Balticconnector: Gaspipeline zwischen Finnland und Estland schwer beschädigt

Der Vorfall erinnert an die Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2: Eine Rohrleitung am Meeresboden vor Finnland wurde schwer beschädigt.

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Bau der Pipeline Balticconnector

Dieses Foto entstand beim Bau der Pipeline Balticconnector, die Anfang 2020 in Betrieb genommen wurde. Teile der Leitung verlaufen in Finnland und Estland auch an Land.

(Bild: Elering / Bildschirmfoto aus einem YouTube-Video)

Lesezeit: 3 Min.

Zwischen Estland und Finnland ist eine auf dem Meeresboden verlaufende Erdgaspipeline schwer beschädigt worden. Nach ersten Ermittlungen der finnischen Kriminalpolizei wurden die Balticconnector genannte Transportleitung und ein daneben verlaufendes Telekommunikationskabel am frühen Sonntagmorgen offenbar durch "einen externen Akteur" zerstört. Ob mutwillig oder nicht, ist Gegenstand der Ermittlungen. Bislang halten sich beide Länder bedeckt. Die Gasleitung wird als kritische Infrastruktur eingestuft. Finnland muss im Winter ohne Gas aus dem Baltikum auskommen.

Der Vorfall erinnert an die Ereignisse um die Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 zwischen Russland und Deutschland. Auch dort kam es seinerzeit zu einem erheblichen Druckabfall und unterirdischen Erschütterungen, die von Erdbebenwarten registriert wurden. Die Explosionen im September 2022 waren jedoch deutlich stärker: Damals wurden Erschütterungen bis zu 2,3 auf der Richterskala gemessen. Im Fall der Leitung zwischen Finnland und Estland stellte das norwegische Forschungsinstitut Norsar Erschütterungen mit einer Stärke von 1,0 fest – eine Intensität, die laut Experten von 100 Kilogramm TNT ausgelöst werden könnte.

Laut der finnischen Tageszeitung Helsingin Sanomat ermittelt die Kriminalpolizei wegen des Verdachts auf schweren Vandalismus. Die Ermittlungen werden auch von der NATO aufmerksam verfolgt: Seit April ist Finnland offiziell Mitglied des Militärbündnisses. In Finnland wird bereits spekuliert, ob es sich um einen russischen Sabotageakt handeln könnte, obwohl auch nicht auszuschließen ist, dass es sich um einen Unfall handeln könnte. Ähnlich wie bei Nord Stream wird öffentlich bereits über verdächtige Schiffsbewegungen in der finnischen Wirtschaftszone diskutiert.

Die Pipeline wird von der finnischen Gasgrid Finland und der estnischen Elering betrieben. Sie transportiert Gas, das zuvor als Flüssigerdgas in Estland angelandet wurde, nach Finnland. Abnehmer sind dort vor allem die Industrie, die Schifffahrt und der Schwerlastverkehr. Für Heizzwecke spielt Erdgas in Finnland eine untergeordnete Rolle. Der Anteil von Erdgas am Gesamtenergieverbrauch beträgt laut Medienberichten lediglich fünf Prozent.

Der Balticconnector, der an Land und auf einer Länge von 77 Kilometern im Meer verläuft, wurde erst Anfang 2020 in Betrieb genommen, als Finnland seinen vorher isolierten Gasmarkt für den Wettbewerb öffnete. Die Leitung hat eine Transportkapazität von 7,2 Millionen Kubikmetern Gas pro Tag. Der Bau kostete 250 Millionen Euro und wurde zu 75 Prozent von der Europäischen Union finanziert. Die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Pipeline kreuzt die stillgelegten Pipelines Nord Stream 1 und 2, die von Russland aus in Ost-West-Richtung verlaufen. Finnland rechnet derzeit mit einer Reparaturdauer von fünf Monaten bis April 2024.

Obwohl die Infrastruktur als kritisch eingestuft wird, erwartet Finnland keine Probleme bei der Gasversorgung und der Telekommunikation. Finnland hat die Möglichkeit, über ein Terminal selbst LNG zu importieren. Der Import von russischem Erdgas wurde im Frühjahr 2022 eingestellt.

(mki)