Angestelltenprotest nach Büropflicht: "SAP, wie wir es kannten, ist vorbei"
SAP-Chef Klein hat dem Softwareunternehmen nach voriger Wahlfreiheit wieder drei Tage Büropflicht pro Woche verordnet. Nun hagelt es Proteste.
In der SAP-Belegschaft steigt offenbar zunehmend der Unmut über die von Chef Christian Klein verordnete Einschränkung der Homeoffice-Möglichkeiten. Das gute Jahresergebnis, welches am Mittwoch präsentiert wurde, kommentierte der SAP-Betriebsrat mit dem Hinweis, dass dieses "zum großen Teil aus dem Homeoffice heraus erarbeitet wurde". Weiter führen die Arbeitnehmervertreter in ihrer Erklärung aus, die der iX-Redaktion vorliegt: "Dies zeigt deutlich, dass man mit der langjährigen Praxis 'Vertrauensarbeitsort' erfolgreich sein kann. Wir erwarten, dass der Vorstand die Ankündigung zur Office-Pflicht noch einmal überdenkt."
Eine interne E-Mail des Betriebsrats an den Vorstand, aus der die Wirtschaftswoche zitiert, geht noch deutlich weiter in der Kritik: "SAP, wie wir es kannten, ist vorbei", heißt es demnach in dem Schreiben. Laut dem Bericht wurde es von bisher mehr als 2.000 Mitarbeitern unterzeichnet. Aus Unternehmenskreisen erfuhr die ix-Redaktion, dass es sich um über 4.600 Unterzeichner handeln dürfte. Zugleich sei das Schreiben auf der internen Plattform von fast 2.000 Personen positiv bewertet worden.
Kulturkampf bei SAP
"Wir fühlen uns von einem Unternehmen verraten, das uns bis vor Kurzem dazu ermutigt hat, von zu Hause zu arbeiten", führt der Betriebsrat in der E-Mail demnach weiter aus. Beschäftigte würden nun vermehrt nach neuen Jobs suchen. "Die Prioritäten der Kollegen liegen aktuell nicht auf den Zielen des ersten Quartals, sondern auf der Suche nach einem stabilen Job, in dem sie sich wertgeschätzt und respektiert fühlen."
Seit Januar und mit Übergangsfrist bis April gilt im Unternehmen eine Büropflicht von drei Tagen pro Woche, wie SAP-Sprecher erklärten. Alternativ könne auch bei Kunden oder Partnern vor Ort gearbeitet werden. Zuvor galt für die Beschäftigten noch Wahlfreiheit. Neben der rigideren Homeoffice-Politik dürfte CEO Klein die Belegschaft auch mit einem neuen Bewertungssystem auf die Palme gebracht haben, das Angestellte in drei Leistungskategorien segmentiert. Dabei seien für die obere Kategorie Boni vorgesehen und für die untere etwa besondere Trainings. Beobachter sprachen von einem Kulturkampf im Unternehmen.
15.000 Neubesetzungen machten Büropflicht nötig
In einem Interview mit dem Handelsblatt verteidigte Klein seine Homeoffice-Politik. Die Rückkehr ins Büro sei nötig, weil in diesem Jahr 15.000 Leute einen neuen Job bei SAP anfingen. "Um gut und schnell bei SAP anzukommen, brauchen die meisten eine Einführung und Coaching. Wenn niemand in den Büros arbeitet, funktioniert das nicht", sagte Klein. Außerdem sei der Austausch im Büro auch für die eigene Karriere förderlich.
Eine Kontrolle der Mitarbeiter bezüglich Homeoffice solle es aber nicht geben, führte Klein aus. Es gelte Vertrauenskultur. In Fällen wie etwa Eltern mit krankem Kind könne man auch eine Lösung mit der direkten Führungskraft finden. Die drei Tage Büro pro Woche sollten "aber eine Maßgabe sein, auf die sich alle verlassen können".
Keine betriebsbedingten Kündigungen
In dieser Woche hatte Klein SAP auch einen massiven Umbau verordnet, der 8000 Stellen weltweit zur Disposition stellt. Begleitet wird das von einem massiven Restrukturierungsprogramm, um die operative Organisation per KI auf mehr Effizienz und Gewinn zu trimmen. SAP will bei wegfallenden Jobs auf Umschulungen und Freiwilligenprogramme setzen. Zugleich sollen in gleichem Umfang auch neue Jobs geschaffen werden.
An der Maßnahme hat der SAP-Betriebsrat offenbar weniger auszusetzen. Er lege aber Wert darauf, dass es freiwillige Maßnahme bleibe. "Es sind keine betriebsbedingten Kündigungen geplant, das wäre angesichts der guten Zahlen auch nicht vermittelbar", sagte der Betriebsratsvorsitzende Eberhard Schick.
Weitere Informationen zur Unterzeichnerzahl des Betriebsratsschreibens wurden ergänzt.
(axk)