Beschäftigtendatenschutz: Zwischen Totalüberwachung und Rechtsmissbrauch

Die Ampelkoalition hat ein neues Gesetz in Aussicht gestellt, das den Umgang mit Daten von Angestellten neu regeln soll. Doch die Hürden sind hoch.

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(Bild: Rawpixel.com / Shutterstock.com)

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Von
  • Torsten Kleinz
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Dürfen Arbeitgeber jeden Tastendruck ihrer Angestellten kontrollieren, um ihre Leistung zu messen und vermutetem Pflichtverletzungen zuvorzukommen? Oder sind die Datenschutzrechte für Arbeitnehmer ein bürokratischer Klotz am Bein von Unternehmen, mit dem gewiefte Anwälte für ihre Mandanten unbotmäßige Zahlungen herausschlagen? Bei der Tagung RDV-Forum in Köln zeigte sich am Mittwoch: Um einen für alle Seiten greifbaren Kompromiss zu finden, muss die Bundesregierung die Quadratur des Kreises schaffen.

Wie Robert Räuchle und Julian Hinkemann von der Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales versicherten, hat sie jedoch genau dies vor. Ihr Haus will in der ersten Hälfte der Legislaturperiode zusammen mit dem Bundesinnenministerium ein Gesetzentwurf vorstellen, der die bestehenden Probleme angehen und zum Beispiel den Einsatz künstlicher Intelligenz bei der Mitarbeiterbewertung endlich regeln soll. Nähere Details will das Ministerium zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht nennen.

Kein Wunder: Der Beschäftigtendatenschutz stand schon seit Mitte der 1980-er Jahre auf der Agenda verschiedener Bundesregierungen. Im Koalitionsvertrag hat die Ampelregierung einen neuen Anlauf vereinbart. Doch auch dieser ist nicht vielversprechend gestartet. Die Arbeit eines dafür geschaffenen Beirats endete im Streit: Statt eines ausführlichen Gutachtens legten die Mitglieder nur einen Kurzbericht vor.

Dieser stecke dazu noch voll Allgemeinplätzen, die juristisch nicht gehaltvoller seien als die Aufforderung, nett zu Katzen zu sein, ätzte der Arbeitsrechtler Professor Gregor Thüsing von der Universität Bonn. Ein Grund dafür, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) eine Reform will, sind die vielen neuen Möglichkeiten, die moderne Überwachungssoftware bereithält. Bei der Datenschutzfachtagung stellte die Journalistin Eva Wolfangel verschiedene Produkte vor, die für Arbeitgeber ein ausführliches Bild vom Tagesablauf ihrer Angestellten zeigen sollen.

Aktuelle Lösungen beschränken sich nicht mehr darauf, regelmäßig Screenshots von den Bildschirmen der Büroangestellten zu machen, dank automatischer Zeichenerkennung und Natural Language Processing versuchen die Lösungen auch die Arbeitsfortschritte genau zu dokumentieren, Algorithmen suchten ständig nach Abweichungen. Wenn ein Arbeitnehmer für Aufgaben zu lange benötige oder ungewöhnliche Aktivitäten zeige, wird dies auf den Dashboards für Manager vermerkt, ebenso wie Score-Werte blank für jeden Arbeitnehmer.

Die Hersteller solcher Lösungen haben dabei die bei Einführung vorgestellten Ziele aus den Augen verloren, argumentierte Wolfangel. Zwar gebe es berechtigte Interessen der Unternehmen, wie zum Beispiel die Vermeidung von Geldwäsche oder Datendiebstählen durch gekündigte Mitarbeiter. "Es ist aber für eine gute Cybersicherheit nicht nötig, alle Mitarbeiter ständig zu überwachen", sagte die Journalistin auf der Datenschutzfachtagung.

Durch den Einsatz invasiver Techniken würden Angestellte in ihrem Freiraum beschnitten, was sich letztlich auch auf ihre Produktivität niederschlage. Allerdings hatte sie recherchiert, dass die Lösungen offenbar in Deutschland weniger breit eingesetzt werden, als dies von den Herstellern behauptet wird.

Aus Sicht der Arbeitgeber sind die Rechte der Arbeitnehmer hingegen oft ein Ärgernis. So berichtete Rechtsanwalt Christian Kuß davon, dass mittlerweile ausgiebige Auskunftsansprüche der Arbeitnehmer zur üblichen Prozessstrategie in Arbeitsstreitigkeiten gehören. Zwar hat die Datenschutz-Grundverordnung einen Ausnahmetatbestand in Artikel 88, der den Mitgliedsstaaten erlaubt, nationale Regelungen zu schaffen. Doch in der Praxis hat das in Deutschland nicht zu großer Rechtssicherheit geführt.

Es ist zwar unstreitig, dass Angestellte Auskunftsansprüche haben. Aber es ist nicht einmal klar, ob dieser alle Dokumente umfasst, in denen persönliche Daten genannt sind oder nur die genannten Daten selbst. Folge sei, dass Arbeitsrechtsanwälte inzwischen routinemäßig große Mengen an Daten von den Firmen anforderten, die ihnen erlaubten, weitere Klagen zu unterfüttern, berichtete der Anwalt. Dadurch werde der Beibringungsgrundsatz unterlaufen, nachdem Kläger ihre Vorwürfe vor Klageerhebung erst belegen müssten. Immerhin sprächen Arbeitsgerichte den Klägern keine hohen Entschädigungen zu, wenn die Auskunftsansprüche nicht nach deren Wünschen erfüllt würden. "Die Ausübung der Betroffenenrechte aus zweckfremden Motiven ist zwar ärgerlich, aber wohl zulässig", erklärte Kuß.

Die Arbeitgeber wollen aber lieber mit diesen wahrgenommenen Mängeln leben, als einen kompletten Neustart zu riskieren. "Wir halten es nicht für notwendig, ein solches Gesetz zu schaffen", erklärte Roland Wolf von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Denn die Firmen fürchten, dass ihnen noch mehr Datenschutzauflagen aufgegeben und Überwachungsmethoden verboten werden, die sie für unverzichtbar halten.

Der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Stefan Brink räumte ein, dass die Aufsichtsbehörden die Datensammlung durch Arbeitgeber gerne wesentlich einschränken würden. "Wir haben eine schützende Haltung gegenüber dem Beschäftigten, die der ein oder andere auch als bevormundend empfinden kann", erklärte der Behördenleiter. Doch die Inkonsistenz zwischen deutschem und europäischen Gesetzen sei so hoch und die deutsche Rechtsprechung im Ergebnis so widersprüchlich, dass eine Neuregelung inzwischen unvermeidlich sei.

(mack)