"Bis zu"-Bandbreite ist irreführend - Richterspruch zu ISP-Tarifen in Österreich

Breitband-Internet wird regelmäßig mit Maximal-Bandbreiten beworben. Das geht so nicht, sagt der Oberste Gerichtshof Österreichs.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 20 Kommentare lesen
Bunte Kabel führen in einen weißen Router

(Bild: sirtravelalot/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Irreführend und damit unzulässig ist Werbung für Internetzugänge in Österreich, wenn sie nur mit der maximalen Bandbreite wirbt. Das hat der Oberste Gerichtshof erkannt (Az. 4 Ob 80/23b). Das gilt sogar dann, wenn der Anbieter ausdrücklich dazusagt, dass es sich um die Maximalgeschwindigkeit handelt, oder wenn er darauf hinweist, dass Bandbreite höchstens "bis zu" dem angepriesenen Wert reicht.

Der inkriminierte Breitband-Tarif ist so heute nicht mehr im Angebot.

(Bild: OGH-Erkenntnis)

Im konkret behandelten Fall ging es um einen Festnetz-Internettarif mit unlimitiertem Datenvolumen und "40 MBit/s Download, 10 MBit/s Upload". Erst über zwei Klicks und einmal Scrollen konnten Interessierte auf Seite 5 eines PDF-Dokuments erfahren, dass die "Normalerweise zur Verfügung stehende Down- und Uploadgeschwindigkeit" rund 22,6 Mbit/s respektive 5 Mbit/s beträgt – also nur gut die Hälfte der Werbeangabe. "Normalerweise" bedeutet hier übrigens 95 Prozent der Zeit. Jederzeit garantierte der Internet Service Provider (ISP) 20 Mbit/s im Download und 5 Mbit/s im Upload.

Der OGH schließt daraus, dass der Anbieter die beworbene Maximalgeschwindigkeit zu einem Zwanzigstel der Zeit zusagt. (Welche Bandbreiten tatsächlich verfügbar waren, wurde im Verfahren nicht geprüft.) Werbung mit der Maximalgeschwindigkeit wecke "unzutreffende Erwartungen", womit sie gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verstoße, meint das Höchstgericht. Ausdrücklich fügt der OGH hinzu, dass es nicht helfen würde, schon unmittelbar bei der Angabe der Maximalgeschwindigkeit dazuzusagen, dass es eben eine Maximalgeschwindigkeit oder ein "bis zu"-Wert ist. Selbst dann wäre die Werbung irreführend und damit rechtswidrig.

Ebenso wenig reicht es, noch vor Vertragsabschluss aufzuklären. Entscheidend ist nach ständiger Rechtsprechung nämlich nicht, ob ein Kunde zum Vertragsabschluss verleitet wird. Vielmehr reicht es für Unlauterkeit schon aus, dass die irreführende Angabe geeignet ist, einen "nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise" zugunsten näherer "Befassung" mit dem Angebot "irgendwie" zu beeinflussen.

Auch, dass solche Werbung seit jeher branchenüblich ist, tut juristisch nichts zur Sache. Laut Rechtsprechung könnte sogar ein Anbieter gegen anderen wegen irreführender Werbung juristisch vorgehen, selbst wenn der Kläger die gleichen Reklamemethoden nutzt.

Konkret muss der beklagte ISP fortan Werbung für Festnetz-Internetzugang mit Bandbreitenangabe unterlassen, wenn die "normalerweise zur Verfügung stehende Geschwindigkeit mehr als geringfügig, insbesondere mehr als 10 Prozent, unter der behaupteten (Maximal-)Angabe liegt".

Die letztinstanzliche Entscheidung (Az. 4 Ob 80/23b) ist ein juristischer Erfolg für den Verein für Konsumenteninformation (VKI), der das Verfahren gegen den Netzbetreiber Drei (Hutchison Drei Austria) angestrengt hat. Schon die erste Instanz hatte für den VKI entschieden, doch hob das Berufungsgericht dieses Urteil in wesentlichen Punkten auf. Der OGH hat nun wieder die Entscheidung der ersten Instanz eingesetzt. Indirekt betrifft das Ergebnis die gesamte Branche, da Festnetz-österreichische Internetzugänge regelmäßig mit den jeweiligen Maximal-Bandbreiten oder "bis zu"-Angaben beworben werden. Das muss sich jetzt ändern.

Gegenüber heise online hat der unterlegene ISP Drei betont, dass tatsächliche Bandbreiten in dem Verfahren keine Rolle gespielt haben: "Es ging lediglich darum, dass die bisher in der gesamten Branche bei der Bewerbung üblichen Maximalwerte aus Transparenzgründen nicht ausreichend sind, sondern auch noch auf die in den Vertragsbedingungen laut EU-Verordnung zu vereinbarenden Werte zur Normalerweise zur Verfügung stehenden Geschwindigkeit ausdrücklich hinzuweisen ist."

Im Übrigen gelte die Entscheidung nur für Festnetztarife, nicht für (ebenfalls von Drei angebotenen) Mobilfunk. Geld zurück gibt es keines. "Da das Urteil keine Rückzahlungsverpflichtung beinhaltet, sehen wir für Entschädigungszahlungen keine rechtliche Grundlage", stellt Drei fest. Nur dem VKI muss Drei gut 7.150 Euro Verfahrenskosten ersetzen.

Die juristische Sprengkraft der OGH-Entscheidung liegt übrigens gar nicht im Telekommunikationsbereich: Der OGH hält nämlich fest, dass der Verein für Konsumenteninformation gegen aggressive oder irreführende Geschäftspraktiken mit gerichtlichen Klagen unter Berufung auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) vorgehen darf, egal, ob Konsumenten oder Unternehmer betroffen sind. Daran ändert auch nichts, dass Aufgabe des VKI laut dessen Statut die "Förderung von Verbraucherinteressen" ist.

Bei Klagen nach dem Konsumentenschutzgesetz ist der VKI zwar auf den Verbraucherschutz beschränkt, nicht aber bei Klagen unter Berufung auf das UWG. Bereits die vorliegende Entscheidung gilt gleichermaßen für Angebote an Verbraucher wie an Unternehmer. Bei zukünftigen Prozessen steht für vom VKI Beklagte damit deutlich mehr auf dem Spiel, egal, in welcher Branche sie tätig sind.

(ds)