Auch Ältere besuchen Workshops zur Sicherheit im Netz

Seitdem bekannt wurde, dass die NSA das Internet massiv überwacht, gehen immer mehr Menschen auf sogenannte Cryptopartys, um sich über Sicherheit im Internet zu informieren. Auch Parteien laden inzwischen dazu ein.

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Von
  • Sebastian Haak
  • dpa

Organisiert Cryptoparties: Katharina König von der Linken.

(Bild: Die Linke)

Nein, sagt Klaus Häßner. Die Spitzel des amerikanischen Geheimdienstes NSA würden sich wohl kaum für seine Daten interessieren. "Dafür bin ich einfach nicht wichtig genug." Trotzdem findet er die Möglichkeit beunruhigend, dass es für sie ein Leichtes wäre, sein digitales Ich auszuspionieren. "Völlig unbeleckt", wie Häßner es nennt, ist der Arnstädter deshalb zu einer sogenannten Cryptoparty nach Erfurt gekommen. Dort will er lernen, wie man sich sicherer und anonymer im Netz bewegt und seine digitale Kommunikation verschlüsselt – also Daten kryptischer für andere macht. Längst beschäftigen sich nicht mehr nur internetaffine Jugendliche damit. Häßner ist 63 Jahre alt.

Verantwortet wird die Erfurter Party, die offen für jeden ist, von der netzpolitischen Sprecherin der Linke-Landtagsfraktion, Katharina König. Sie ist überrascht, dass der Altersdurchschnitt der zehn Teilnehmer bei deutlich über 50 liegen dürfte. Schon seit 2010 – und damit lange vor dem NSA-Skandal – lädt König zu solchen Veranstaltungen ein. "Das ist jetzt die erste Cryptoparty seit dem Auffliegen der amerikanischen Spähaktionen", sagt sie. "Und noch nie waren so viele Ältere da." Ganz offenkundig hätten die Schlagzeilen über das massive Ausforschen des Internets durch Nachrichtendienste zu einem neuen Bewusstsein bei vielen für die Themen Datenschutz und Sicherheit im Internet geführt.

Gleichzeitig betont König aber: Cryptopartys richteten sich nicht per se gegen staatliche Überwachung - der Datenhunger der Wirtschaft sei ebenso ernst zu nehmen. "Deshalb ist es unser erstes Anliegen, ein Grundverständnis dafür zu wecken, wie wichtig es für jeden Einzelnen ist, die Kontrolle über seine Daten zu behalten."

Dementsprechend beginnt die Cryptoparty mit allgemeineren Hinweisen dazu, wer welche Daten im Netz sammelt und wie sich Nutzer mit der Installation kleiner Zusatzprogramme schützen können. Erst zum Ende hin geht es um die Verschlüsselung von E-Mails, Chats und Festplatten; Maßnahmen, die auch die NSA vor einige – wenn auch vielleicht überwindbare – Probleme beim Spitzeln stellen dürfte. Insgesamt hat die Zusammenkunft eher Workshop-Charakter: Auf den Tischen stehen Notebooks. Der IT-Experte Jens Kubiziel erklärt die einzelnen Programme und beantwortet Fragen. Häßner macht sich eifrig - mit Stift und Papier - Notizen. Collusion, PGP, https-everywhere, Truecrypt, Tor: Von all diesen Sicherheitsfeatures hat Häßner bald wenigstens schon mal etwas gehört.

Vor den Linken hatte bereits die SPD-Fraktion zu einer Veranstaltung geladen, die sich mit der Sicherheit im Internet befasst hatte. Etwa 25 Männer und Frauen aller Altersgruppen hatten sich im Anschluss an eine Podiumsdiskussion ebenfalls zeigen lassen, wie sie sich sicherer und anonymer im Internet bewegen und dort kommunizieren können.

Darüber, dass vielen Menschen immer noch nicht klar ist, wie umfassend sie eigentlich täglich ausspioniert werden, waren sich die meisten der Anwesenden einig. "Das ist ein bisschen wie bei der Kernenergie", sagt die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dorothea Marx. "Man riecht es nicht. Es ist nicht laut. Aber es ist gefährlich." Auch Marx sieht bei immer mehr Menschen den Wunsch, sich gegen die Gefahren zu wappnen.

Dass der Schutz der eigenen Daten im Netz aber gerade am Anfang mit einigem Zusatzaufwand verbunden ist, das hat Häßner am Ende der Cryptoparty der Links-Fraktion verstanden. Ihm brummt sichtbar der Kopf vor lauter Fachausdrücken und Sicherheitshinweisen. "Entmutigt bin ich trotzdem nicht", sagt er. "Ich werde das zu Hause noch mal in Ruhe probieren." (jkj)