Atomkraft: Greenpeace sieht ein Loch ohne Boden für Steuerzahler

Kostensteigerungen, massive Verzögerungen und Zuverlässigkeitsprobleme machen Atomkraft zu einem teuren Wagnis – vor allem für Steuerzahler, sagt Greenpeace.

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Computergrafik eines Mini-AKW

Ein Atomkraftwerk, wie es sich die US-Firma Nuscale vorstellt.

(Bild: Nuscale)

Lesezeit: 4 Min.

Wegen unkontrollierter Kostensteigerungen, massiven Verzögerungen und Zuverlässigkeitsproblemen verlieren Investoren häufig das Interesse an Atomprojekten. Fast alle Atomkraftwerke seien direkt oder indirekt auf die Unterstützung der Behörden angewiesen, um ihre Rentabilität zu gewährleisten. Das finanzielle Risiko tragen nicht die Betreiber, sondern die Steuerzahlenden, hat eine Studie von Greenpeace ergeben. Dessen Atomexperte Roger Spautz resümiert: "Atomenergie ist ein Loch ohne Boden für die Steuerzahler."

Für ihre Studie hat die Umweltschutzorganisation aktuelle Projekte und Finanzierungsmodelle in zehn Ländern und die Technik der Small Modular Reactor genauer betrachtet. Insgesamt hat sich daraus ergeben, dass AKW-Projekte im Vergleich zu anderen Investitionen in die Energieinfrastruktur ein sehr spezifisches Risikoprofil haben. Das liege an dem hohen Kapitalbedarf vor Baubeginn, an den langen Bauzeiten, regelmäßigen Überschreitungen des Budgets und des Zeitplans und an Einnahmerisiken, schreibt Greenpeace.

AKW-Projekte würden erst dann für private Investoren interessant, wenn eine Regierung Risiken mindert über Kreditbürgschaften, Einnahmegarantien, staatliche Lieferanten und Versorgungsunternehmen oder durch Konstruktionen, durch die die Verbraucher Teile der Projektentwicklungen mitfinanzieren. Das gelte für große und kleine Projekte gleichermaßen. Der Aspekt der Belastung für Steuer- oder Gebührenzahler werde angesichts steigender Zinsen bedeutender.

Als ein weiteres Problem erscheint Greenpeace die Wettbewerbsfähigkeit von Atomkraftwerken gegenüber Erneuerbaren Energien. Die Stromgestehungskosten lägen für Atomkraft bei etwa 18 US-Cent je kWh gegenüber 6 für Solar- oder Windenergie. Und selbst wenn die Kosten der Systemintegration berücksichtigt werden, die durch die schwankende Leistung der Erneuerbaren gegenüber der steuerbaren der AKW entstehen, würden die Erneuerbaren immer noch günstiger abschneiden.

Auch weist Greenpeace auf geopolitische Risiken hin, da an manchen Projekten russische oder chinesische Staatsunternehmen beteiligt seien oder den Brennstoff für sie lieferten. Insgesamt sei die Brennstoffversorung wenig diversifiziert, 2021 stammten 96 Prozent des Urans für AKW in der EU aus fünf Ländern: 24 Prozent aus Niger, 23 Prozent aus Kasachstan, 20 Prozent aus Russland, 16 Prozent aus Australien und 14 Prozent aus Kanada.

Die neuerdings von der Industrie propagierten Small Modular Reactor (SMR) sind für Greenpeace nicht neu. Reaktoren mit wesentlich geringerer Leistung habe es früher bereits gegeben, auch würden heutzutage bereits Reaktoren modular gebaut. Die Befürworter versprechen sich von SMR weniger Komplexität der Projekte, kürzere Bauzeiten, geringere Kosten und einfachere Technologie. Wie die Kosten tatsächlich ausfallen, wenn solche SMR reihenweise hergestellt werden sollten, sei noch nicht absehbar, schreibt Greenpeace. Dabei verweist es auf das jüngst abgebrochene SMR-Projekt von NuScale Power Corporation im US-Bundesstaat Idaho. Bisher gebe es nur wenige betriebsbereite, als SMR klassifizierte Projekte wie den KLT-40S in Russland oder den PHWR-2020 in Indien.

Hieraus können sich Ertragsrisiken im Betrieb eines AKW ergeben, die Greenpeace zu den versteckten Kosten summiert, ebenso wie Probleme mit der Versorgung von Kühlwasser durch niedrige Flusspegel und hohe Temperaturen, wie sie 2022 in Frankreich auftraten. Weitere versteckte Kosten ergeben sich durch die begrenzte Haftung für AKW-Betreiber, wie sie im Brüsseler Zusatzübereinkommen geregelt ist. Demnach haften sie bei einem Atomunfall für einen Schaden von bis zu 1,2 Milliarden Euro. Alle Schäden, die über diese Versicherungssumme hinausgehen oder bei denen die verfügbaren Mittel erschöpft sind, müssen durch öffentliche oder internationale Mittel gedeckt werden.

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Zu den versteckten Kosten zählt Greenpeace auch jene, die durch die Stilllegung und den Rückbau von Atomkraftwerken entstehen. Die Industrie gehe davon aus, dass solche Kosten etwa 15 Prozent der ursprünglichen Baukosten ausmachten und angesichts langer Laufzeiten umso weniger ins Gewicht fallen. Allerdings hätten bisherige AKW-Dekommissionierungen gezeigt, dass die Kosten wesentlich höher ausfallen könnten. Nicht absehbar seien die Kosten, die künftig für die Endlagerung von abgebrannten Brennstäben und anderes strahlendes Material anfallen können, denn momentan gebe es weltweit noch kein einziges Endlager.

(anw)