Amazon mit ungewisser Zukunft

Angebliche Liquiditätsprobleme und stagnierendes Wachstum erschrecken die Anleger und lösen unter Analysten Diskussionen um die Zukunft von Amazon aus.

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Von
  • Christian Rabanus

Am 26. Juli stellt der Online-Retailer Amazon seinen Geschäftsbericht für das zweite Quartal 2000 vor. Gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Aufregung um den E-Commerce-Pionier erwarten Aktionäre und Analysten diesen Termin mit großer Spannung. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Frage, ob Amazon weiterhin so schnell wachsen kann wie bisher.

In den letzten Wochen musste Jeff Bezos, der Gründer und Chef von Amazon, gute Nerven beweisen: Ende Juni ging der Kurs des Amazon-Papiers rapide in den Keller, nachdem Ravi Suria, ein Analyst der Investment-Bank Lehmann Brothers, prophezeit hatte, dass dem Online-Verkäufer schon bald das Geld ausgehen könnte. Zwar erholte sich der Kurs am letzten Freitag nach Entwarnung durch andere Analysten wieder, das Vertrauen auch in Branchen-Riesen wie Amazon ist aber spätestens seit dem letzten Monat nachhaltig erschüttert.

Die Erwartungen an den Quartalsabschluss sind auch nicht besonders hoch: Die Analysten rechnen mit einem Einnahmewachstum zwischen zwei und vier Prozent gegenüber 572,9 Millionen US-Dollar an Einnahmen im ersten Quartal 2000. Verglichen mit Steigerungsraten bei Wal Mart, dem Marktführer der Handelsketten in der Old Economy, nimmt sich das sehr bescheiden aus. Und dabei ist das Wachstum das Kapital der New Economy. "Amazon ist gegen eine Wand gefahren", urteilt daher auch ein Analyst von Ram Partners. "Es wird ein langsam wachsendes Unternehmen werden, das keinen Gewinn abwirft." Und was mit einem solchen Unternehmen auf absehbare Zeit passiert, dürfte nicht schwer zu erraten sein.

Allerdings haben die meisten Analysten keine derart negative Sichtweise auf Amazon. Viele weisen darauf hin, dass die Wachstumsrate von Amazon in den letzten Jahren jeweils bei gut 90 Prozent lag. Und ein solches Wachstum ist bei keinem Unternehmen der Old Economy zu finden. Von 35 Banken und Analysten-Firmen, die die Amazon-Aktie beobachten, bewerten immer noch 14 das Wertpapier mit einem "strong buy", 12 mit einem "buy" und nur neun mit einem "hold". Und während die Ergebnisses des letzten Quartals 1999 noch deutlich hinter den Analystenerwartungen zurückblieben, konnte Amazon im ersten Quartal 2000 die – mittlerweile freilich nach unten korrigierten – Erwartungen übertreffen.

Ob das dem Online-Verkäufer im zweiten Quartal wieder gelingt, wird sich in gut einer Woche erweisen. Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass das Ende des rasanten Wachstums in Sicht ist. Amazon scheint langsam nicht mehr daran vorbei zu kommen, die Prioritäten zwischen Wachstum und Profitablität zugunsten der letzteren zu verschieben. (chr)