screenshot / dmk)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Gerhard Loschwitz

In der Open-Source-Community hängt der Haussegen bekanntlich seit Monaten schief: Red Hats Entscheidung, die Quellen der in Red Hat Enterprise Linux vertriebenen Pakete nicht mehr so leicht wie bisher verfügbar zu machen, hat für viel Aufsehen und Missmut gesorgt. Kritiker erkennen darin eine Abkehr vom Open-Source-Prinzip und einen Verstoß gegen den Geist der GPL. Admins befürchteten seinerzeit vor allem, keinen RHEL-kompatiblen Klon mehr zur Verfügung zu haben, etwa für Test- oder Entwicklungssysteme.

Flugs entstanden im Nachgang der Entscheidung jedoch mehrere potenzielle RHEL-Erben, etwa Rocky Linux und AlmaLinux. Rocky Linux hat sich zwischenzeitlich einer Allianz für einen RHEL-Klon angeschlossen, mit deren Entstehung in der Open-Source-Gemeinde wohl niemand so wirklich gerechnet hat, nämlich mit Oracle und SUSE zu OpenELA. AlmaLinux geht einen anderen Weg: Hier erschien dieser Woche die Version 9.3 und damit die erste AlmaLinux-Version, die mehr als ein Klon ihrer RHEL-Urversion sein möchte.

Bedenken lassen die AlmaLinux-Entwickler allerdings nicht gelten. Schon im Juli wies der Chef der Stiftung hinter AlmaLinux, Benny Vasquez, darauf hin, dass AlmaLinux weiterhin komplett kompatibel zur RHEL-ABI sein soll, also zu dessen Binärschnittstelle. Software, die für RHEL 9.3 konzipiert ist, wird in AlmaLinux 9.3 entsprechend weiter funktionieren. Auch Details wie die Systemverwaltung will man bei AlmaLinux zumindest so kompatibel halten, dass sich Pakete auch in RHEL installieren lassen, wenn sie in AlmaLinux funktionieren, und umgekehrt. Zugleich sieht man bei AlmaLinux in der Abkehr vom Klon-Prinzip aber auch erhebliche Chancen. So könne man künftig etwa Pakete in AlmaLinux ausliefern, die in RHEL komplett fehlen.

Angesichts des medialen Tamtams rund um AlmaLinux 9.3 hält sich das tatsächlich zählbare Neue darin hingegen in engen Grenzen. Einmal mehr erbt die Plattform stattdessen die allermeisten Neuerungen aus RHEL 9.3. Das spiegelt sich auch in den äußerst übersichtlichen Release-Notes zu AlmaLinux 9.3 wider. Die aktualisierte Distribution erbt einen frischen GCC in der Entwicklungskette von Werkzeugen zum Erstellen von RHEL in Version 11.4.1, ein Rundum-Update für Valgrind und verbundene Komponenten, die Performance-Problemen in Anwendungen auf die Schliche kommen sowie aktuelle Versionen von LLVM, Go und Rust.

Neue Versionen von Redis 7, Node.js und Apache bringen einige Funktionsupdates, stopfen jedoch auch mehrere Sicherheitslücken. Ordentlich gefeilt hat man bei Red Hat zudem an Komponenten, deren hauptsächlicher Aufgabenbereich die Sicherheit ist. Enthalten ist ein frisches OpenSSH, das nun noch weniger alte Verschlüsselungsalgorithmen ab Werk aktiviert hat. Das Framework zur Unterstützung externer Kartenleser fußt nun auf der neuen PCSC-Version 1.5.2. Das Werkzeug, mit dem sich SELinux-Protokolle analysieren lassen, liegt AlmaLinux 9.3 ebenfalls in einer neuen Version bei.

Allerdings: All diese Änderungen übernimmt AlmaLinux direkt aus RHEL 9.3. Zum Teil haben die AlmaLinux-Entwickler gar die Einträge aus dem RHEL-Changelog kopiert. Ihre bestehenden AlmaLinux-Systeme können Admins insofern bedenkenlos auf AlmaLinux 9.3 aktualisieren. Ob und wann das Original und der einstige Klon tatsächlich anfangen, sich durch weggefallene oder zusätzliche Pakete deutlicher zu unterscheiden, bleibt indes abzuwarten.

ISO-Abbilder für verschiedene Prozessorarchitekturen zum Testen und Installieren von AlmaLinux 9.3 stellt das Projekt auf der AlmaLinux-Downloadseite zum Herunterladen bereit.

(dmk)