Australische Internet-Sperrliste in der Debatte

Eine von Wikileaks veröffentlichte australische Blacklist mit rund 2400 aufgeführten Internet-Angeboten hat die Debatte über Sinn und Unsinn von Webseiten-Sperren neu entfacht. Denn verzeichnet sind darin auch offensichtlich legale Angebote.

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Von
  • Detlef Borchers

Eine von Wikileaks veröffentlichte australische Blacklist mit rund 2400 aufgeführten Webseiten hat die Debatte über Sinn und Unsinn der Sperrtechnik neu entfacht. Gegner der hierzulande unter anderem von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) befürworteten Sperre problematischer Inhalte sehen sich darin bestätigt, dass eine solche Liste unbescholtene Angebote treffen kann. Befürworter der Sperrlistentechnik bewerten die veröffentlichte Sperrliste hingegen als Teil einer gezielten Desinformationskampagne.

Hintergrund des australischen Informationslecks ist eine politische Debatte, ob in Down Under ein System eingeführt werden soll, mit dem sich der Zugriff auf kinderpornographische Angebote verhindern lässt. Die entsprechende Liste mit offiziell angegebenen 1061 Adressen wird seit einiger Zeit von der Aufsichtsbehörde Australian Communications and Media Authority (ACMA) geführt. In einer ersten Stellungnahme hat die ACMA die von Wikileaks veröffentlichte Liste als Fälschung bezeichnet. Auch der australische Kommunikationsminister Stephen Conroy hat die Liste als "grob irreführend" kommentiert. Dessen ungeachtet kündigte er gegenüber dem Sidney Morning Herald die Einleitung einer strafrechtlichen Untersuchung an, weil die Veröffentlichung einer solchen Liste generell ein krimineller Akt sei.

Eine erste Analyse der von Wikileaks veröffentlichten Liste deutscher Angeboten enthüllt eine wirre Mischung von Webseiten mit allgemeinen pornographischen Inhalten, Glücksspielangeboten wie Online Poker, nicht mehr gepflegte Angebote wie Untersuchungen zur Gewalt oder offenbar aufgegebene Domains wie beispielsweise das deutsche Angebot Medical System. Was Kinderpornographie genannt werden kann, siedelt sich in einer Grauzone an, in der sogenannte Teen-Bilder und Inzest-Comics die Mehrheit der Angebote stellen. In dieser Hinsicht kann die Liste nicht überzeugen, als dass mit der Sperre von Angeboten tatsächlich der Markt für harte kinderpornographische Angebote ausgetrocknet werden könnte, wie dies die erklärte Absicht der Bundesfamilienministerin ist.

Die Liste enthält aber auch Adressen, die sich kritisch mit Zensurbestrebungen auseinandersetzen. Als halbwegs jugendfreies Beispiel sei eine Wikipedia-Adresse genannt, die die Zensurfreiheit der Wikipedia thematisiert. Kritiker der Sperrtechnik bemängeln seit langem, dass die Technik auch dazu benutzt werden könnte, zwar legale aber irgendwelchen Interessengruppen nicht genehme Positionen zu unterdrücken.

Auch in Australien wird die Liste kontrovers diskutiert. Publik wurde der Fall eines australischen Zahnarztes, der mit seiner Web-Präsenz dafür warb, besonders auf die Behandlung von Kindern spezialisiert zu sein. Seine Werbung wurde vor einigen Jahren von russischen Hackern verwüstet und mit Pornographie verunziert. Auch eine australische Web-Präsenz, die Schulkantinen dabei beraten soll, gesundes Essen für Schüler anzubieten, fällt unter die Liste gesperrter Adressen. In Australien wird darüber spekuliert, ob die Wikileaks-Veröffentlichung ein weiteres Detail im Hickhack zwischen Regierung und dem Internet-Provider Telstra ist, der von einer öffentlichen Ausschreibung ausgeschlossen wurde. Telstra gehört zu den Firmen, die sich gegen die Sperrlistentechnik ausgesprochen haben. Vor wenigen Tagen flog ein Telstra-Mitarbeiter auf, der sich auf Twitter als Kommunikationsminister Conroy ausgegeben hatte. (Detlef Borchers) / (pmz)