Online-Terminvereinbarung: Ärzte sollen künftig zusätzliche Vergütung erhalten

Verbraucherschützer verweisen auf diverse Mängel bei Portalen zur Online-Terminvereinbarung bei Ärzten. Das Gesundheitsministerium hat dazu keine Erkenntnisse.​

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Kranke Frau im Bett

(Bild: Subbotina Anna/Shutterstock.com)

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Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hat auf Probleme bei der Online-Buchung von Arztterminen hingewiesen. Bei einer nicht repräsentativen Umfrage mit 85 Rückmeldungen zwischen Juli und November sei neben positiven Erfahrungen insbesondere auch herausgekommen, dass gesetzlich Versicherte gegenüber Privatpatienten benachteiligt würden, erklärte der Zusammenschluss in der vergangenen Woche. Oft sei zu hören gewesen, dass bei der Online-Buchung zwar freie Termine angezeigt würden. Diese hätten letztlich aber gar nicht gebucht werden können. Besonders auffällig war laut den Erfahrungsberichten, dass für Kassenpatienten "wenige oder keine zeitnahen Termine verfügbar waren". Für Privatversicherte sei es eher möglich gewesen, kurzfristig in die Sprechstunde kommen zu können.

Auch Auswahlfunktionen auf den Buchungsportalen für die Versicherungsart funktionieren laut der Untersuchung nicht immer zuverlässig. Trotz des Filters "gesetzlich versichert" seien Termine angezeigt worden, die sich im weiteren Buchungsprozess als Selbstzahlertermine oder Privatsprechstunde herausstellten. Die Suchergebnisse hätten so den Anschein erweckt, es gäbe mehr Optionen auch für Kassenpatienten als tatsächlich verfügbar. Verbraucher würden mit solchen Tricks bei Terminknappheit dazu verleitet, Selbstzahlertermine zu buchen, moniert Thomas Moormann vom vzbv.

Beklagt wurde auch, dass Ärzte teilweise die Behandlung ablehnten, wenn Patienten ihre Daten aus Sorge um die Einhaltung der Privatsphäre nicht an das Online-Buchungsportal weitergeben wollten. Hier fordert der vzbv, dass nur die für die Terminvergabe tatsächlich notwendigen Daten weitergegeben werden. Die Ergebnisse zeigten auch, dass Arztpraxen nach der Umstellung auf die Online-Buchung teilweise telefonisch schlecht oder gar nicht erreichbar waren. Dies sollte jedoch nicht die einzige Möglichkeit sein. Auch die Absage von Terminen durch Ärzte sei über die Plattformen teilweise nicht reibungslos verlaufen, kritisiert der vzbv: Patienten hätten vergeblich vor der Praxis gewartet, Ersatz sei ihnen nicht angeboten worden. Der Verband plädiert daher dafür, den Buchungsprozess stärker an den Bedürfnissen der Patienten auszurichten.

Dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) "liegen hierzu keine Erkenntnisse vor", erklärte ein BMG-Sprecher gegenüber heise online. Die privaten Vermittlungsplattformen, die offenbar für den meisten Ärger sorgen, fielen "nicht in den Zuständigkeitsbereich" des Hauses. Grundsätzlich verwies er darauf, dass Vertragsärzte aufgrund ihrer Zulassung verpflichtet seien, im Rahmen ihres Auftrages an einer ausreichenden, zweckmäßigen und medizinisch notwendigen Versorgung auch der gesetzlich Versicherten mitzuwirken. Dabei seien die Sprechstunden so einzurichten, dass die Patienten entsprechend ihrem Bedarf "innerhalb medizinisch vertretbarer Wartezeiten behandelt werden können". Es sei Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen zu prüfen, ob die Vertragsärzte ihrem Auftrag in vollem Umfang nachkommen.

Darüber hinaus hat der Bundestag laut BMG in den vergangenen Jahren Gesetzesänderungen beschlossen, um allen Patienten "einen gleichberechtigten und gleichwertigen Zugang zu medizinischen Behandlungsangeboten" zu ermöglichen. So sollen gesetzlich Krankenversicherte in dringenden Fällen schneller eine Sprechstunde erhalten. Das BMG verweist hier etwa auf die Vorgaben zu den Terminservicestellen über die Rufnummer 116117, die gleichnamige App und Webseite. Dazu komme die Auflage für bestimmte Arztgruppen, mindestens fünf Stunden wöchentlich offen ohne vorherige Terminvereinbarung anzubieten.

Vertragsärzte bekommen die volle Vergütung für Untersuchungen und Behandlungen von Versicherten, wenn die Termine durch eine Terminservicestelle vermittelt werden, erklärt der Sprecher des BMG. Zusätzlich werde ein zeitgestaffelter, extrabudgetärer Zuschlag von 100, 80 oder 40 Prozent Pauschalen gezahlt. Paragraf 370a des 5. Sozialgesetzbuches sehe ferner vor, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) Termine für Videosprechstunden künftig über ein elektronisches System auch zur Weitervermittlung durch Dritte bereitstellt. Mit einer noch festzulegenden Verfahrensordnung würden dabei für alle Parteien Anforderungen etwa an Datenschutz und IT-Sicherheit sowie den diskriminierungsfreien Zugang zu Terminen definiert.

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) betonte, nicht in die Terminvergabe der Arztpraxen involviert zu sein. Auch die KBV, die die 116117 betreibt, sieht sich von den Vorwürfen des vzbv nicht betroffen: Ihr Service könne mit Blick auf die Kernkritik nicht gemeint sein, da er "ausschließlich GKV-Termine" vermittle. Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) ist nach eigenen Angaben ebenfalls außen vor: "Die Einstellungen der Buchungsplattformen werden vom Software-Anbieter und den Arztpraxen als Nutzer der Software-Lösung vorgenommen." Der private Dienstleister Doctolib reagierte nicht auf eine Anfrage von heise online zu den ausgemachten Schwächen bei einschlägigen Portalen. Die Firma erhielt 2021 einen Big Brother Award.

(mack)