Ausverkauf bei Brokat -- eine Erfolgsgeschichte ohne Happy End

Sieben Jahre nach der Gründung kündigte das Software-Unternehmen, das in seiner Höchstzeit mehr als 1400 Mitarbeiter beschäftigte, die Aufspaltung an.

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Von
  • Alexander Missal
  • dpa

Michael Janßen war von Anfang an dabei. Gemeinsam mit ein paar Freunden von der Universität Tübingen hatte der Blondschopf 1994 die Brokat Informationssysteme GmbH gegründet. Genau sieben Jahre später kündigte das Software-Unternehmen, das in seiner Höchstzeit mehr als 1400 Mitarbeiter beschäftigte, seine Aufspaltung in einzelne Sparten an. Als Finanzvorstand gilt Michael Janßen als der Hauptverantwortliche für das Desaster bei Brokat. Das Unternehmen scheiterte nicht, weil sein Produkt bei den Kunden nicht ankam. Die rasche Expansion hatte ein zu tiefes Loch in die Kasse gerissen, das auch Janßen nicht mehr rechtzeitig stopfen konnte.

Telekom-Konzerne und Großbanken weltweit nutzen Brokat-Software für das elektronische Bezahlen im Internet und per Mobiltelefon. Die Orientierung an den Medien der Zukunft, der jugendliche Charme seiner Vorstandsmitglieder und der Glaube an eine neue Unternehmenskultur hatte Brokat zu einem der Stars der New Economy in Deutschland gemacht. Bei einem Treffen mit anderen Wirtschaftsbossen im Schwarzwald hatte der 1965 geborene Brokat-Chef Stefan Röver seine meist schon ergrauten Kollegen einmal mit der Aussage geschockt, selbst der Hausmeister bei Brokat könne ein Jahresgehalt von mehreren hunderttausend Mark verdienen.

Ein Jahr später spotteten die Industrie-Barone an gleicher Stelle während eines Gourmet-Dinners schadenfroh über den abwesenden Röver. Die Aktienoptionen des Brokat-Hausmeisters, auf die der Manager angespielt hatte, waren fast nichts mehr wert: Der Kurs der Aktie fiel von Höhen um 200 Euro ins Bodenlose. "Null Euro" gab ein Analyst kurz vor der Hauptversammlung im Juni als Kursziel an und hielt damit den Aktionären die drohende Pleite vor Augen.

Was war geschehen? Aggressiv hatte Brokat sein weltweites Wachstum vorangetrieben und hohe Risiken dabei bewusst in Kauf genommen. Im März 2000, als noch alles nach Plan lief, brachte das Unternehmen eine Anleihe heraus, die mit stattlichen 11,5 Prozent verzinst wurde. In den USA kaufte Brokat durch Ausgabe eigener Aktien zwei Mal teuer ein. Doch die ins Stocken geratene Konjunktur ließ die ehrgeizigen Umsatzziele in weite Ferne rücken. Gleichzeitig mussten die neu erworbenen Unternehmen integriert werden - ein teurer Prozess. Als neues Logo wählte die Software-Schmiede schließlich eine Pusteblume.

Spät erkannte der 35-jährige Janßen, dass das Geld bei Brokat knapp wurde. Das Unternehmen trat auf die Kostenbremse und entließ ein Fünftel seiner Mitarbeiter. Die Übernahmen in den USA waren nicht mehr zu bewältigen und wurden wieder verkauft; Sonderabschreibungen auf ihre Werte hatten bei Brokat einen der höchsten Quartalsverluste in der Geschichte des Neuen Marktes verursacht – 824 Millionen Euro. Auch potenzielle Kunden ahnten, dass es mit Brokat zu Ende ging. Die Umsätze brachen ein. Fieberhaft suchte das Unternehmen nach einem Investor.

Janßen, der Hobby-Schwimmer, blieb. Er ist kein eingekaufter Investment-Banker wie viele der Finanzvorstände am Neuen Markt. Er hatte Brokat mitgegründet und sich einem offenen Umgang mit den Zahlen verschrieben. "Ich bin kein typischer Buchhalter", meinte Janßen im Herbst vergangenen Jahres. Als er merkte, dass die eigene Kompetenz allein wohl nicht mehr ausreichen würde, bewies Janßen Mut und bat öffentlich den bekannten Insolvenzverwalter Dirk Pfeil um Hilfe. Nach dem angekündigten Weggang von Röver soll der Manager nun den zurechtgestutzten Rest von Brokat leiten. Er fängt also nochmal von vorn an. (Alexander Missal, dpa) / (jk)