"Baum des Lebens" komplett: 2,2 Millionen Spezies auf einen Blick

Seit neun Jahren arbeiten britische Forscher an einer Visualisierung der Beziehung aller gegenwärtigen Spezies zueinander. Nun ist ihr "Tree of Life" fertig.

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Ein vor mehr als neun Jahren vorgestellter online abrufbarer "Baum des Lebens" umfasst nun mehr als 2,2 Millionen auf der Erde lebende – beziehungsweise erst vor Kurzem ausgestorbene – Spezies und ist damit "komplett". Der interaktive Überblick ist unter OneZoom.org einsehbar und kann stufenlos vergrößert werden. Zu erkunden sind auf einem scheinbar endlosen Baum alle bekannten Arten von Lebewesen und ihr Verhältnis zueinander, also etwa, wann der letzte gemeinsame Vorfahr gelebt hat. Die für das Projekt verantwortlichen Biologen sprechen vom "Google Earth der Biologie". Für 85.000 Spezies ist in dem Projekt ein Bild hinterlegt, für viele ist außerdem angegeben, wie gefährdet sie sind.

Auf dem schier endlosen Baum unter OneZoom.org werden alle bekannten Spezies durch ein Blatt symbolisiert. Das ist grün, wenn die Art nicht gefährdet ist, rot steht für gefährdet und schwarz für "kürzlich ausgestorben". Die meisten der Blätter sind jedoch grau, weil es keine Einstufung gibt. Der "Tree of Life" kann einfach per Zoom und Klick (beziehungsweise mobil per Touch) erkundet werden, es gibt aber auch ein Suchfeld, um direkt zu einer bestimmten Spezies zu springen. Dabei wird standardmäßig die Browser-Sprache benutzt, es werden also auch deutsche Namen erkannt. Zusätzlich können auch mehrere Arten gesucht und deren Verbindung angezeigt werden. So erfährt man etwa, dass der letzte gemeinsame Vorfahr der Menschen und der Stiel-Eiche vor 2,15 Milliarden Jahre gelebt haben. Unser Urahn mit den Löwen war dagegen vor 85 Millionen Jahren Zeitgenosse der Dinosaurier.

Für die Fertigstellung des seit 2012 verfügbaren Projekts – damals lediglich mit 5000 Säugetierarten – haben James Rosindell vom Imperial College London und Yan Wong von der Universität Oxford neue Algorithmen entwickelt und Big Data aus verschiedenen Quellen einbezogen. All das per Hand zusammenzutragen, wäre unmöglich gewesen, erklären sie. Das Ergebnis zeige nun unter anderem auch, wie viel "noch zu tun ist", meint Wong. Einbezogen haben sie auch eine Angabe zur "Popularität" einzelner Spezies auf der englischsprachigen Wikipedia, also welche Seiten dort am häufigsten angesehen wurden. Unter den Säugetieren ist demnach der Mensch – wenig überraschend – ganz vorne, immer wieder sei er aber vom Wolf, der Spezies, zu der auch Hunde gehören, verdrängt worden. Für die Hauskatze reichte es dagegen nur zu Platz 12. Bei den Pflanzen führt demnach Hanf vor dem Gemüsekohl.

Die beiden Forscher hoffen nun, dass der fertige Baum des Lebens etwa in Museen oder Zoos einbezogen wird, um die immense Vielfalt des Lebens auch dort zu visualisieren, wo die Artenvielfalt zumindest in Teilen direkt vorgestellt wird. Mit einer eigenen Stiftung wollen sie außerdem die Öffentlichkeit über Evolution, Biodiversität und den Artenschutz informieren. Zur finanziellen Unterstützung können die einzelnen Blätter "adoptiert" werden. Den aktuellen Stand des Projekts haben sie im Fachmagazin Methods in Ecology and Evolution vorgestellt.

(mho)