Bedenken gegen Chipfabrik-Ausschuss

Die wirtschaftspolitischen Sprecher der brandenburgischen Koalitionsfraktionen SPD und CDU meinen, es sei illusorisch, das Scheitern des Milliarden-Vorhabens bis zur Landtagswahl im September 2004 aufzuklären.

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  • dpa

Im brandenburgischen Landtag wachsen die Vorbehalte gegen den geplanten Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Chipfabrik-Desasters. Die wirtschaftspolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen SPD und CDU, Heiko Müller und Christian Ehler, haben heute gefordert, auf die Einsetzung eines solchen Gremiums zu verzichten. Es sei völlig illusorisch, die die Aufklärung des Scheiterns des Milliarden-Vorhabens in Frankfurt (Oder) von einem solchen Ausschuss zu erwarten. Die Zeit bis zur Landtagswahl im September 2004 sei dafür viel zu kurz.

Für die Tätigkeit des Ausschusses stünden lediglich acht Monate zur Verfügung, sagten beide Experten. Dagegen habe der Flughafen-Untersuchungsausschuss des Landtags drei Jahre gearbeitet. Im derzeitigen U-Ausschuss zur Millionen-Pleite der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) seien die ersten Zeugen erst nach über einem Jahr vernommen worden.

Die SPD-Fraktion hatte am Dienstag mit großer Mehrheit die Einsetzung des Ausschusses beschlossen. Der Koalitionspartner CDU war davon zwar überrascht, stimmte aber zu. Die PDS-Opposition hat einen eigenen Antrag für die Einsetzung des Chipfabrik-Ausschusses in den Landtag eingebracht. Es gebe keinen Grund, ihn zurückzuziehen, sagte Fraktionssprecherin Alrun Nüßlein. Die PDS kann den Ausschuss auch ohne Unterstützung der Koalition durchsetzen. Die Bedingungen dafür sind erfüllt.

Unstrittig sei, dass die Gründe für das Scheitern des Projekts geklärt werden müssten, betonten Müller und Ehler. Als Alternative zum Untersuchungsausschuss nannten sie eine Große Anfrage an die Landesregierung und griffen einen Vorschlag der PDS auf. Außerdem solle sich der Wirtschaftsausschuss des Landtages eingehend mit dem gescheiterten High-Tech-Projekt beschäftigen und noch vor der Landtagswahl einen Bericht vorlegen. Das seien realistische Maßnahmen, die in absehbarer Zeit zu Ergebnissen führen.

Für die 130 Lehrlinge des 1,3 Milliarden Euro teuren Projekts gibt es Hoffnung. Nach der Handwerkskammer Frankfurt (Oder) erklärte sich auch die Handwerkskammer Potsdam bereit, 16 junge Leute zu Elektrotechnikern oder Mechatronikern auszubilden. Allerdings müsse die Finanzierung geklärt werden, sagte Hauptgeschäftsführer Wolfgang König heute.

Wegen offener Finanzfragen hatte die Chipfabrik-Betreiberin Communicant AG, deren Gesellschafter auch das Emirat Dubai und der US-Konzern Intel sind, vor einer Woche die stille Liquidation eingeleitet. Die beiden Rohbauten werden bis zum Jahresende fertig gestellt.

Das gescheiterte Vorhaben habe einen großen Image-Schaden für das Land verursacht, sagte Joachim Linstedt, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Cottbus. Auch die Brandenburgische Technische Universität Cottbus sei mit Projekten an der geplanten Fabrik beteiligt gewesen und müsse nun die negativen Auswirkungen des Scheiterns mittragen. "Für Investoren ist es jetzt schwieriger geworden, Großprojekte in Brandenburg zu entwickeln." (dpa) / (anw)