BfArM-Chef über Pläne für Forschungsdateninfrastruktur, Real World Data und mehr

Bald sollen verschiedene Daten gesetzlich Versicherter zu Forschungszwecken zur Verfügung stehen. Das BfArM freut sich und baut dafür die Infrastruktur auf.

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Abstrake Darstellung von verschiedenen Typen von Gesundheitsdaten

(Bild: Tex vector/Shutterstock.com)

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Während seiner Zeit beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) habe Prof. Karl Broich gelernt, dass Medikamente oder Medizinprodukte meist unter Laborbedingungen geprüft werden, "ohne zu wissen, ob es das richtige Medikament für den richtigen Patienten in der richtigen Dosis zum richtigen Zeitpunkt ist. Diese Daten fehlen uns. Wir müssen sicherstellen, dass die Daten aus der Praxis stammen", so BfArM-Präsident Karl Broich auf dem Digital Health Innovation Forum des Hasso-Plattner-Instituts. Er hofft auf mehr Daten, für die in den vergangenen Jahren mit Gesetzen wie dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz die gesetzlichen Grundlagen geschaffen wurden.

Der Ausbau des Krebsregisters sei bereits "sehr gut". Ebenso werde bei den digitalen Gesundheitsanwendungen ebenfalls auf Interoperabilität gesetzt. Die Daten könnten alle im Health Data Lab des BfArM verwendet werden, das für die Entwicklung von Ansätzen zur Nutzung und Analyse von Daten im Gesundheitswesen gedacht ist. "Dies kann die Forschung und Entwicklung neuer Therapien unterstützen, die Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln und Medizinprodukten verbessern und insgesamt zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung beitragen", so Broich. Neben der Datenanalyse, die für regulatorische Entscheidungen wichtig sein könnte, ginge es auch um die Verbesserung der Datenqualität. Zudem sollten die Daten sicher und datenschutzkonform genutzt und nur weitergegeben werden, wenn Rückschlüsse auf Individuen nicht möglich sind. In der Vergangenheit hatte es Kritik gegeben, da die Abrechnungsdaten aller gesetzlich Versicherten nur pseudonymisiert vorliegen.

BfArM in der Mitte eines Diagramms als Schnittmenge für "DiGA/DiPA", "Interoperabilität", der "DACO" und das "Health Data Lab".

(Bild: Broich)

Stolz zeigte sich Broich beim kürzlich in Kraft getretenen Europäischen Gesundheitsdatenraum: "Das Team des Health Data Lab hat intensiv an Pilotverfahren gearbeitet, um sich zu beteiligen, und so sind wir im europäischen Gesundheitsdatenraum voll funktionsfähig und können diese Daten zusammen mit anderen – für die nächsten Schritte nutzen", zeigt sich Broich zuversichtlich. Zu Beginn sei das BfArM eine "normale Regierungsbehörde gewesen, die sich auf die Verbesserung, also die Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln und Medizinprodukten konzentriert" hätte. Das habe sich inzwischen geändert und so wirke das BfArM sogar bei der Klassifizierung der Terminologiesysteme mit – für DiGA und für den Aufbau des Health Data Lab. Damit stehe das BfArM nun "im Zentrum der datengesteuerten Regulierungsbehörden".

Zusammen mit der Europäischen Arzneimittelagentur, der EMA, arbeite Broich an der DARWIN-Initiative (Data Analysis and Real-World Interrogation Network). "Dort nutzen wir Daten aus der realen Welt für sekundäre Zwecke, um insbesondere regulatorische Fragen zu klären, zusätzlich zu dem, was wir bereits aus den üblichen randomisierten kontrollierten Studien wissen", so Broich. Durch DARWIN seien bereits "sehr wichtige Informationen gewonnen worden".

Es sei bislang schwierig, an Sekundärdaten zu gelangen. Deutschland sei mit den Entwicklungen in Verzug geraten. "Die skandinavischen Länder waren viel schneller als Deutschland, aber wir holen auf [...] Wir sammeln jetzt Sekundärdaten aus verschiedenen Institutionen, Krankenhäusern, digitalen Gesundheitsanwendungen, aus randomisierten kontrollierten Studien, und all diese Informationen werden zusammengeführt. Und der FAIR-Ansatz (Findable, Accessible, Interoperable, Reusable) ist eine gute Beschreibung für das, was wir hier im Sinn haben", so Broich.

