AlmaLinux verzichtet auf 1:1-Kopie von Red Hat Enterprise Linux

Nach der Kontroverse um Quelltexte von Red Hat Enterprise-Linux (RHEL) hat AlmaLinux angekündigt, es künftig nicht mehr identisch nachzubauen.

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(Bild: heise online)

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Von
  • Keywan Tonekaboni

Die Entscheidung von Red Hat, künftig die Quelltexte von Red Hat Enterprise Linux (RHEL) nicht mehr als entpackte Source-RPMs öffentlich bereitzustellen, hat weitere Konsequenzen. Die Stiftung hinter dem RHEL-Nachbau AlmaLinux hat angekündigt, das Ziel aufzugeben, eine 1:1-Kopie von RHEL zu erstellen. Dabei war dieses Ziel ursprünglich der Anlass, einen CentOS-Fork zu initiieren.

AlmaLinux-Stiftungsvorsitzende Benny Vasquez erklärt in einem Blogpost, AlmaLinux habe das Ziel aufgegeben, eins-zu-eins mit RHEL identisch zu sein. Diese Entscheidung hat der Vorstand nach langer Diskussion getroffen. Stattdessen soll AlmaLinux künftig nur noch anstreben, mit dem Application Binary Interface (ABI) kompatibel zu sein. Was die AlmaLinux-Stiftung unter ABI-Kompabilität versteht, erklärt Vasquez in einer Fußnote: Man will sicherstellen, dass Anwendungen, die für RHEL oder RHEL-Klone kompiliert respektive gebaut wurden, auch unter AlmaLinux laufen. "Diese Erwartung anzupassen, befreit uns davon sicherzustellen, dass wir eine exakte Kopie des Quelltextes veröffentlichen, die Sie auch mit RHEL erhalten würden“, erklärt Vasquez.

Laut dem Vorstandsprotokoll will AlmaLinux weiterhin eine Langzeit-Distribution von Linux in Enterprise-Qualität bereitstellen. Für Nutzer soll dies keine spürbaren Auswirkungen haben, versichert Vasquez. Die "bemerkenswerteste potenzielle Folge" sei, dass man nicht länger darauf beschränkt sei, eine "Bug-für-Bug-Kompatibilität" mit Red Hat einzuhalten. Man will sich Zeit nehmen, zu erörtern, welche Möglichkeiten sich für AlmaLinux ergeben, wo man die selbst auferlegte Bürde einer 1:1-Kopie fallen gelassen hat.

Die Änderung hat aber bereits jetzt Folgen für den Entwicklungsprozess. Als ersten Schritt will das AlmaLinux-Team nun transparent machen, woher die genutzten Patches kommen. Die Quellen sollen dazu in den Kommentaren verlinkt sein. Wer künftig Bugreports in AlmaLinux meldet, plant das Team zu bitten, es auch unter CentOS Stream zu testen. Laut Vasquez solle die Energie darauf konzentriert werden, den Fehler "am richtigen Ort" zu korrigieren.

AlmaLinux war von der Firma CloudLinux als RHEL-Nachbau initiiert worden, nachdem Red Hat die Einstellung des klassischen CentOS zugunsten von CentOS Stream angekündigt hatte. Wie RockyLinux sollte AlmaLinux weiterhin einen frei verfügbaren und mit RHEL binärkompatiblen Nachbau bereitstellen. Mitte Juni hatte Red Hat angekündigt, künftig die Quelltexte nur noch im CentOS-Stream-GitLab öffentlich bereitzustellen, anstatt auch entpackte und bereinigte Source-RPM zu veröffentlichen. Diese Entscheidung erschwert RHEL-Klonen die Arbeit, da sie die Patches selbst aus dem CentOS-GitLab extrahieren müssen.

(ktn)