Analyse: IBM und Red Hat – ein starkes Paar?
Die größte Übernahme in IBMs Unternehmensgeschichte könnte für den Konzern nach schwachen Jahren endlich den Wendepunkt bringen.
Der Kauf von Red Hat könnte ein Wendepunkt in IBMs Geschichte werden. Fünf Jahre lang ging es für IBM vor allem bergab. Nur durch massive Kostensenkungen konnte IBM aus sinkenden Umsätzen einen Profit herausquetschen. Der vom Marketing gnadenlos gepushte Watson-Bereich dagegen lieferte nicht die erhofften Wachstumsraten. Nun aber gibt es plötzlich eine Rückbesinnung auf IBMs Stärke: Software und Services.
34 Milliarden US-Dollar, dieser Deal ist ohne Beispiel für IBM. Die feindliche Übernahme von Lotus 1995 etwa kostete kaum mehr als ein Zehntel. Die Investitionen in Watson liegen ebenfalls deutlich darunter: 1 Milliarde für Watson Analytics und Big Data in 2014 oder weitere 3 Milliarden in 2016 für Watson und IoT.
IBM und Red Hat gewinnen beide
IBM gewinnt mit Red Hat ein einträgliches Geschäft in einem Bereich, in dem IBM traditionell stark ist: Cloud-Lösungen für Unternehmen, die eine Brücke schlagen zu bestehenden eigenen Anwendungen. Hybrid Cloud heißt das Stichwort für solche Lösungen. IBM und Red Hat kooperieren in diesem Bereich bereits seit zwei Jahren erfolgreich.
Auch Red Hat gewinnt durch IBMs Marketingmaschine. Die Marke IBM ist im Brand Ranking zwar mittlerweile auf Platz 12 weit abgeschlagen hinter die Cloud-Konkurrenten Google, Amazon und Microsoft abgerutscht, aber Red Hat kommt nicht einmal in die Top 100.
Nicht zuletzt ist diese Akquisition eine Stärkung für Linux. Big-Data-Workloads laufen auf Linux, AI-Workloads laufen auf Linux, DevOps, Container, alle neuen Workloads laufen auf Linux. IBM hat Linux bereits seit Jahren auf Z-Mainframes laufen, bei Microsoft läuft schon die Hälfte der Azure-VMs mit Linux. Mit IBMs Übernahme schließt sich dieser Kreis.
Wie unabhängig bleibt Red Hat?
Nun kommt es für IBM darauf an, Red Hat in einer Weise zu integrieren, die die Selbstständigkeit des Unternehmens garantiert. Bei kleineren Übernahmen startet IBM unmittelbar einen Prozess, den Insider als Blue Washing bezeichnen. Interne Prozesse werden durch IBM-Prozesse ersetzt, die allgemein als sehr schwerfällig gelten. Die ersten Anzeichen deuten darauf hin, dass Red Hat diese Wandlung nicht durchmachen muss. CEO Jim Whitehurst und sein Management-Team bleiben an Bord. Whitehurst wird direkt an IBM-CEO Ginni Rometty berichten. IBMs Formulierung "Red Hat to operate as a distinct unit within IBM's Hybrid Cloud team" deutet ebenfalls auf eine starke Unabhängigkeit hin.
IBM ist stark im Unternehmensgeschäft, Red Hat ein Open-Source-Pionier. Das Duo hat ein starkes Potential die vielen bestehenden Workloads in großen Unternehmen zunehmend in die Cloud zu bringen. Viel hängt davon ab, ob Red Hat weiterhin in der Lage sein wird, seine Partnerschaften mit AWS, Google Cloud, Microsoft Azure, Alibaba und anderen zu erhalten und auszubauen. (vowe)