Berlins Regierender Bürgermeister soll gegen Softwarepatente intervenieren

Magix fordert Klaus Wowereit auf, die "Münchner Linie" gegen eine breite Patentierbarkeit von Computerprogrammen zu unterstützen. Die Softwarefirma sieht andernfalls die mittelständische IT-Wirtschaft bedroht.

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Der Multimedia-Spezialist Magix möchte Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit für die Problematik der Softwarepatente sensibilisieren. In einem Brief fordert die Berliner Softwarefirma den SPD-Politiker auf, die "Münchner Linie" zu unterstützen und bei der Bundesregierung auf eine klare Positionierung gegen die Einführung einer breiten Patentierbarkeit von Computerprogrammen in der EU zu drängen. Magix-Vorstand Dieter Rein warnt in dem Schreiben, das im Lauf des Tages im Pressebereich der Firmenhomepage veröffentlicht werden soll, vor einem kompletten Kahlschlag auch unter den in Berlin besonders aktiven kleineren IT-Firmen. Sollte die Bundesregierung bei ihrer jetzigen Haltung zu Softwarepatenten bleiben und weiter der heftig umstrittenen EU-Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" in der Version des Ministerrates zum Durchbruch verhelfen, würde "mit diesen vermeintlichen Schutzrechten neben der Bekämpfung von Open Source auch die weitere Konzentration in der IT-Industrie zu Lasten von mittelständischen Unternehmen, einem gesunden Wettbewerb und Verbrauchern betrieben werden".

Magix selbst vertreibt proprietäre Programme und hat es damit nach eigenen Angaben zum europäischen Marktführer im Bereich Foto-, Video- und Audiosoftware gebracht. Dennoch hat die Firma, die ihren Hauptsitz jüngst nach Berlin verlegte, kein Interesse am staatlich gewährten Monopolschutz für ihre Erfindungen. Sie hatte bereits im vergangenen Jahr vor der Ersten Lesung der Richtlinie im Europaparlament gegen den Entwurf der EU-Kommission interveniert. "Ein gewerbliches Bedürfnis für Softwarepatente wird weder von mittelständischen Unternehmen empfunden, noch kann es von der kleinen Zahl befürwortender Großunternehmen glaubhaft gemacht werden", stellt Rein in dem Brief klar. Zusätzlich zum "anerkannten, den Besonderheiten der Branche angepassten Urheberrecht" sei kein weiteres Schutzrecht nötig.

Generell hält der Magix-Vorstand auch den Einzug von Open Source gerade in die mit leeren Kassen arbeitenden Verwaltungen für sinnvoll und legt Wowereit indirekt eine stärkere Migration auf Linux nahe: "Quelloffene Software -- zugleich preisgünstig und sicherer im Datenverkehr -- basiert auf einem Geschäftsmodell, das Investitionen für EDV-Infrastruktur auf örtlich nahe, überwiegend mittelständische Arbeitsplätze beschränkt und nicht in Form monopolisierter Lizenzen an Unternehmen aus Übersee abführt." Doch der in der EU derzeit diskutierte Richtlinienentwurf in der jetzigen, patentbejahenden Fassung bedrohe nicht nur die mittelständisch geprägte Computerindustrie allgemein, sondern schließe auch "die Nutzung quelloffener Software wirtschaftlich aus". Denn die bei derzeitigem Rechtsstand nicht einklagbaren Patentportfolios der heute marktdominanten Unternehmen würden mit Verabschiedung der Regelung operativ.

Derlei Sorgen hatten Anfang August in München zu einem "kalten Patentkrieg" rund um das weit beachtete LiMux-Projekt der bayerischen Hauptstadt geführt. Die Ausschreibungen für die Desktop-Migration auf Open Source waren zunächst gestoppt worden, bevor Münchens Oberbürgermeister Christian Ude eine Woche später unter Vorbehalt doch grünes Licht gab. Die momentane Münchener Linie verlangt nun nach Rechtssicherheit und klaren Formulierungen in der Brüsseler Richtlinie und sucht den Schulterschluss mit dem EU-Parlament, der Bundesregierung, dem Bundestag sowie andere Kommunen. Der jetzt von Magix angesprochene Wowereit wird sich frühestens Ende der Woche mit den Sorgen von IT-Firmen aus der Hauptstadt auseinandersetzen können: Gegenwärtig weilt er in Athen, um Berlin als Sportstadt zu präsentieren und für eine erneute Olympia-Bewerbung ins Spiel zu bringen.

Zum Thema Softewarepatente siehe auch:

Zum Thema Linux-Migration in München siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)