Überall sind laut Broich Datensilos vorhanden, aber es sei nicht einfach, alle Akteure zusammenzubringen. Um künftig Datensilos aufzubrechen und eine EU-weite Gesundheitsdatenforschung zu ermöglichen, baut das BfArM derzeit eine Datenzugangs- und Koordinierungsstelle (DACO) auf. "Unsere nationale gesetzliche Grundlage dafür ist das neue Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG). Die DACO wird eine Schlüsselrolle beim Aufbau der EHDS-Strukturen für die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten (HealthData@EU) in Deutschland übernehmen", erklärt dazu das BfArM auf Anfrage. Unterstützung erhält das BfArM dabei durch das von der EU geförderte Pilotprojekt "HDP4Germany", dessen Ziel sei es, eine nationale Zugangsstelle – einen "Health Data Access Body" (HDAB) – für Gesundheitsdaten zu entwickeln. "Diese Zugangsstelle wird als DACO am BfArM aufgebaut. So greifen nationale Vorgaben und europäische Entwicklungen ineinander", erklärt das BfArM. Forscher können dann Anträge stellen, der Zweck entscheidet dabei über den Zugang zu den Daten.

Die Daten der 74 Millionen gesetzlich Versicherten gebe es bereits bei den Krankenkassen, beispielsweise Rezeptdaten. Die elektronische Patientenakte sei vor ein paar Monaten gestartet, bis Ende des Jahres werde sie verpflichtend sein und all diese Daten bereitstehen. Das geht auch aus einem geleakten Dokument zu den Koalitionsverhandlungen hervor: "Noch 2025 rollen wir die elektronische Patientenakte stufenweise aus, hin von einer bundesweiten Testphase zu einer verpflichtenden sanktionsbewehrten Nutzung". Unklar ist, für wen die ePA alles verpflichtend sein soll – wahrscheinlich sind damit vor allem Ärztinnen und Ärzte gemeint.

Zu den Daten beim FDZ Gesundheit kommen Daten aus den rund 400 medizinischen Registern hinzu. Die DACO soll es Forschern laut BfArM zudem ermöglichen, Daten aus dem FDZ Gesundheit [...] in sogenannten "Secure Processing Environments" zu analysieren. Dazu laufe laut BfArM das Pilotprojekt HDP4Germany. "Neben HDP4Germany ist die DACO auch an anderen EU-Initiativen beteiligt, unter anderem an TEHDAS2 – einem Projekt zur Ausarbeitung der sogenannten 'Implementing Acts' für den EHDS – sowie an der Community of Practice (CoP). Die Community of Practice ist ein Netzwerk aller europäischen Projekte, die eine nationale Gesundheitsdatenzugangsstelle (HDAB) aufbauen. Die DACO ist in allen Arbeitsgruppen der CoP aktiv und so im regelmäßigen Austausch mit den vielfältigen Akteuren der anderen EU-Mitgliedstaaten", führt das BfArM weiter aus.

"Das war wirklich etwas Neues in der Welt, dass digitale Gesundheitsanwendungen verschrieben und dann erstattet werden können", erklärte Broich zu den DiGA. Zu Beginn habe es viele Fragen und Bedenken gegeben, vor allem seitens der Kostenträger, "aber es ist eine Erfolgsgeschichte". Im vergangenen Jahr habe es einen sprunghaften Anstieg der Verschreibungen gegeben. Inzwischen gebe es 1 Million Verschreibungen für die DiGA. Den Großteil machen dabei DiGA zur Therapieunterstützung bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen aus. Eine weiter hohe Anzahl verschriebener DiGA zur Unterstützung bei Adipositas. Dabei sind DiGA laut Broich ein besonders relevant für die Selbstbefähigung der Patienten.

Die Daten aus den DiGA sollen Patienten in Zukunft zu Forschungszwecken an das Forschungsdatenzentrum Gesundheit freigegeben werden können. Mit einem Skript soll dann eine Analyse auf den Originaldaten ausgeführt werden. "Wir prüfen, ob eine Identifizierung möglich ist oder nicht. Und dann schauen wir uns die Ergebnisse an und gehen zurück zum Forscher [...] Wir sind in den letzten Zügen des Aufbaus und hoffen, dass wir Ende Mai oder im Frühsommer mit dem Health Data Lab aktiver sein werden. Viele Menschen warten bereits auf den Zugriff auf diese Daten. Der Spagat zwischen Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit ist schwierig", so Broich. Daher arbeite das BfArM mithilfe einiger "IT-Freaks" an Penetrationstests, um die Datensicherheit zu gewährleisten. In der Vergangenheit wurde eine Klage gegen die massenhafte Speicherung von Gesundheitsdaten auf ruhend gestellt, da das Sicherheitskonzept noch beim FDZ Gesundheit noch fehlt.

(mack)