Bertelsmann zog Gewinn aus der Nazizeit (Update)

Laut der von Bertelsmann eingesetzten Historikerkommission gehörte der Medienkonzern im Dritten Reich nicht zu den Geschädigten, sondern zu den Profiteuren.

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Von
  • Maria Benning

Anders als bisher behauptet gehörte der Bertelsmann-Konzern nicht zu den Geschädigten der Nazi-Diktatur, sondern zu den Profiteuren. Das gab am Montag, 17. Januar 2000, eine von Bertelsmann selbst eingesetzte Kommission von Historikern bekannt.

Noch 1998 hatte Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff bei der Annahme einer Auszeichnung in New York erklärt, sein Konzern habe im Zweiten Weltkrieg zu den wenigen nichtjüdischen Medienbetrieben gehört, die von den Nazis auf Grund von Papiermangel geschlossen worden seien. Diese Äußerung hatte Zweifel an der Rolle des Konzerns in der Nazizeit heraufbeschworen.

Ende 1998 kündigte der Düsseldorfer Soziologe Hersch Fischler an, er werde seine kritischen Forschungen zur Geschichte des Verlags veröffentlichen. Wie c't damals berichtete, erschienen Einzelheiten aus den Recherchen Fischlers zur Verlagsgeschichte. Weitere Nachforschungen wurden in Aussicht gestellt. Erst nachdem die junge Welt sowie die Schweizer Zeitung Die Weltwoche verschiedene Forschungsergebnisse des Soziologen verbreitet hatten, kündigte Bertelsmann an, die Nachforschungen von einer unabhängigen Expertenkommission vertiefen zu lassen. Bis heute sind die Archive des Konzerns für Forschungen nicht frei zugänglich.

Nach einem Jahr Forschungstätigkeit wurden nun in München erste Ergebnisse der von Bertelsmann eingesetzten und von Saul Friedlaender angeführten Historikerkommission bekannt gegeben. Der Verlag sei nicht wegen seiner "oppositionellen Haltung" geschlossen worden, sondern wegen "unrechtmäßiger Papiereinkäufe", stellte das Untersuchungsgremium fest. Inzwischen ist bekannt, dass Bertelsmann im Zweiten Weltkrieg mehr als ein Viertel der Buchproduktion für die Wehrmacht verlegt hat. Neben dem Gütersloher Stammhaus waren im Baltikum, in Böhmen und Mähren über 100 Druckereien mit der Herstellung von Soldatenlektüre beschäftigt. Eine Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse findet sich auch auf der Homepage von Bertelsmann. (mbb)