Audacity-Entwickler erzĂĽrnen Anwender mit Telemetriedatenversand
Die geplante Integration von Google Analytics in den Audio-Editor Audacity sorgt für heftige Kritik. Die Privatsphäre sei dennoch nicht gefährdet.
Erst vor wenigen Tagen hatte die amerikanische Muse Group die Weiterentwicklung des beliebten Audio-Editors Audacity übernommen. Kurz darauf veröffentlichten die Entwickler auf GitHub einen Änderungsvorschlag, der viele Nutzer erzürnte: Das Open-Source-Programm soll zukünftig Telemetriedaten erheben und diese dann zur Auswertung an die beiden Online-Dienste Google Analytics und Yandex Metrica senden. Zu den übertragenen Informationen gehören unter anderem die Nutzungszeit der Software, sämtliche aufgetretenen Fehler, die verwendeten Effekte und die Versionsnummer des Betriebssystems. Obendrein protokollieren Google und Yandex die IP-Adressen der Anwender.
Telemetriedatenfunktion erst in zukĂĽnftigen Versionen
Ihren Unmut über diese Datensammlung äußerten viele Audacity-Anwender in einer mittlerweile recht umfangreichen Diskussion auf GitHub. Ihrer Meinung nach sind die übermittelten Daten spätestens durch die Erfassung der IP-Adresse nicht mehr anonym. Darüber hinaus kollidiere die Nutzung der Online-Dienste mit der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Der heftige Gegenwind veranlasste die Audacity-Entwickler schließlich zu einer Klarstellung. Demnach erhebt der Audio-Editor standardmäßig keinerlei Telemetriedaten. Dies geschieht erst nach der ausdrücklichen Zustimmung durch den Anwender (Opt-In). Um die entsprechende Erlaubnis bittet ein Dialogfenster beim ersten Start von Audacity. Die dabei getroffene Entscheidung können Nutzer jederzeit in den Einstellungen ändern beziehungsweise widerrufen.
Des Weiteren sei die Funktion standardmäßig nur bei den von GitHub automatisch erzeugten Audacity-Fassungen aktiv. Dabei handelt es sich allerdings gleichzeitig um die offiziellen Audacity-Versionen, die auch auf der Website des Audio-Editors bereitstehen. GitHub erstellt derzeit nur die Windows- und macOS-Versionen, die Linux-Fassung bauen in der Regel die Hersteller von Linux-Distributionen selbst aus dem Quellcode. Die Telemetrie-Funktion soll sich zukünftig aber auch dabei zuschalten lassen. Ob die meist gegenüber Tracking eher skeptisch eingestellten Distributoren von dieser Option Gebrauch machen werden, ist jedoch fraglich. Grundsätzlich erscheint die neue Telemetriedatenfunktion erst in zukünftigen Versionen, im aktuellen Audacity 3.0.2 fehlt sie noch komplett.
Ein Audio-Editor sollte keine Verbindung ins Internet aufbauen
Mit den Telemetriedaten möchten die Audacity-Entwickler unter anderem die Stabilität verbessern sowie bestehende Programmfehler und deren Folgen näher untersuchen. So wissen die Entwickler beispielsweise bislang nicht, wie sich ein Problem mit dem neuen Dateiformat von Audacity 3.0 auf die Nutzer auswirkt. Kritiker der Telemetriedatenerhebung kontern, dass Anwender bei Problemen wie bislang einen entsprechenden Bug-Report absetzen könnten. Des Weiteren möchten die Audacity-Entwickler herausfinden, welche Betriebssystemversionen der Audio-Editor idealerweise unterstützen sollte. Beispielsweise würde ein Update auf die letzte Version des verwendeten GUI-Frameworks wxWidgets gleichzeitig macOS ab Version 10.10 voraussetzen. Hier wenden die Kritiker ein, dass man eine Änderung der Systemanforderungen auch kurz öffentlich zur Diskussion stellen könnte.
Als problematisch erachten einige Kritiker zudem die Einbindung der externen Bibliothek Libcurl, die bei der Kommunikation mit den Analytics-Diensten hilft. Audacity integriert dabei einfach den kompletten Programmcode der Libcurl-Bibliothek. Stopfen die Libcurl-Entwickler eine Sicherheitslücke, müsste somit auch Audacity in einer aktualisierten Version erscheinen. Laut den Audacity-Entwicklern kommt die Bibliothek Libcurl in unveränderter Form zum Einsatz, was die Aktualisierung zumindest erleichtern würde. Gleichzeitig bestünde die Möglichkeit, dass Audacity die vom Betriebssystem beziehungsweise der Linux-Distribution mitgelieferte Libcurl nutzt. Zumindest die offiziellen Windows- und macOS-Fassungen dürften jedoch zukünftig „Libcurl“ immer komplett integrieren. Auf Basis der Libcurl wollen die Audacity-Entwickler weitere, derzeit noch nicht näher genannte Netzwerkfunktionen implementieren. Einige Kritiker lehnen diese Pläne jedoch ab. Ihrer Meinung nach sollte ein Audio-Editor überhaupt keine Verbindung ins Internet aufbauen.
Datenschutzfreundliche Dienste gefordert
Die Audacity-Entwickler erhalten aber nicht nur Gegenwind. So weisen etwa einige Anwender darauf hin, dass die Telemetrie-Funktionen standardmäßig deaktiviert seien. Sollten die Entwickler alternative datenschutzfreundlichere Dienste finden, die alle ihre Anforderungen erfüllen, wären sie zudem auch zu einem entsprechenden Wechsel bereit. Die Telemetriedatenfunktion dürfte somit in einer der nächsten Audacity-Versionen enthalten sein.
(bme)