Scheinselbständigkeit: Freelancer flüchten ins Ausland vor deutscher Bürokratie

Freelancer empfinden laut einer Umfrage die Bürokratie in Deutschland als größten Hemmschuh. Nicht wenige würden über Auswanderung nachdenken.

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Frau tippt auf Laptop

(Bild: Olesya Kuznetsova/Shutterstock.com)

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Bürokratische Vorschriften wie zur Scheinselbständigkeit, aber auch eine hohe Steuerlast treiben laut einer Umfrage des Portals Freelancermap Freiberufler zunehmend dazu, Deutschland den Rücken zu kehren. 10 Prozent der befragten Freelancer sind demnach bereits aus Deutschland ausgewandert. 54 Prozent würden es zumindest in Betracht ziehen und 14 Prozent seien bereits in konkreten Vorbereitung für die Auswanderung. Lediglich für 22 Prozent komme es gar nicht in Frage, Deutschland zu verlassen. Befragt wurden laut Freelancermap über 500 Freiberufler aus unterschiedlichen Branchen.

Die Befragten beklagten laut der Mitteilung Gängelei und Überregulierung. Länder wie etwa Portugal böten bessere Perspektiven, darunter weniger Stress mit den sozialen Sicherungssystemen und niedrigere Steuern. Auch in einer vom April stammenden Studie von Freelancermap hätten sich die Freiberufler vom deutschen Staat bereits vor allem die Reduzierung der Bürokratie (69 Prozent) und die Abschaffung des Rechtsstatus der Scheinselbständigkeit (61 Prozent) gewünscht.

"Besonders die geringe Rechtssicherheit mindert die Bereitschaft vieler Unternehmen, trotz ihres akuten Bedarfs mit Freelancern zusammenzuarbeiten", kommentierte Freelancermap-Chef Thomas Maas das Ergebnis. "Zu groß ist die Angst, nach einer Betriebsprüfung rückwirkend für mehrere Jahre Sozialabgaben nachzahlen zu müssen." Laut Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Gründer und Selbständigen Deutschland, ist das insbesondere für IT-Freelancer problematisch. Lutz zufolge hat sich das Auftragsangebot für IT-Freelancer in den letzten Jahren halbiert: „So werden Aufträge beendet und an Selbständige im Ausland vergeben.“

Eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) vom Juni hatte zuvor schon ein ähnliches Stimmungsbild gezeigt: 35 Prozent der befragten Freiberufler würden erwägen, ins Ausland zu ziehen, und 27 Prozent zögen eine Beendigung ihrer Selbständigkeit in Betracht. Überdurchschnittlich oft seien es jüngere, gut ausgebildete Selbstständige mit hohen Gewinnen gewesen, viele davon IT-Freelancer, die über solche drastischen Schritte nachdächten.

Besonders eine bürokratische Hürde sei für den Weggang aus Deutschland ausschlaggebend: das sogenannte Statusfeststellungsverfahren. Mit diesem Verfahren prüft die Deutsche Rentenversicherung, ob in einem Beschäftigungsverhältnis Scheinselbständigkeit vorliegt oder nicht. Eine Reform im Jahr 2022 sollte das Verfahren eigentlich vereinfachen, Kritiker verweisen jedoch auf anhaltende Rechtsunsicherheiten sowie auf mangelnden Bezug zur Arbeitsrealität, insbesondere bei IT-Freelancern.

Fast 60 Prozent der vom IW befragten Selbstständigen, die ein Statusfeststellungsverfahren durchlaufen haben, hätten angegeben, dass sie wesentlich mehr Aufwand betreiben müssten, um neue Aufträge einzuholen. Rund ein Drittel habe sogar deswegen Aufträge verloren. 58 Prozent habe sich mit dem Verfahren überfordert gefühlt.

Update

Formulierung zum Zweck des Statusfeststellungsverfahrens wurde präzisiert.

(axk)