BGH entscheidet im Juli zu Anonymität im Netz

Muss ein Internet-Anbieter bei falschen Behauptungen die Identität eines Nutzers preisgeben? Diese Frage prüft der BGH. Die Entscheidung in einem Rechtsstreit zwischen einem Arzt und dem Bewertungsportal Sanego kommt voraussichtlich am 1. Juli.

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  • dpa

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat am Dienstag über die Grenzen der Anonymität im Internet beraten. In dem Fall vor dem VI. Zivilsenat (Az. VI ZR 345/13) wehrt sich das Bewertungsportal Sanego aus Hessen gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart, Namen und Anschrift eines Nutzers zu nennen, der falsche Tatsachen über einen Arzt aus Schwäbisch-Gmünd verbreitet hat. Bei Sanego können Patienten anonyme Beiträge veröffentlichen, die anderen bei der Arztwahl helfen sollen. Eine Entscheidung soll am 1. Juli verkündet werden.

Der Mediziner sieht sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. "Es darf nicht sein, dass jemand derartige Vorwürfe erhebt, ohne seine Identität preiszugeben", sagte der niedergelassene Mediziner der dpa. Die strittige Bewertung habe "unwahre und damit im Grundsatz unzulässige Tatsachenbehauptungen" enthalten, sagte der Vorsitzende Richter Gregor Galke – etwa, dass der Patient drei Stunden im Wartezimmer gesessen habe und dass Patientenakten in Wäschekörben aufbewahrt worden seien. Der Richter stellte die Frage: Greift der Schutz der Anonymität auch dann, wenn der Nutzer das Portal verwendet, "um in Grundrechte anderer einzugreifen"?

Der Arzt leitet seinen Anspruch auf Auskunft vor allem aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ab, wie Rechtsanwalt Matthias Siegmann ausführte. Mit der Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen habe der Nutzer den Internet-Dienst missbraucht. Dies dürfe nicht unter den im Telemediengesetz verankerten Schutz der Anonymität fallen. Dieses Gesetz aus dem Jahr 2007 sieht vor, dass Internet-Dienste wie Bewertungsportale oder auch Diskussionsforen eine Nutzung mit Pseudonym oder ganz anonym ermöglichen müssen.

"Der Betroffene ist nicht schutzlos", sagte allerdings Richterin Vera von Pentz während der Verhandlung. "An den Täter kommt er dadurch heran, dass er Strafanzeige stellt." Im Kern des Streits geht es somit vor allem darum, ob es auch einen einfachen zivilrechtlichen Anspruch auf Auskunft gibt, auch ohne eine Strafanzeige.

In den beiden Stuttgarter Vorinstanzen hatte der Arzt weitgehend Recht bekommen. Daraufhin legte Sanego in der Frage des Auskunftsanspruchs Revision ein.

Für Sanego mit Sitz in Dreieich bei Frankfurt sagte Rechtsanwalt Thomas von Plehwe, der Auskunftsanspruch sei nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe mit dem Telemediengesetz eine eindeutige Norm geschaffen und Ausnahmen eng abgesteckt. Die Anonymität im Netz sei von hoher politischer Bedeutung, sagte der Mainzer Rechtsanwalt Jens Gmerek, der Sanego bei den Verfahren in Stuttgart vertreten hatte. "Wenn wir anfangen, diese aufzuweichen, dann entfernen wir uns vom Rechtsstaat." (anw)