Amazon renoviert Kindle und greift bei Tablets an

Der Online-Händler greift das iPad mit einem 200-Dollar-Tablet an und liefert zumindest in den USA ein großes Content-Angebot mit. Auch bei E-Book-Readern sendet Amazon eine Kampfansage an die Konkurrenz: Der neue Einsteiger-Kindle kostet 100 Euro.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Achim Barczok

Der US-Onlinehändler Amazon hat am Mittwoch in New York drei E-Book-Reader ab 80 US-Dollar und ein 200-Dollar-Tablet vorgestellt. Zu dem Tablet Kindle Fire gesellt sich eine mobile Plattform mit üppigem Multimedia-Angebot von E-Books über Musik bis zu Videos – der Preis ist eine klare Kampfansage an die Konkurrenz von Apple und anderen Anbietern.

Das Fire hat ein farbiges, kratzfestes IPS-Display mit 7 Zoll Diagonale, kapazitivem Multitouch und 1024 × 600 Bildpunkten Auflösung. Damit ist das Tablet kleiner als Apples iPad 2 (9,7 Zoll) und die meisten anderen Konkurrenten. Das Design mit schlichtem schwarzen Rahmen und Rückseite erinnert stark an das vor einigen Monaten erschienene 7-Zoll-Tablet Blackberry Playbook von RIM – laut gdgt.com werden beide vom taiwanischen Hersteller Quanta produziert.

Hardware

Wie im Playbook arbeitet im Kindle Fire ein Dualcore-Chipsatz, der auch mit hochauflösenden Videos und anspruchsvollen Apps zurechtkommen dürfte. Mit etwa 415 Gramm ist es leichter als das iPad (600 Gramm) und wiegt in etwa genauso viel wie das Playbook (425 Gramm). Als interner Speicher stehen nur 8 GByte zur Verfügung, erweitern per SD-Karte lässt er sich nicht. Als Laufzeit gibt Amazon 8 Stunden beim Lesen und 7,5 Stunden beim Video-Abspielen an, weniger als das iPad (etwa 10 Stunden).

Amazons Tablet und 100-Euro-Kindle (7 Bilder)

Amazons erstes Android-Tablet: Der Kindle Fire soll im November in den USA starten und sieht dem Blackberry Playbook zum Verwechseln ähnlich – kostet mit 200 US-Dollar aber nicht einmal halb so viel. (Bild: Amazon)

Mit einem Preis von knapp 200 US-Dollar positioniert sich Amazon deutlich unter der günstigsten iPad-2-Version (480 Euro). Auch die meisten Android-Tablets von Samsung, HTC und Co. liegen darüber. Allerdings fehlen auch einige der üblichen Tablet-Features: Das Fire hat beispielsweise keine Kameras, kein Mikrofon und kein Mobilfunkmodul: Mit dem Netz verbindet sich das Fire ausschließlich per WLAN (802.11n). Eine Variante mit UMTS hat Amazon nicht angekündigt.

Das Fire läuft mit einem angepassten Android – optisch ist das Google-Betriebssystem kaum zu erkennen. Auf der in schwarz gehaltenen Systemoberfläche navigiert der Nutzer mit Wischgesten durch Apps und Medien, ein Zugriff auf das darunter liegende Android scheint ohne weiteres nicht möglich. Auch sonst hat Amazon viel von Android weggelassen: Ein Zugang zu Googles App-Shop Android Market fehlt ebenso wie die Google-Apps für E-Mails, Kalender und Maps. Stattdessen greift man auf den Amazon-Appstore zu, der auch für andere Android-Geräte verfügbar ist (allerdings nicht in Deutschland).

Der Browser des Tablets lässt Webseiten von Amazon-Servern in der Cloud aufbereiten und soll sie dadurch schneller anzeigen als Browser, die sämtliche Inhalte vom Prozessor des Mobilgerätes rendern lassen. Die "Silk" genannte Technik soll je nach Anforderungen umschalten zwischen der Aufbereitung auf dem Server oder auf dem Tablet. Im Prinzip ist die Idee aber nicht neu: Opera Mini lässt Webseiten ebenfalls von einem Server komprimieren. Amazon verrät nicht, ob der Fire-Browser eine Eigenentwicklung ist oder auf einem anderen Browser aufbaut.

Die beim Kindle eingeführte Synchronisationstechnik Whispersync kommt auch auf dem Fire zum Einsatz: Analog zu den Kindle-Readern werden Fortschritte von Filmen und Fernsehsendungen oder Lesezeichen von Büchern unter unterschiedlichen Geräten synchronisiert; auch sollen sämtliche Filme und Musikstücke in der Cloud gesichert werden. Auch wenn die Nutzer diese von ihren Geräten löschen, verbleiben sie in der Cloud und können später – ohne erneuten Kauf – wieder auf das Gerät geladen werden.

