Amazons Millionendeal mit US-Außenministerium auf der Kippe

Der US-Blindenverband hat die von der US-Regierung geplante Anschaffung von Kindle-Readern kritisiert. Da die Geräte nicht barrierefrei seien, verstoße der Auftrag gegen US-Recht.

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Bis zu 35.000 Kindle Touch Reader samt jeweils 50 E-Books plant die US-Regierung von Amazon zu kaufen. Sie sollen im Rahmen des "English Access Microscholarship Program" des US-Außenministeriums weltweit in Bibliotheken und Bildungszentren Englisch-Schülern zur Verfügung gestellt werden. Doch weil Amazon bei der Entwicklung Blinde und andere Menschen mit Lese-Behinderung bewusst ignoriert haben soll, ist der Deal nun in der Schwebe.

Das State Department hatte ohne Ausschreibung Amazon als Lieferanten ausgewählt. In der Begründung hieß es, dass nur Amazons Kindle die 19 vom Ministerium selbst aufgestellten Kriterien erfülle. Dazu zählen internationaler Mobilfunk-Zugang, das Teilen von E-Books, die Deaktivierung bestimmter Features sowie Sprachausgabe. Nach garantierten 2500 Kindle Touch im ersten Jahr sollten optional bis zu vier Jahre lang weitere Geräte gekauft werden, insgesamt bis zu 35.000. Der Gesamtauftragswert hätte dann samt Nebenleistungen 16,5 Millionen Dollar (13,1 Millionen Euro) erreicht.

Doch die auf den vergangenen Mittwoch angesetzte angesetzte Pressekonferenz von Außenministerin Hillary Clinton und Amazon-Chef Jeff Bezos fand nicht statt. Grund könnte eine geharnischter Brief des US-Blindenverbandes NFB sein. Der Kindle sei nicht barrierefrei. Genau das ist aber seit 1986 bei der IT-Beschaffung durch US-Bundeseinrichtungen verpflichtend vorgeschrieben ("Section 508").

Zwar bietet der Kindle Touch eine Sprachausgabe für die E-Bücher selbst, doch die Menüsteuerung ist nur Sehenden zugänglich, die auch einen Touchscreen bedienen können. "So wie der Kindle derzeit gebaut ist, muss eine blinde Person die Sprachausgabe durch einen Sehenden aktivieren lassen", schreibt NFB-Präsident Marc Maurer. "Dann muss der Blinde das Buch von Anfang bis Ende anhören, ohne Text überspringen oder sonst darin navigieren zu können." Damit verstoße die Kindle-Bestellung gegen US-Recht, der NFB werde auch vor einer Klage nicht zurückschrecken. Als barrierefreie Alternativen nennt er Apples iPad sowie die "Blio"-App für Android, iOs und Windows. Letztere stammt von KNFB Reading Technology, einem Joint Venture des NFB mit Kurzweil Technology.

Maurer erläutert, dass sich NFB-Experten schon 2008 mit Amazon-Entwicklern getroffen hätten. Dabei seien die kommerziellen Vorteile einer Sprachausgabe Thema gewesen. Amazon habe den Vorschlag auch umgesetzt, den zusätzlichen Aufwand für barrierefreie Navigation aber gescheut. Als dann die Verbände von Herausgebern und Autoren gegen die Sprachausgabe ihrer Werke protestierten, habe Amazon die Hilfe des NFB gesucht und gemeinsam mit anderen Verbänden in der Reading Rights Coalition auch gefunden. Die Verbände nahmen an, Amazon werde ein für ihre Mitglieder brauchbares Produkt auf den Markt bringen. Zwar konnte der Streit mit Autoren und Herausgebern beigelegt werden, einen barrierefreien Amazon-Reader gibt es aber noch nicht. (anw)