Astronomie: Interstellare Wolke könnte aktuelles Eiszeitalter ausgelöst haben

Vor zwei bis drei Millionen Jahren haben auf der Erde wichtige Veränderungen stattgefunden, die noch nachwirken. Eine Astronomin hat womöglich eine Erklärung.

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Die Erde aus demm All

(Bild: m.elyoussoufi/Shutterstock.com)

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Unser Sonnensystem hat sich vor wenigen Millionen Jahren durch eine interstellare Wolke aus dichtem Gas und Staub bewegt, die dessen Schutzblase so zusammengedrückt hat, dass die Erde dem interstellaren Medium direkt ausgesetzt war und womöglich deshalb in das jüngste Eiszeitalter gefallen ist. So lautet zumindest eine jetzt publizierte Theorie der Astronomin Merav Opher von der Universität Boston. Ermittelt hat sie mit zwei Kollegen, dass die Begegnung mit einem langen Gaswolkensystem vor zwei bis drei Millionen Jahren dafür gesorgt haben dürfte, dass die sich gegenwärtig bis in eine Distanz von weit über 100 Astronomische Einheiten (AE) ausgedehnte, sogenannte Heliosphäre auf gerade einmal 0,2 AE zusammengedrückt wurde. Das ist innerhalb der Bahn des Merkur. Auf der Erde hätte der fehlende Schutz womöglich substanzielle Änderungen, etwa beim Klima nach sich gezogen.

Ermöglicht wurde die Analyse durch die umfangreiche Datensammlung des europäischen Weltraumteleskops Gaia, das eine präzise 3D-Karte von Himmelskörpern und Objekten wie dem Wolkensystem LRCC (Local Ribbon of Cold Clouds) erstellt. Opher und ihr Team haben die für eine Rückrechnung des Wegs unseres Sonnensystems genutzt und den Kontakt gefunden. Weitere Simulationen hätten dann ergeben, welche Auswirkungen die Begegnung auf die Heliosphäre hatte. Die wird durch den Sonnenwind gebildet, der normalerweise so stark gegen das interstellare Medium drückt, dass weite Bereiche des Sonnensystems mit dem zwischen den Sternen liegenden Material nicht in Berührung kommen. Das vergleichsweise dichte Material der interstellaren Wolke hat sie den Berechnungen zufolge aber so stark zusammengedrückt, dass es auch die inneren Planeten erreicht hat.

Welche Auswirkungen dieser Kontakt auf die Erde und dabei etwa das Klima gehabt hat, müsse jetzt noch untersucht werden, schreibt Opher. Es sei aber klar, dass die vergleichsweise großen Mengen an neutralem Wasserstoff in der Gaswolke die Chemie der Erdatmosphäre verändert haben dürften. Theorien zufolge könnte der etwa die Ozonschicht aus tieferen Schichten entfernt und letztlich für eine Abkühlung der Erde gesorgt haben. Entdeckt wurde demnach auch bereits, dass etwa zu jener Zeit mehr radioaktive Partikel die Erdoberfläche erreicht haben. Schließlich weist die Forschungsgruppe noch darauf hin, dass ebenfalls etwa zu jener Zeit jene Gattung der Menschenaffen entstanden ist, aus der sich schließlich der moderne Mensch gebildet hat. Außer dieser zeitlichen Nähe hat die Gruppe aber keinerlei Hinweise auf einen Zusammenhang.

Insgesamt legen die Simulationen nahe, dass die Erde im Zuge der Bewegung durch die interstellare Wolke zwischen einige hunderttausend und einer Million Jahre lang direkt dem interstellaren Medium ausgesetzt war. Die exakten Folgen herauszufinden, sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt unmöglich, gesteht die Astronomin ein. Trotzdem dürfte die zeitliche Nähe zu wichtigen Ereignissen in der jüngeren Erdgeschichte der Studie große Aufmerksamkeit bescheren, Opher selbst wünscht sich mehr Forschung dazu und spricht davon, dass man ganz am Anfang stehe. Es ist nicht die erste Arbeit, die darauf hinweist, welchen Einfluss der Weg der Sonne durch die Milchstraße auf die Erde gehabt hat. Die aktuelle Forschungsarbeit ist jetzt im Wissenschaftsmagazin Nature Astronomy erschienen, daran mitgearbeitet hat auch der inzwischen umstrittene Astrophysiker Avi Loeb.

(mho)