Bei Anruf Arzt: Wie Videosprechstunden praktisch ablaufen

Seite 2: Schwierige Einschätzungen per Video

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Jens Wagenknecht hat die Erfahrung gemacht, dass sich nicht alles über Video sicher abklären lässt. Bei einfachen Fragen, zum Beispiel zu Hautveränderungen, die im Pflegeheim auftreten, könnten Diagnose und Behandlung schnell während der Videosprechstunde erfolgen.

Schwierigkeiten bereitet dagegen, dass der Arzt seinen Patienten nicht körperlich untersuchen kann. "Bei einer Luftnot beispielsweise kann ich allenfalls eine Einschätzung abgeben, ob es sich um einen kritischen Gesamtzustand handelt", sagt Wagenknecht.

Während der Corona-Hochphase stellte die KBV einen sprunghaften Anstieg an Videosprechstunden und Telefon-Konsultationen fest. "Im Januar und Februar sind Anzeigen von 1700 Praxen zum Einsatz der Videosprechstunde eingegangen. Zum Ende des ersten Quartals konnten über 25.000 Praxen eine Videosprechstunde anbieten – das sind über ein Viertel aller Praxen", sagt Stahl.

Friedrich Köhler erinnert sich, dass die Akzeptanz unserer Patienten und Medizinerkollegen riesig gewesen sei. Seine Patienten haben teilweise an schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen gelitten.

Seit Mitte März, als Corona-bedingt Eingriffe – zum Beispiel Herzkatheter-Untersuchungen – verschoben werden mussten, wurde die telemedizinische Betreuung und Überwachung der Patienten gestartet: "Dadurch waren wir immer auf dem neuesten Stand und konnten bei Verschlechterungen sofort eingreifen", sagt Köhler.

Jens Wagenknecht bekam während dieser Phase viele positive Rückmeldungen: "Erstaunlicherweise sind gerade ältere Patienten offen dafür gewesen und haben die Angebote gerne angenommen", erinnert sich der Hausarzt. Allerdings sei das eine oder andere Krankheitsbild auch verschleppt worden: "Die Patienten waren in Sorge, ich könnte sie ins Krankenhaus einweisen. Deswegen haben sie leider ganz auf eine Kontaktaufnahme mit der Praxis verzichtet."

Auch deswegen bemühen er und sein Team sich gerade darum, "den entstandenen Stau der notwendigen Untersuchungen und Kontrollen bei chronisch erkrankten Patienten abzubauen".

Ähnlich sieht das die KBV: War zu Zeiten der größten Beschränkungen die Videosprechstunde in bestimmten Fällen eine gute Alternative zum Praxisbesuch, sei aber auch klar: "Goldstandard in der Versorgung ist und bleibt der direkte Arzt-Patienten-Kontakt", betont Stahl und fügt an: "Das Versorgungsgeschehen ist langsam dabei, sich wieder zu normalisieren. Es kommen wieder mehr Menschen in die Praxen."

(mho)