Bit-Rauschen: AMD und Intel stolpern über ihre eigenen Füße

US-Messe CES: AMD und Intel wollen einander übertrumpfen und kommen ins Schleudern. Firmen versuchen vom KI-Boom zu profitieren, verwirren aber damit.

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Vor einer großen Veranstaltung wird es oft hektisch. Und die Fachmesse CES Anfang Januar in Las Vegas ist für AMD und Intel sehr wichtig: Dort wollen beide Firmen glänzen. 2024 sollen die PC-Verkaufszahlen endlich wieder steigen, vor allem dank neuer Windows-Notebooks mit KI-Funktionen. Marktbeobachter haben 2024 bereits zum Jahr des "AI PC" ausgerufen und Microsoft trommelt für KI-Assistenten.

Im Eifer des Gefechts kamen AMD und Intel jedoch aus der Spur. Bei Intel schusterte jemand einen Werbezettel zusammen, der AMD wörtlich den Handel mit "Schlangenöl" unterstellte. Das bezog sich auf die tatsächlich verwirrenden Prozessornamen von AMD. Denn zwar tragen alle im Jahr 2023 neu vorgestellten Ryzen-Versionen die Zahl 7000 im Namen – etwa 7020, 7035, 7040 –, aber in einigen davon steckt gut abgehangene Technik, im Ryzen 7020U etwa Zen-2-Kerne von 2019. Und 2024 setzt AMD das Spielchen fort, der "neue" Ryzen 8040 unterscheidet sich nur wenig vom Vorgänger Ryzen 7040 "Phoenix", den AMD-Chefin Lisa Su schon auf der CES 2023 als angeblich ersten x86-Prozessor mit KI-Einheit ankündigte.

Ein Wafer voller Meteor-Lake-Chiplets, für die Intel 2024 gute Verkaufszahlen erhofft. Aber nicht jeder hält solche Chips für Hightech-Produkte.

Intel hat also im Grunde recht mit der Kritik, sitzt allerdings im Glashaus. Denn auch im Core i-14000 verbirgt sich ziemlich ähnliche Technik wie im zwei Jahre älteren Core i-12000. Das scheint Intel dann auch aufgefallen zu sein und das Anti-AMD-Pamphlet verschwand rasch wieder von der Website.

AMD wiederum konnte die erwähnten "KI-Prozessoren" Ryzen 7040 erst viele Monate nach der großen Vorstellung tatsächlich liefern; damit bestückte Notebooks konnten wir hierzulande erst im Herbst beschaffen. Und bei denen war dann die "Ryzen AI"-Einheit nicht einmal aktiviert. Die Notebookhersteller ignorierten sie bisher schlichtweg.

Obwohl es AMD also 2023 nicht wirklich geschafft hat, Mobilprozessoren mit KI-Einheit ins Rennen zu schicken, baut man zur CES 2024 auf diesem Fehlschlag auf: Im Ryzen 8040 soll Ryzen AI angeblich um bis zu 60 Prozent schneller sein. Dabei wollte AMD nicht verraten, wie das genau funktioniert, und nachmessen kann man es auch nicht, weil die erste Ryzen-AI-Generation nirgends läuft. Anscheinend will AMD überholen, ohne einzuholen.

Im Rausch der KI-Ankündigungen blickt man kaum noch durch, speziell bei PC-Hardware. Denn die neuen KI-Rechenwerke in Ryzen 8040 und Intel Core Ultra sind vor allem als effiziente "Akkuschoner" für Aufgaben wie Webcam-Bildverbesserung gedacht. Neue KI-Funktionen in Apps zur Bearbeitung von Fotos und Videos wiederum laufen weiterhin auf CPU oder GPU. Und Assistenten wie Microsoft Copilot residieren bisher vor allem in der Cloud, nutzen also die Technik der beschworenen KI-PCs gar nicht.

Es geistern auch Spekulationen über ein neues "Windows 12" umher, bei dem KI eine wichtige Rolle spiele. Welche das jedoch ist, ob sie über Copilot herausgeht und welche Apps und Funktionen es konkret betrifft, ist bislang unklar– vermutlich nicht versehentlich.

Indem das Bundesverfassungsgericht die Haushaltspläne der Regierung sprengte, stürzte es die Planungen für die deutschen Chip-Fabs von Intel, TSMC und Wolfspeed ins Ungewisse. In den Regionen, in denen die Werke entstehen sollen, schrillten die Alarmglocken. Mitte Dezember beschloss die Bundesregierung allerdings, die geplante Ansiedelung der neuen Fabs weiter zu unterstützen.

Mancher kritisiert diese Milliardensubventionen, darunter Wirtschaftsprofessor Lars P. Feld, der von 2011 bis 2021 einer der fünf "Wirtschaftsweisen" war. Am 5. Dezember argumentierte er in der Talkshow Markus Lanz gegen die seiner Meinung nach falschen und zu hohen Subventionen für die Intel-Ansiedelung in Magdeburg. Dabei sagte er wörtlich "im Falle von Intel reden wir nicht über Hightech [...] das ist eben eine Massenproduktion". Das deutet auf ein seltsames Verständnis von Hightech hin – in einem Land, das mit Milliarden den Absatz von Autos mit über 100 Jahre alter Verbrennertechnik ankurbelt, obwohl das den Planeten ruiniert. Die Arbeitsplätze! Feld ist jedenfalls der Meinung, wir sollten Chips besser weiter im Ausland zukaufen.

Es wird also spannend, wie es 2024 im Saarland, in Sachsen und Sachsen-Anhalt mit der Chipbranche weitergeht. Das Bit-Rauschen-Team wünscht seinen Leserinnen und Lesern jedenfalls alles Gute fürs neue Jahr! Hören Sie gerne mal bei unserem Podcast rein, wenn Sie möchten.

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(ciw)