Astronomie: Gravitationswellen weisen erneut auf rätselhaftes Objekt hin

Zwischen den größten Neutronensternen und den kleinsten Schwarzen Löchern besteht eine Lücke. Nun gibt es den nächsten Hinweis, dass es da nicht ganz leer ist.

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Eine kleine schwarze und eine kleine orangefarbene Kugel, darum wellenförmige Muster

Gravitationswellen um ein kleines Schwarzes Loch und einen Neutronenstern (orange)

(Bild: I. Markin (Universität Potsdam), T. Dietrich (Universität Potsdam und Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik), H. Pfeiffer, A. Buonanno (Max-Planck-Institut für Gravita))

Lesezeit: 3 Min.

Ein Gravitationswellendetektor im US-Bundesstaat Louisiana hat vor fast einem Jahr zum zweiten Mal Signale nachgewiesen, die darauf hindeuten, dass Schwarze Löcher doch kleiner sein können, als angenommen. Das teilte das Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory (LIGO) jetzt mit. Entdeckt wurden demnach am 24. Mai 2023 Signale, die bei der Verschmelzung eines Neutronensterns – von 1,4 Sonnenmassen – mit einem mysteriösen Objekt entstanden sind, das eigentlich nicht existieren dürfte. Das sei vor der Kollision auf etwa 3,6 Sonnenmassen gekommen und habe damit fast genau in der Mitte einer Lücke gelegen, die seit Jahren zwischen den massereichsten Neutronensternen und den kleinsten Schwarzen Löchern ermittelt wird.

Über Gravitationswellen entdeckte Objekte an und in der Masselücke

(Bild: S. Galaudage, Observatoire de la Côte d’Azur)

Wie die Forschungseinrichtung erklärt, wurde das Signal kurz nach Beginn des vierten Forschungslaufs der beiden LIGO-Detektoren, des Detektors Virgo in Italien und KAGRA in Japan nachgewiesen. Aus unterschiedlichen Gründen hat es aber lediglich einer der beiden LIGO-Geräte beobachtet. Es sei umgehend ein Hinweis an Astronomen und Astronominnen publiziert worden, aber die Daten zum möglichen Ursprungsort seien nicht sehr genau gewesen, andere Instrumente konnten nichts finden. Ereignet hat sich die Verschmelzung demnach in einer Entfernung von etwa 650 Millionen Lichtjahren. Aktuell ruht die Forschungsarbeit, insgesamt wurden bis Mitte Januar 80 weitere Signale entdeckt.

Das Signal mit der Bezeichnung GW230529 ist so interessant, weil es einmal mehr auf die Lösung eines Rätsels der Astronomie hindeutet. Dabei geht es darum, dass die massereichsten Sterne zu Schwarzen Löchern kollabieren, während leichtere Exemplare in Supernovae explodieren und kompakte Neutronensterne übrig lassen. Zwischen den massereichsten Neutronensternen von etwas über 2 Sonnenmassen und den kleinsten Schwarzen Löchern von 5 Sonnenmassen hat sich eine Lücke aufgetan und es gilt als unklar, ob vergleichbar kompakte Objekte existieren, die dort hineinpassen. Über Gravitationswellen wurde nun zum zweiten Mal ein Objekt gefunden, das genau in diese Lücke zu fallen scheint. Das erste wurde 2019 entdeckt, befand sich aber viel näher an der – unteren – Grenze.

Anders als das damalige Ereignis mit der Bezeichnung GW190814 geht das jetzt vorgestellte auf die Kollision eines Objekts in der Masselücke mit einem kleineren Himmelskörper zurück. Die 2019 entdeckten Gravitationswellen waren der Verschmelzung eines Objekts von 2,6 Sonnenmassen mit einem der 23-fachen Masse unserer Sonne zugeordnet worden. Auch deshalb sei es noch einmal "besonders aufregend", erklärt die an der Auswertung beteiligte Astrophysikerin Sylvia Biscoveanu. Die Beobachtung sei wichtig für Theorien zur Entwicklung von Doppelsystemen und für mögliche Beobachtungen im elektromagnetischen Spektrum. Nicht über Gravitationswellen war 2019 ein weiteres Schwarzes Loch in der Lücke gefunden worden, insgesamt bleibt die Zahl also überschaubar.

(mho)