Angeschlagene iPhone-Akkus: Wie eine Abschaltung von Apples Leistungsdrossel aussehen könnte

Apple-Chef Tim Cook hat angekündigt, dass Nutzer künftig selbst entscheiden dürfen, ob ihr iPhone auch mit alter Batterie die volle Leistung entwickelt. Das ist lobenswert, doch eine echte Lösung ist es nicht.

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Bei iPhones mit alten Akkus wurde die Spitzenleistung des Prozessors gedrosselt, ohne dass die Kunden davon wussten.

(Bild: dpa, Fernando Gutierrez-Juarez)

Lesezeit: 4 Min.
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In Reaktion auf die Akku-Affäre ums iPhone will Apple seinen Nutzern künftig mehr Kontrolle einräumen. Konzernchef Tim Cook hatte am Mittwoch angekündigt, dass ein kommende iOS-Update die Möglichkeit enthalten soll, eine seit iOS 10.2.1 (iOS 11.2 beim iPhone 7) vorhandene umstrittene Funktion abzuschalten, die iPhones bei zu geringer Akkukapazität in ihrer Maximalleistung beschränkt. Eine Betaversion mit dem Feature könnte für Entwickler bereits in der kommenden Woche verfügbar gemacht werden, hieß es weiter. Betroffen sind alle iPhone-Varianten ab Baureihe 6.

Ob sich die Aufregung damit beruhigt – daneben hatte Apple die Kosten für einen Akkutausch außerhalb der Garantiezeit abgesenkt –, ist aber keineswegs gesagt. Nutzer könnten mit einem solchen Schalter je nach Zustand ihrer Batterie sogar vom Regen in die Traufe kommen, wie ein Blick auf die Fakten zeigt.

Aktuell ist die iPhone-Akku-Problematik vor allem durch mangelnde Transparenz geprägt. Apple hatte zwar bei Verfügbarmachung von iOS 10.2.1 im Januar 2017 mitgeteilt, dass sich mit dem Update iPhones künftig weniger häufig unerwartet ausschalten sollten, wie dies konkret umgesetzt wurde, teilte das Unternehmen aber nicht mit. Stattdessen zeigten Benchmarks von iPhone-Hackern sowie das Durchforsten der iPhone-Firmware erst Mitte Dezember 2017, dass Apple sich einer Leistungsdrosselung bedient. Diese scheint zu prüfen, wie gesund ein Akku noch ist – ist ein gewisses Maß unterschritten, werden GPU und CPU verlangsamt, ohne dass dies dem Nutzer mitgeteilt wird.

Künftige iOS-Versionen werden nun laut Apple zwei neue Funktionen erhalten. Zunächst, das hatte der Konzern bereits im Dezember angekündigt, soll das iPhone künftig genauer den Akkuzustand anzeigen. Aktuell meldet sich iOS nur dann, wenn die Batterie stark beschädigt ist – die Leistungsdrosselung scheint aber früher zu greifen. Wer genaue Angaben über Ladezyklusanzahl und Akkugesundheit haben möchte, muss sich externer Tools bedienen. Reicht Apple dies in iOS endlich nach, erhalten Nutzer bessere Informationen, die es ihnen erlauben, richtig zu handeln und etwa einen Akkutausch einzuleiten.

Eine Abschaltmöglichkeit für die Leistungsdrosselung, wie sie Cook nun angekündigt hat, geht noch einen Schritt weiter. Ist der Akku nicht mehr gesund, kann der Nutzer das Gerät dennoch bis zum "vollen Anschlag" nutzen. Dies dürfte insbesondere bei intensiveren Anwendungsformen wie Spielen oder der Verwendung vieler Apps gleichzeitig spürbar werden. Ist die Leistungsdrosselung deaktiviert, kommt es jedoch erneut zum alten Problem, das Apple überhaupt erst dazu veranlasste, diese einzubauen: Unerwartete Abschaltungen bei Leistungsspitzen.

Apple hatte vor gut einem Jahr nach der Veröffentlichung von iOS 10.2.1 explizit damit geworben, dass das Update zu einer signifikanten Reduktion solcher Probleme bei iPhone 6s und 6 führt. Die neue Software habe den Fehler um 80 Prozent beim iPhone 6s und um 70 Prozent beim iPhone 6 reduziert, so der Konzern unter Berufung auf interne Diagnosedaten damals. Das heißt im Umkehrschluss auch, dass mit Deaktivierung der Leistungsdrosselung Abschaltungsprobleme wieder massiv ansteigen werden.

Entsprechend gibt es für Apples Akku-Affäre nur eine echte Lösung: Nutzer müssen ihren Akku tauschen lassen. Hier könnte Apple sich noch kulanter zeigen und den Betrag von derzeit 29 Euro auf Null absenken – dass dies geschehen wird, ist aktuell jedoch nicht absehbar. Und dass Lithium-Ionen-Batterien künftig länger durchhalten als aktuell, wäre mit technischen Durchbrüchen verbunden, an denen Wissenschaftler seit Jahren forschen.

Zudem gibt es ein weiteres Problem: Apple kommt bei verschiedenen Gerätemodellen mit der Produktion von Austauschakkus nicht mehr hinterher. Schon jetzt müssen Besitzer von iPhone 6 und 6s teils mehrere Monate warten. Diese Situtation könnte sich künftig sogar noch verschärfen, wenn der aktuelle Ansturm auf das Austauschprogramm ein Indikator ist. (bsc)