Anhörung: Harsche Kritik an Abhörplänen der Bundesregierung

Scharfen Gegenwind für die Telekommunikations-Überwachungsverordnung der Bundesregierung gab es auf der ersten Anhörung zum Verordnungsentwurf.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
  • Klaus Peeck

Starken Gegenwind bekam heute das Bundeswirtschaftsministerium auf der ersten Anhörung zum Entwurf der Telekommunikationsüberwachungs-Verordnung (TKÜV) in Bonn zu spüren. Vertreter von Telekommunikationsfirmen, Internet-Providern und anderen betroffenen Firmen kritisierten den Entwurf einhellig als unverhältnismäßig.

Christian Koch vom Zentralen Kreditausschuss (ZKA) stellte fest: "Es widerspricht dem mit dem Telekommunikationsgesetz eigentlich verfolgten Grundgedanken der Liberalisierung, wenn staatliche Überwachungsmaßnahmen umfassender und strenger geregelt sind als zu Zeiten des staatlichen Monopols." Henning Wüstefeld von Mannesmann Mobilfunk beklagte die "deutliche Überregulierung" sowie Mängel hinsichtlich des Datenschutzes und erinnerte an die Teledienstedatenschutzverordnung, der eine Deregulierung gelungen sei.

Andrea Weißenfels vom Verband VATM hätte sich im Vorfeld bereits ein Konsultationsverfahren mit den Betroffenen gewünscht, um zu "mehr Praxisnähe" zu kommen beziehungsweise "einheitlichere, praxisnahe Begriffe" zu finden – letztere forderten auch Vertreter der Deutschen Telekom: Die im Entwurf verwandten Begriffsbestimmungen zögen keine klaren Grenzen, was zu einem ständigen Streit um die zu überwachenden Bereiche führen werde.

Zentraler Kritikpunkt waren aber die durch das Telekommunikationsgesetz (TKG) auf die Betreiber abgewälzten Überwachungskosten. Vertreter der Deutschen Telekom fuhren mit schwerem Geschütz auf: Die Telekom rechne im Internetbereich mit einer Kostenlawine in Milliardenhöhe, um die Überwachungsvorgaben im Detail vorschriftsmäßig erfüllen zu können. Immerhin betreibe die Telekom Großteile des Telekommunikationsverkehrs bereits über paketvermittelte Telekommunikationsnetze. Die Kosten müssten in der Folge umgewälzt werden, was eine Verteuerung der Angebote erzwinge.

Telekomvertreter Prof. Rommel forderte eine "grundsätzliche Debatte, was überhaupt im Rahmen einer Verordnung geregelt werden kann und darf". Sein Kollege Dr. Köbele erinnerte daran, dass eine Regulierung nur in der klassischen Sprachtelefonie kostendämpfende Wirkung habe, nicht jedoch im Internetbereich mit seinen internationalen Anbietern. Hier sei die Annahme "irreführend".

Zwar begrüßten einige Teilnehmer wie Hans-Jürgen Sattler von der Gewerkschaft ver.di, dass die Betreiber von Nebenstellenanlagen, unternehmensinternen Telekommunikationsanlagen und Firmennetzen keine ständige Überwachungsschnittstellen vorhalten müssen. Sattler bemängelte aber, dass die "technisch-organisatorischen Anforderungen für kleinere Betreiber zu komplex" seien.

Christian Koch vom ZKA schätzte die Kosten für die Bereithaltung eigener Überwachungstechnik für eine mittelgroße Bank auf 400.000 Mark, für eine Großbank auf einen zwei- bis dreistelligen Millionenbetrag. Für die Kreditinstitute sei dies eine "unzumutbare Belastung". Hier signalisierten die Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums, über entsprechende Formulierungen "nachzudenken". Nach Ansicht von Beobachtern könnte dies bedeuten, dass die rund 400.000 geschäftsmäßigen Betreiber möglicherweise keine Abhörvorrichtungen vorhalten, sondern nur bei Abhörmaßnahmen organisatorisch behilflich sein müssten.

Generell bleibt die Frage der Kostenübernahme: Da die Verordnung lediglich die gesetzlichen Vorgaben aus dem TKG sowie der Strafprozessordnung, dem G-10-Gesetz und dem Außenwirtschaftsgesetz umsetzen soll, kann die Kostenfrage nicht generell ausgeklammert werden. Gegenüber heise online signalisierten Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums, dass dies nur dann gelinge, wenn im "Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen" ausdrücklich der Paragraph 17 "Entschädigung Dritter" zu Gunsten der Betreiber eine Aussage treffen würde. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss sagte gegenüber heise online, er wolle dies prüfen.

Ein weiterer Diskussionspunkt beleuchtete die Frage, ob das Internet überhaupt von der Verordnung erfasst ist. Ernst Mannherz vom Bundeswirtschaftsministerium erinnerte daran, dass der Verordnungsentwurf bewusst "technikoffen formuliert" sei. Der Telekommunikationsbegriff sei dem Telekommunikationsgesetz entnommen. Demnach ist Telekommunikation das Aussenden und das Empfangen von Nachrichten gleich welcher Art.

Ein Vertreter des Bundesdatenschutzbeauftragten sagte, ein Internet-Provider könne sowohl den "Teledienste-, als auch den Telekommunikationshut" aufsetzen: So seien SMS, Internettelefonie, Mailboxen, E-Mails und Chat Telekommunikation, alles andere sei Teledienst. Nach Ansicht der nordrhein-westfälischen Landesdatenschutzbeauftragten sei jedoch das Internet grundsätzlich ein Teledienst und IP-Adressen seien nicht der Telekommunikation zuzuordnen.

Telekomvertreter Rommel forderte hier den Gesetzgeber auf, klar zu definieren, welche Kommunikation er abhören wolle. Es ginge immerhin um Eingriffe in ein Grundrecht, die nicht durch eine Verordnung definiert werden dürften. Die Strafprozessordnung, das G-10-Gesetz, das Außenwirtschaftsgesetz und auch das TKG definierten den Telekommunikationbegriff "ungenügend".

Vor allem Harald Summa vom Internetprovider-Verband eco drängte darauf, die Überwachung des Internet aufzugeben. Unterstützt wurde er dabei vor allem durch den CCC-Sprecher und ICANN-Direktor Andy Müller-Maguhn. Als kritisch sah er die "Pufferung" beziehungsweise Speicherung der abgehörten Telekommunikationsinhalte vor der Übermittlung an die "berechtigte Stelle" an. Ebenso kritisch wurde gesehen, dass Telekommunikation mit einem Datendurchsatz über 2 Megabyte nicht abgehört werden soll. Die organisierte Kriminalität, die sich einen entsprechend großen Kanal kauft, bliebe demnach abhörfrei. Als "Mindestforderung" bezeichnete Müller-Maguhn gegenüber heise online die Streichung des Paragraphen 8, (3), der die Entschlüsselung von netzseitigen Schutzmaßnahmen fordert. Dies beträfe nämlich beispielsweise auch die von der Telekom angebotenen Kryptotelefone.

Der Verordnungsentwurf wird jetzt neuerlich überarbeitet. Bereits im Vorfeld der Anhörung hatte die Internet-Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion deb Entwurf scharf kritisiert. Noch gibt es keinen Termin, wann er erneut der Öffentlichkeit vorgelegt werden soll. (Christiane Schulzki-Haddouti) / (klp)