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Auf US-Wahlkampf folgt Kampf um Space Force

Daniel AJ Sokolov
Eine Hand streckt ein blitzendes Schwert gen Himmel

(Bild: gemeinfrei)

Beide US-Parteien sind mit der US-Militärmacht im Weltraum unzufrieden. Präsident Trump will eine Space Force, die Demokraten wollen eher ein Space Corps.

"Fast jeder meint, dass die Air Force einen lausigen Job in Sachen Weltraum gemacht hat", stellt James Muncy, Experte für US-Weltraumpolitik, fest, "Soll man die Aufgabe der Air Force wegnehmen und eine Space Force (samt eigenem Ministerium) gründen? Oder soll man das abspalten, aber innerhalb des Luftwaffenministeriums behalten, also ein Space Corps gründen? Oder macht man etwas ganz anderes?" Diese Frage wird im US-Kongress heiß diskutiert werden, erwartet Muncy: "Die Demokraten werden heftigen Widerstand leisten."

US-Präsident Donald Trump hat die Einführung einer Space Force befohlen [1] – ohne dafür zuständig zu sein. Die grundsätzliche Entscheidung wie auch die finanzielle Ausstattung obliegen dem Kongress. "Die Space Force könnte eine parteigebundene Frage werden, schon alleine weil die Demokraten gegen Trump sein wollen. Das ist bedauerlich, weil das nicht die Art und Weise ist, wie wir Raumfahrt-Belange entscheiden sollten", sagt Muncy und betont, dass es sowohl für eine separate Space Force als auch für ein dem Luftwaffenministerium zugeordnetes Space Corps gute Argumente gibt.

Muncy arbeitet seit bald vier Jahrzehnten im und für den US-Space-Sektor. In jungen Jahren setzt er sich an seiner Uni für offeneren Zugang zu Computern und neue Lehrmethoden für Informatik ein. Als US-Präsident Ronald Reagan das NASA-Budget kürzen möchte, startet Muncy gemeinsam mit Freunden eine Bürgerinitiative für eine Space Station. Das erregt die Aufmerksamkeit des damaligen Repräsentanten Newt Gingrich, der später republikanischer Fraktionsführer wird und heutig Trump berät.

Gingrich stellt Muncy ein, der ihm hilft, den ersten Klub weltraumbewegter Abgeordneter beider Parteien zu Gründen ("Space Caucus"). In der Folge wechselt Muncy sogar zu Reagan ins Weiße Haus und beeinflusst von dort die US-Weltraumpolitik. Später macht sich Muncy um die Förderung der kommerziellen US-Raumfahrt verdient. Seit der Jahrtausendenwende hilft er solchen Unternehmen dabei, sich im Dickicht von Regulierungen und Ausschreibungen zurechtzufinden.

Daniel AJ Sokolov

James Muncy hat in Alexandria, Virginia, gewählt, wo er nur etwa sieben Entscheidungen in der Wahlzelle zu treffen hatte. Die meisten US-Wähler hatten deutlich mehr Arbeit.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

heise online hat Muncy diese Woche kurz nach den US-Wahlen in Washington zum Interview getroffen. Noch sind nicht alle Stimmen ausgezählt, doch so viel lässt sich schon sagen: Die Republikaner konnten ihre Mehrheit im Senat ausbauen, haben aber die Mehrheit im Repräsentantenhaus an die Demokraten verloren.

"Details zur Weltraum-Politik werden wir nicht vor (dem Amtsantritt des neuen Kongresses im neuen Jahr) wissen", schickte der Amerikaner voraus, "Wer wird Vorsitzender welchen Ausschusses? Wer wird jeweils der führende Vertreter der anderen Partei? Zu viel ist noch in der Schwebe. Wir wissen nicht, ob der (demokratische Senator Bill Nelson) wiederkommen wird. Wir wissen nicht, ob der (republikanische Repräsentant Dana) Rohrabacher wiederkommen wird." Beide sind weltraumbegeisterte Abgeordnete, die nach aktuellem Stand ihre Wahlen knapp verloren haben.

Und solche lokalen Entscheidungen können im US-System erstaunlich viel bewirken. Die mühsame Methode zur Erstellung des jährlichen US-Budgets verleiht den führenden Mitgliedern einzelner (Unter-)Ausschüsse im US-Kongress überproportionalen Einfluss.

Beispielsweise kommt der republikanische Vorsitzende des Budgetausschusses im US-Senat, Richard Shelby, aus Alabama. Dort befindet sich das Marshall Space Flight Center der NASA. Da überrascht es nicht, dass Shelby diesem Teil der NASA, zu dem auch das Raketenprogramm SLS (Space Launch System) [2] gehört, eine gute Dotierung zu sichern sucht. "Shelby hasst (das private Raumfahrtunternehmen) SpaceX", verrät Muncy, "Weil es eine Bedrohung für das NASA-eigene Raketenprogramm ist." SpaceX werde fast gleich viel Fracht wesentlich günstiger ins All schießen können als die NASA mit dem SLS.

