Aus dem Computer auf den Laufsteg

Auch beim Modedesign kommen inzwischen CAD-Programme zum Einsatz: Der französische Designer Julien Fournié gestaltet seine Kleider am Computer und bietet sie in einem virtuellen Shop an.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Bernd MĂĽller
  • Philip Steffan

Durchsichtiger Chiffon, Strass und Neopren: Die Entwürfe des französischen Haute-Couture-Designers Julien Fournié mit ihrem extravaganten Materialmix sind nicht jedermanns Geschmack – doch die Art und Weise, wie der Gaultier-Schüler seine Kleidungsstücke entwirft, dürfte in der Branche Schule machen. Wie bisher zeichnet der Designer seine Entwürfe mit einem Stift, aber nicht auf Papier, sondern auf einem großen Touchscreen. Das neue Modul Natural Sketch im CAD-Programm Catia von Dassault Systèmes setzt den Entwurf blitzschnell in ein dreidimensionales Modell um und errechnet daraus den Schnitt der Stoffe.

Der Clou: Fournié kann die Maße seiner Lieblingsmodels speichern und ihnen neue Kreationen virtuell auf den Leib schneidern. Auf einer Presseshow in Frankfurt am Main zeigte er einige Kreationen und erläuterte den digitalen Entwurfsprozess. Die Dassault-Software macht den Faltenwurf sichtbar und meldet, wenn die Passform nicht stimmt, etwa wenn beim Gehen unschöne Wülste entstehen. Wenn Fournié auf Reisen ist, schickt er seine Entwürfe an seine Directrice nach Paris, bei seiner Rückkehr ist das Kleidungsstück dann schon fertig. "3D hilft, die Ideen im Kopf eines Designers schneller wahr werden zu lassen“, sagt der Couturier.

Virtuelle Schneiderpuppen mit Entwürfen von Julien Fournié

(Bild: Dassault Systèmes)

Für Fournié und die Designer Francois Quentin (Uhren) und Jonathan Riss (Accessiores) hat Dassault Systèmes das Fashion Lab gegründet. Dort sollen Experten für 3D-Software Modeschöpfern helfen, ihre Kreationen schneller umzusetzen. Das betrifft die komplette Lieferkette: So können Shopbetreiber die Platzierung der Kleidungsstücke in den Regalen vorher virtuell ausprobieren und dies mit Verhaltensstudien etwa über die Blickrichtung der Kunden und ihre Einkäufe anhand der Kassendaten verknüpfen. Mehr noch: Der Modekonzern s.Oliver korreliert solche Daten mit der Wettervorhersage und passt seine Lieferkette binnen Stunden an. An kalten Tagen liegen dann mehr warme Pullis in den Regalen.

Für Julien Fournié ist das erst der Anfang. Künftig werde man im Internet Kleidung kaufen, die noch gar nicht produziert wurde. Wie so etwas gehen könnte, zeigt er in seinem virtuellen Shop. Kunden können sich dort mit dem Designer treffen und vor einem "magischen Spiegel" neue Kreationen anprobieren, eines Tages sogar mit den eigenen Körpermaßen, die man hochladen kann. Erst wenn das Kleidungsstück gefällt, werden die Maße an die Fabrik übermittelt und das digitale Stück in Stoff übersetzt.

Dassault Systèmes ist für das CAD-Programm Catia oder Software wie Enovia oder Simulia fürs Product Lifecycle Management bekannt. Doch die Franzosen wollen ungern als Software-Unternehmen wahrgenommen werden und bezeichnen sich selbst als "3D-Experience-Company". Das Fashion-Lab ist für sie ein Beispiel, wie das 3D-Erlebnis weitere Branchen umkrempeln soll. Auch die Endkunden hat der Entwickler dabei im Blick: In Zukunft soll jeder sein eigener Designer sein und zum Beispiel auf dem iPad via Internet gemeinsam mit anderen Nutzern Produkte entwerfen können. (phs)