BVG testet Erkennungssystem fĂĽr U-Bahn-Auslastung
Fahrgäste sollen durch Leuchtanzeiger besser erkennen können, in welchen Wagen des nächsten Zuges noch Platz ist. Videokameras sind dafür aufgerüstet worden.
- Stefan Krempl
- Simon Koenigsdorff
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wollen ein schnelleres und zielgerichtetes Einsteigen in U-Bahnzüge erlauben. Dafür testet das Unternehmen vom heutigen Mittwoch an in der "Kanzler-U-Bahn" U55 zwischen Hauptbahnhof und Brandenburger Tor ein System, das die Auslastung einzelner Waggons erkennen und grafisch darstellen soll. Fahrgäste sehen an Leuchtanzeigern auf dem Zwischenhalt Bundestag, welche Wagen eines einfahrenden Zuges bereits voll sind und wo es noch Platz gibt, und können sich so die entsprechende Position am Bahnsteig suchen.
In drei der vier auf der U55 eingesetzten Doppeltriebwagen startet nun ein Probebetrieb, der zunächst auf drei Monate angesetzt ist.Dafür werden die bereits vorhandenen 360-Grad-Videokameras im Innenraum mit einer zusätzlichen Software ausgestattet. Diese soll erkennen, wie viele Passagiere sich in jedem einzelnen Wagen befinden. Diese Information sendet der Zug direkt an ein neues Displaysystem im nächsten Bahnhof, in diesem Fall zur Station Bundestag. Für jeden Wagen gibt es dort eine Anzeige mit drei stilisierten Personen, von denen je nach Auslastung vor Einfahrt des Zuges eine, zwei oder drei aufleuchten.
Ein BVG-Sprecher erklärte gegenüber heise online, dass das Programm von einem externen Dienstleister stamme. Es sei nur auf Umrisse von Personen oder Gegenständen ausgerichtet und könne zwischen diesen Objektklassen unterscheiden. Eine biometrische Gesichtserkennung werde nicht durchgeführt. Eine Videoaufzeichnung finde generell in fast allen Bussen und Bahnen der Verkehrsbetriebe statt. Die anfallenden Daten würden 48 Stunden lang verschlüsselt gespeichert und danach automatisch überschrieben, falls innerhalb dieses Zeitraums nicht die Polizei oder Staatsanwaltschaft Aufnahmen anforderten.
Datenschutzbehörde gibt grünes Licht
Die BVG hat dem Sprecher zufolge die Berliner Datenschutzbehörde in den Test für das Erkennungssystem eingebunden. Von dort seien keine Bedenken dagegen laut geworden. Man fange bewusst "ganz klein" an, um der Technik auf den Zahn fühlen zu können und eine kostspielige Aufrüstung der Kameras in vielen Zügen zunächst zu vermeiden.
"Sicher ist die U55 nicht die Linie, auf der es üblicherweise Platzprobleme gibt", räumte Nicole Grummini ein, Bereichsleiterin U-Bahn bei der BVG. "Auf dieser kurzen Strecke mit den wenigen eingesetzten Wagen haben wir aber die Möglichkeit, dieses neue System technisch mit sehr geringem Aufwand zu testen. Wir wollen hier in erster Linie erproben, wie zuverlässig die Komponenten im Zug und im Bahnhof miteinander kommunizieren." Erweise sich der Probetrieb als erfolgreich, werde ein erweiterter Einsatz des Systems geprüft.
Bei Nutzern kommt das Vorhaben, das heute Abend oder spätestens am Donnerstag für die Fahrgäste erkennbar sein soll, bislang nicht sonderlich gut an. "Die BVG sollte lieber mehr in Sauberkeit und Sicherheit von Bahnhöfen und Fahrzeugen investieren, als Millionen für technische Spielereien (WLAN, Warnung vor vollen Abteilen) zu verballern", heißt es etwa in Online-Foren. Die U55 sei zudem die denkbar ungeeignetste Linie für den Testlauf, da dort immer nur "Alle Wagen frei" signalisiert werden könne. Die Rede ist auch von einem "netten", aber "eigentlich unnötigen" Gimmick. (siko)