Amazons Multimedia-Angebot

Amazon vertreibt bereits seit Jahren digitale Inhalte und bietet zur Markteinführung des Tablets bereits eine beachtliche Vielfalt. In den USA haben Amazon-Kunden Zugriff auf:

  • Einen gut sortierten MP3-Download-Shop
  • einen 5 GByte großen Cloud-Speicher für Musik
  • Über 100.000 Filme und TV-Serien als Stream, davon 15.000 in HD
  • Einen eigenen Store für Android-Apps
  • E-Books sowie Zeitungen und Zeitschriften im Kindle-Store

Hinzu kommt: Keinem anderen Anbieter dürften bereits so viele Menschen ihre Kreditkartennummer anvertraut haben, sodass sie ohne umständliche Anmeldeprozedur shoppen können – Amazon installiert den Account des Tablet-Käufers gleich auf dem Gerät vor. Auch bei der Infrastruktur für Cloud-Dienste kann Amazon mit Apple und Google mithalten. Der Online-Händler steigt also genau andersherum in den Tablet-Markt ein als Samsung, Toshiba oder Acer: erst steht das Ökosystem, dann folgt die Hardware.

Für deutsche Kunden sieht es allerdings zurzeit noch anders aus: Hierzulande hat Amazon nur den MP3-Shop und den Kindle-Store freigeschaltet. Möglich, dass das Fire in Deutschland erst deutlich später auf den Markt kommen wird – bisher hat Amazon noch keinen Termin bekannt gegeben.

In den USA soll das Tablet am 15. November erhältlich sein und für einen Monat kostenlosen Zugang auf Amazon Prime gewähren, das Videostreaming und kostenlosen Versand von Amazon-Produkten bietet und jährlich 80 US-Dollar kostet.

E-Book-Reader ab 100 Euro

Der Kindle Fire ersetzt die etablierten Schwarz-Weiß-Reader nicht, sondern soll sie ergänzen: Firmenchef Jeff Bezos kündigte drei neue Kindle-Modelle mit der fürs Lesen optimierten Display-Technologie E-Ink-Pearl an: Einen neuen Einsteiger-Kindle, einen Kindle touch und den Kindle touch 3G, alle mit 6-Zoll-Display und anders als bei den Vorgängern ohne Tastatur.

Genauso wie der zur IFA angekündigte E-Book-Reader Sony PRS-T1 lassen sich die Reader mit Multitouch-Gesten bedienen. Durch das Wegfallen der Tastatur sind die Modelle mit 17 cm × 12 cm × 1 cm und etwa 220 Gramm deutlich kleiner und leichter als die drei ersten Kindle-Generationen. Fürs Eintippen von Suchbegriffen und Notizen wird eine virtuelle Tastatur eingeblendet. Die Funktion "X-Ray" blendet kontextbezogene Informationen aus dem Netz für markierte Buchstellen ein.

Der Einsteiger-Kindle für 80 Dollar verfügt weder über Tastatur noch Touchscreen und wird stattdessen mit einem Navigationsbutton bedient. Er wiegt nur 170 Gramm und ist noch ein bisschen kleiner als die Touchmodelle. Er hat 2 GByte internen Speicher, der Kindle Touch hat 4 GByte an Bord. Der Kindle touch mit WLAN kostet in den USA 100 Dollar, die Version touch 3G mit UMTS soll 150 Dollar kosten. Diese Preise sind subventioniert. Amazon blendet auf den Geräten im Stand-by-Modus Werbung ("special offers") ein. Ohne Werbung kosten die Geräte 110, 140 und 190 Dollar. Die beiden Touch-Modelle sollen in den USA am 21. November erhältlich sein.

Ob und zu welchen Preisen diese Modelle auch in Deutschland auf den Markt kommen werden, ist nicht bekannt. Auf der deutschen Webseite des Online-Händlers ist außer den älteren Tastatur-Modellen bisher nur die Einsteiger-Version ohne Touch aufgelistet. Sie soll am 12. Oktober erscheinen und ohne Werbesubvention hierzulande 100 Euro kosten

Auf der Amazon-Webseite steht auch weiterhin die vorherige Kindle-Generation zur Verfügung, die nun Kindle Keyboard heißt. Auf der deutschen Webseite hat Amazon für beide heute den Preis gesenkt: Die Wi-Fi-Version kostet nun 120, die Variante 3G + Wi-Fi 160 Euro. (acb)