Als Gegengewicht zu Shelby könnte der in Texas überraschend knapp wiedergewählte republikanische Senator Ted Cruz agieren. Muncy erwartet, dass Cruz weiterhin dem Budget-Unterausschuss für Wissenschaft und Weltraum vorsitzen wird. Der Texaner unterstützt die kommerzielle Raumfahrt und ist für den Fortbestand der International Raumstation ISS. In Texas gibt es gleich mehrere Weltraum-Flughafen-Projekte [3].

Außerdem setzt sich Cruz für die Entsendung von Menschen auf den Mars ein, anstatt wieder den Mond ins Visier zu nehmen. Das ist in der republikanischen Partei nicht unumstritten: "Viele Republikaner waren sehr verärgert, als (der damalige US-Präsident Barack Obama 2010) den Mond aus dem Spiel genommen hat, und den Mond in seiner Rede [4] im John F. Kennedy Space Center heruntergespielt hat", weiß Muncy.

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Den Vorsitz im parallelen Budget-Unterausschuss im Repräsentantenhaus wird voraussichtlich der New Yorker Demokrat Jose Serrano übernehmen. "Er hat bisher in Anhörungen nicht viel zur Raumfahrt gefragt", erinnert sich Muncy, "In New York gibt es nicht viel Raumfahrt-Business. Serrano kümmert sich um die Bildungsprogramme der NASA sowie deren wissenschaftliche Forschung. Aber er wird wahrscheinlich mehr Zeit für die Budgets für Wirtschaft und Justiz aufwenden." An der Columbia-Universität in New York City betreibt die NASA das Goddard-Institut für Weltraumforschung.

Traditionell sind NASA-Budgets von lokalen Interessen einzelner Abgeordneter beeinflusst und keine Frage der Parteilinie von Demokraten und Republikanern. "Normalerweise. Aber das könnte sich unter Trump ändern, weil unter Trump alles anders ist", fürchtet Muncy. "Den Demokraten ist der Klimawandel ein großes Anliegen. Daher werden sie sicherstellen wollen, dass (NASA-Chef Jim) Bridenstine mehr Geld für (die Erforschung des) Klimawandels ausgibt."

"Trump möchte das NASA-Budget nicht kürzen. Die Demokraten könnten trotzdem versuchen, einen Streit vom Zaun zu brechen, um Trump als Wissenschaftsgegner darstellen zu können", so Muncy. "Alles, was in den nächsten beiden Jahren im Kongress geschieht, wird von der nächsten Präsidentenwahl 2020 beeinflusst sein." Später fügt er hinzu: "Die Demokraten werden nicht viele Vorladungen an die NASA schicken, um zu erfahren, was sie in Sachen Klimawandel tut. Da werden sie sich auf die Umweltschutzbehörde konzentrieren und die NASA in Ruhe lassen." Zusatz: "Hoffe ich."

60 Jahre NASA (18 Bilder) [6]

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Der Eingang des Kennedy Space Centers in Florida
(Bild: Max Siegmayer, CC BY-SA 4.0 [8] )

Grundsätzlich entsprechen die Ziele einer etwaigen Space Force im wesentlichen den Zielen der Obama-Regierung, schildert Muncy: "Die führende Kraft im All zu bleiben, jederzeit eigenständig Zugang zum All zu haben, und diesen Zugang anderen verwehren zu können." Auch sonst gäbe es "keine großen Fragen, die eine wirkliche Spaltung im Land bewirken." Die grundlegende Ausrichtung der US-Raumfahrtpolitik werde sich daher nicht ändern, eventuell "mit Ausnahme der Rückkehr zum Mond."

Keine Sorgen macht sich Space-Berater Muncy um die kommerzielle Raumfahrt: "Wir sind dadurch gesegnet, dass die Branche sehr erfolgreich ist und damit junge Menschen zum Lernen inspiriert, weil sie sehen, was sich abspielt. Und generell möchten die meisten Politiker Dinge, die gut laufen, nicht vermasseln."

Dieser Artikel ist Teil einer Serie zur Lage nach den US-Wahlen. heise online trifft dazu in der US-Hauptstadt Washington DC Experten mit unterschiedlichen Einstellungen und Arbeitsgebieten. Bisher sind erschienen:

(ds [11])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-4218490

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/news/Trump-befiehlt-Einrichtung-einer-Weltraum-Kampftruppe-4084700.html
[2] https://www.heise.de/news/NASA-Marsrakete-soll-2018-erstmals-starten-2303648.html
[3] https://www.heise.de/news/Der-private-Run-ins-Weltall-SpaceX-will-Raketenstartplatz-in-Texas-bauen-2283097.html
[4] https://www.nasa.gov/news/media/trans/obama_ksc_trans.html
[5] https://www.heise.de/hintergrund/Missing-Link-60-Jahre-NASA-die-US-Raumfahrt-wird-zivil-4119948.html
[6] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4120913.html?back=4218490
[7] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4120913.html?back=4218490
[8] https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de
[9] https://www.heise.de/news/US-Wahl-Geteilter-Kongress-ist-gut-fuer-den-Datenschutz-4217228.html
[10] https://www.heise.de/news/US-Wahl-Gesetz-fuer-Netzneutralitaet-wird-schwieriger-4217541.html
[11] mailto:ds@heise.de