Big-Data-Analyse: Deutlich weniger Verkehr bei deutschen WM-Spielen

Telefónica will mit anonymisierten Mobilfunkdaten ermittelt haben, wie stark Reisebewegungen während der deutschen WM-Spiele zurückgegangen sind.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 57 Kommentare lesen
Big-Data-Analyse: Deutlich weniger Verkehr bei deutschen WM-Spielen

Ein Fähnchen ohne Wind

(Bild: xaam-fotografiert)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Dass auf hiesigen Straßen weniger los war während der drei Spiele bei der Fußball-Weltmeisterschaft mit Beteiligung der deutschen Nationalmannschaft, dürfte keinem Beobachter entgangen sein. Manche Verkehrsadern wirkten im Vergleich zum sonst üblichen Berufs- oder Ausflugsverkehr wie ausgestorben. Wie und wann genau die Bundesbürger sich während der Vorrundenbegegnungen fortbewegten, hat Telefónica Deutschland im Auftrag des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) mithilfe einer Big-Data-Analyse untersucht und die Ergebnisse jetzt publik gemacht.

Demnach sank das gesamte Verkehrsaufkommen während der TV-Übertragungen durchschnittlich um 37 Prozent. Beim Spiel Deutschland gegen Mexiko am 17. Juni, einem Sonntag, nahmen die Reisebewegungen hierzulande laut der Untersuchung um 38 Prozent ab, am darauffolgenden Samstag, als es gegen Schweden ging, sogar um 39 Prozent. Am 27. Juni schließlich, als Südkorea die Jungs von Jogi Löw ins Aus kickten, waren am werktäglichen Mittwochnachmittag immerhin 36 Prozent weniger Menschen zu Fuß, per Fahrrad, Auto, Bahn oder Flugzeug unterwegs.

Die Erkenntnisse von Telefónica

Am Mittwoch und am Sonntag nahm der Verkehr dafür vor den Spielen "überdurchschnittlich" zu. Das legt den Forschern zufolge nahe, dass viele Menschen an diesen Tagen andere Orte aufsuchten, um die Spiele etwa bei Freunden oder im Rahmen von Public-Viewing-Events anzuschauen. Telefónica und das mit einbezogene Schweizer Big-Data-Startup Teralytics verglichen für die Analyse die Gesamtzahl der Bewegungen in Deutschland während der drei Spiele jeweils mit der zum gleichen Zeitpunkt der Vorwoche. Sie erfassten dabei Distanzüberbrückungen ab zwei Kilometern Länge, die mit der Bahn, auf der Straße oder in der Luft zurückgelegt wurden.

Parallel nahm der Mobilfunkkonzern drei der bundesweit größten Public-Viewing-Angebote während der ersten beiden Spiele der deutschen Mannschaft unter die Lupe. Es handelte sich dabei um die Berliner Fanmeile zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor sowie die Veranstaltungen auf dem Hamburger Heiliggeistfeld und in der Frankfurter Commerzbank-Arena.

Frauen waren laut den Resultaten fast genauso WM-begeistert wie Männer: während letztere 54 Prozent der versammelten Mengen ausmachten, waren 46 Prozent der Besucher weiblich. Den höchsten Frauenanteil machten die Experten in der Örtlichkeit in der Hansestadt mit 47,5 Prozent aus. In Berlin stellten die 25- bis 29-Jährigen die stärkste Altersgruppe, in Frankfurt waren es die 30- bis 34-Jährigen. Aus dem Ausland gehörten vor allem US-Amerikaner und Briten zu den Fans von Public Viewing.

Die Analyse beruht vor allem auf den vor allem anfangs mit Argwohn beäugten Verfahren von Telefónica für das Geschäft mit aggregierten Bewegungsdaten. 2012 musste die Telekommunikationsfirma ihre Pläne, Standortinformationen ihrer Kunden zu versilbern, nach Protesten zunächst auf Eis legen. Erst mit einem verbesserten Anonymisierungskonzept konnte das Unternehmen 2016 loslegen.

"Big Data und Datenschutz passen sehr gut zusammen, wenn leistungsfähige Anonymisierungsverfahren zum Einsatz kommen", meint der Telefónica-Experte Jonathan Ukena. Für die eigenen Anwendungen habe die Firma die damit verknüpfte Herausforderung durch eine spezielle "Data Anonymization Platform" lösen können. Die Methode habe ein Siegel für TÜV-geprüften Datenschutz erhalten und sei in Absprache mit der Bundesdatenschutzbehörde entwickelt worden. So könne der Netzbetreiber mit Analysen von Mobilfunkdaten etwa Verkehrsplanung und Klimaschutz unterstützen.

Konkret fallen im Regelbetrieb von Telefónica Deutschland Mobilfunkdaten von über 45 Millionen Anschlüssen an. Die Messwerte entstehen automatisch, wenn Handys mit den Mobilfunkzellen kommunizieren. Das Unternehmen anonymisiert die täglich rund fünf Milliarden Datenpunkte über ein dreistufiges Verfahren im Rahmen der eigens entwickelten Lösung. Dabei können auch anonyme soziodemographische Daten wie Alter und Geschlecht einfließen, die aus Vertragsdaten stammen.

Einzelbewegen sollen sich nach Angaben des Konzerns nicht ableiten lassen, aber die "statistische Aussagekraft über das Bewegungsverhalten von Gruppen erhalten" bleiben. Experten mahnen trotzdem zur Vorsicht: "Auch solche Datensätze, die keinen direkten Personenbezug aufweisen, können durch die Kombination mit anderen Datensätzen personenbeziehbar werden und sehr spezifische, möglicherweise sensible Details über bestimmte Personen oder Gruppen verraten", erläutert die Technikphilosophin Anna Wehofsits. Unter den Bedingungen von Big Data sei die Sicherheit von Pseudonymisierungstechniken massiven Zweifeln ausgesetzt, selbst eine Anonymisierung garantiere keinen absoluten Schutz. (mho)