Auch ein "Gratis-Zugang" kann teuer werden
Wer sich keine Kenntnis von den allgemeinen Geschäftsbedingungen eines 0190er-Dialers verschafft und eine Sperre für Mehrwertdiensterufnummern aufheben lässt, muss für das Verbindungsentgelt aufkommen.
Wer seine Sorgfaltspflicht dadurch verletzt, dass er sich keine Kenntnis von den allgemeinen Geschäftsbedingungen eines 0190er-Dialers verschafft und eine Sperre derartiger Mehrwertdiensterufnummern aufheben lässt, muss uneingeschränkt für das dadurch entstehende Verbindungsentgelt aufkommen. Dies entschied das Landgericht München I mit Urteil vom 18. März 2004 (Az. 27 O 15933/03).
Klägerin des Verfahrens ist eine Telefongesellschaft, die von dem Beklagten einen Betrag von 5.844,80 Euro forderte. Dieser hatte sich Ende 2002 rund 3.200 Minuten zum Preis von 3,60 DM pro Minute in ein Erotikangebot per 0190er-Dialer eingewählt. Auf der zu dem Dialer führenden Website fand sich der Vermerk, dass es sich um einen "Gratis-Zugang" handeln würde, der eine "Einwahl zum Erotikservice mit Freischaltung für alle kostenpflichtigen Erotik-Bereiche" ermögliche. Ein Hinweis auf die anfallenden Kosten fand sich allerdings weder dort noch in den AGB des Anbieters aus den Niederlanden. Lediglich ein pauschaler Hinweis auf "dem User entstehende Telefonkosten" war in den Geschäftsbedingungen aufgeführt.
Der Beklagte berief sich in dem Verfahren ausdrücklich auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach ein Telefonkunde die Entgelte für die Einwahl bei einer 0190-Rufnummer nicht bezahlen muss, wenn diese Anwahl heimlich über einen im Computer des Kunden installierten Dialer erfolgte. Dies sei auch in seinem Fall geschehen, sodass ihm kein Verstoß gegen seine Sorgfaltsobliegenheiten zur Last gelegt werden könne. Insbesondere sei er mangels eines konkreten Kostenhinweises davon ausgegangen, dass der Dienst kostenlos sei und durch Werbung finanziert werde.
Den Ausführungen des Beklagen wollten jedoch die Münchener Richter nicht folgen. Es sei allgemein bekannt, dass Erotik-Service-Leistungen entgeltpflichtig sind. Auch habe der Beklagte die sich jeweils nach einer Stunde automatisch kappende Verbindung immer wieder neu hergestellt, immerhin über 50 Mal. Hauptvorwurf des Gerichts ist jedoch die Tatsache, dass der Beklagte für seinen Anschluss keine Sperre von 0190er-Nummern eingerichtet hatte. Diese hatte nämlich die Klägerin als Telefongesellschaft unter Hinweis auf missbräuchliche Angebote über Mehrwertdiensterufnummern für alle Kunden gesperrt. Im Gegenteil hatte der Beklagte von der Klägerin trotz der Warnung ausdrücklich eine Freischaltung dieser Nummern verlangt.
Zwar haben sich inzwischen gegenüber dem im Jahr 2002 liegenden Sachverhalt einige Regelungen insbesondere hinsichtlich der Kennzeichnungspflicht von Dialern geändert. Inzwischen sind zum Beispiel eindeutige Preisangaben bei den Einwahlprogrammen gesetzlich erforderlich. Das Urteil zeigt jedoch, dass auch die Entscheidung des BGH kein Freibrief für den fahrlässigen Umgang mit derartigen Angeboten ist. Verbraucherschützer raten daher weiterhin zu einer Sperrung von 0190er/0900er-Mehrwertdiensterufnummern. Informationen dazu gibt zum Beispiel ein Faxabruf-Service, der ironischerweise nur über eine 01905er-Nummer erreichbar ist. (Joerg Heidrich) / (jk)