Appian: Mehr Anwendung, weniger Technologie
Appian hat seine Low-Code-Plattform ausgebaut. Ein Strategiewechsel soll das Unternehmen weniger abhängig von technologischen Schwankungen machen.
- Harald Weiss
Der Low-Code-Anbieter Appian hat auf seiner europäischen Kundenveranstaltung eine Reihe an Erweiterungen und Verbesserungen seiner Plattform vorgestellt, mit denen die Analyse von Daten innerhalb von Anwendungen schneller und einfacher möglich sein soll. Schwerpunkte sind Appian Autoscale sowie erweiterte KI-Features.
Autoscale ermöglicht die Skalierung bis hin zu sechs Millionen Prozessen pro Stunde. Das liegt etwa zehnmal höher als der bisherige Benchmark. Appian ermöglicht damit eine Verarbeitung komplexer Prozesse in großer Zahl, wie die Validierung von Schadensfällen in Echtzeit, die kontinuierliche Überwachung von Transaktionen oder die Bewertung von Kreditrisiken. Eine detaillierte Prozesshistorie hilft außerdem, auftretende Probleme schnell zu erkennen und zu beheben, um einen reibungslosen Betrieb auch bei hoher Nachfrage zu gewährleisten.
Das Plattform-Update bietet des Weiteren eine um 40 Prozent verbesserte Reaktionszeit des AI Copilot for Data Fabric sowie eine Erweiterung bei den unterstützten Datensätzen auf bis zu 250 Typen. Die Process Insights AI wurde um den AI Copilot ergänzt, was eine schnellere Erstellung von geschäftsspezifischen KPIs (Key Performance Indicators) erlaubt. Hinzu kommen neue KI-Features, wie das Erkennen von Ad-hoc-Ereignissen, Vorschläge für KPIs und konsolidierte Auswertungen von Prozessen.
Zu den wichtigsten Funktionen der Appian-Plattform gehören neben dem Low-Code-Tool eine Case-Management-Suite, Datenvisualisierung (Data Fabric) und durch die Einbettung von Amazon Bedrock auch die Verwaltung generativer KI-Modelle (GenKI). Aufgrund dieser Anwendungsorientierung positioniert sich Appian inzwischen weniger als Technologie-Anbieter, sondern zunehmend im Bereich der Prozess-Automatisierung. "The Process Company" lautet der aktuelle Claim. Adam Glaser, Senior Vice President für Produkt-Marketing bei Appian, versteht darunter, dass "alle Automatisierungsfunktionen, alle Mitarbeiter, Bots und KI-Funktionen unter einen Hut zu bringen sind, sodass effiziente End-to-End-Prozesse erstellt werden können".
Gesucht: Eine Meta-Plattform fĂĽr Alles
Mit der neuen Ausrichtung ist Appian voll im Trend. Gartner beobachtet bereits die Entstehung von Meta-Plattformen, die Geschäftsprozesse End-to-End über verschiedene einzelne Bereiche hinweg automatisieren und orchestrieren. "Business Orchestration and Automation Technology" (BOAT) nennen die Marktforscher das und die Merkmale sind ein gemeinsamer Satz an Funktionen aus verschiedenen Technologien wie BPA (Business Process Automation), RPA (Robotic Process Automation) und iPaaS (Integration Platform as a Service). Darüber hinaus bietet eine BOAT-Plattform spezielle GenKI-Funktionen für autonome Agenten, die eine breite Palette von Aktionen ausführen können. Diese konzentrieren sich in der Regel auf zeitgesteuerte Entwicklung, Workflow-Design, gezielte Inhaltserstellung, Extraktion unstrukturierter Daten und die Orchestrierung mehrerer LLMs. Hier sieht sich Appian bereits als Vorreiter. "Wir stufen unser Angebot als eine BOAT-Plattform ein, zu der auch das umfangreiche Data Fabric gehört", sagt Thomas Lorenz, Director Solution Consulting bei Appian.
Kommt das Ende von Low Code?
Appians Strategie-Wechsel macht nicht nur im Hinblick auf die zunehmende Aggregation der Business-Funktionen Sinn, sondern auch, weil sich die zugrunde liegenden Technologien immer schneller ändern. Gerade bei Low Code erwarten viele Experten schon bald dramatische Veränderungen, denn mit GenKI lassen sich Programme aufgrund natürlicher Spracheingabe automatisch erstellen. Und damit können Anwender ihre Programme einfach per Spracheingabe selbst erstellen. "Die Frage ist doch, warum noch Low Code verwenden, wenn man mit KI sofort den vollständigen Code erstellen kann?", lautet die rhetorische Frage von Anand Kulkarni, CEO und Gründer von Crowdbotics. David Brooks, Senior Vice President und Lead Evangelist bei Copado stimmt ihm zu: "Die Programmierung wird schon bald vollständig automatisiert sein", so seine Prognose.
GenKI reicht (noch) nicht zur Ablösung von Low Code
Doch es gibt auch gegenteilige Einschätzungen, wonach es nicht zu einer solchen Entwicklung kommen wird. Die Kritik basiert darauf, dass der von KI generierte Code nur zu 70 bis 80 Prozent richtig sei, was einen hohen Prüf- und Korrekturaufwand erforderlich mache – wodurch wiederum ein großer Teil der Einsparungen verloren gehe. Michael Beckley, Mitbegründer und CTO von Appian meint sogar, dass "Codegeneratoren ein Teil des Problems sind, denn eine schnellere App-Erstellung erfordert eine leistungsstarke Low-Code-Plattform, damit alles verbunden und gemanagt werden kann". IDC-Analyst Neil Ward sieht noch einen weiteren wichtigen Aspekt: Die Programmpflege. "Es ist praktisch unmöglich, einem KI-Modell ein Programm vorzulegen und zu sagen: 'Hier sind ein paar Anpassungen bei der Eingabe, der Ausgabe und der Verarbeitung vorzunehmen'", lautet sein Einwand.
Komplexere Probleme, mehr Branchen und ein erweitertes Data Fabric
Folglich geht Appian davon aus, dass Low Code auch weiterhin die beherrschende Technologie in der Prozess-Automatisierung sein wird. "Wir wollen unsere Business-Fähigkeiten weiter ausbauen; also mehr Automatisierung, ein besseres UI, mehr Optimierung, verbesserte Prozesse und neue Branchen", erläutert Appian-SVP Glaser die Roadmap. Des Weiteren will man sich noch stärker auf Großunternehmen und komplexe Digitalisierungen ausrichten. "Wir konzentrieren uns weiterhin auf die Branchen Finanzdienstleister, Versicherungen, Pharma, Life Science und den öffentlichen Bereich", sagt Sabine Bührer, Area Vice President Central Europe, bei Appian. "Wichtig ist aber, dass wir nur solche Use Cases angehen, die komplex sind, weil wir dort die höchste Kundenzufriedenheit erreichen und auch relativ schnell einen großen Mehrwert generieren können", betont Bührer. Was die zukünftige Technologie angeht, so wird Appian verstärkt in Data Fabric investieren, beispielsweise arbeitet der Anbieter derzeit an einer nativen Integration von Kafka-Streaming-Datenquellen.
(map)