Bit-Rauschen: ARM will die Hälfte vom Windows-Notebookmarkt

ARM-Chips sollen x86-Prozessoren großflächig verdrängen. AMD hält mit dem Ryzen AI 300 dagegen. Intels 144-Kern-Xeon startet stark und Intel besorgt sich Geld.

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ARM-Chef Rene Haas erwartet in fünf Jahren 50 Prozent Marktanteil für Notebooks mit ARM-Chips. Das prophezeite er in einem Interview mit Reuters. Wenige Tage später pflichtete ihm Qualcomm-Chef Cristiano Amon bei. Das ist eine selbstbewusste Kampfansage an AMD und vor allem Intel. Und erste Messungen des c’t-Kollegen Florian Müssig an einem Vorserien-Notebook mit Qualcomm Snapdragon X bestätigen: AMD und Intel müssen sich sehr warm anziehen.

AMD und Intel sind außen vor: Die neuen KI-Funktionen und auch Windows 11 24H2 gibts zunächst exklusiv für die neuen ARM-Notebooks. In die Suppe spucken könnte jedoch überraschend ARM. Der seit 2022 schwelende Streit um Lizenzgebühren mit dem wichtigen ARM-Kunden Qualcomm ist längst nicht beigelegt. Vielmehr verlangt ARM vor Gericht sogar einen Verkaufsstopp sämtlicher Snapdragon-X-Notebooks.

Und ob die KI-Pläne von Microsoft hiesige Käufer überzeugen, ist bisher unklar. Viele Funktionen von Copilot+ wirken unausgegoren, das "Recall"-Protokoll sämtlicher Tätigkeiten am PC wirft Fragen zum Datenschutz auf. Die eigenen Anleger konnte Microsoft jedoch beeindrucken: Nach der Ankündigung von Windows on ARM und Copilot+ stieg die Microsoft-Aktie deutlich.

Lisa Su zeigte auf der Computex den 192-kernigen Epyc "Turin", stiftete aber Verwirrung zwischen den Varianten mit Kernen vom Typ Zen 5 und Zen 5c.

Gut gerüstet als Snapdragon-X-Gegner wirkt AMDs Ryzen AI 300 alias Strix Point. Kaum zufällig hat er ebenso viele Kerne wie der Snapdragon X Elite. Doch nur vier davon sind starke Zen-5-Kerne, die restlichen sind vom schwächeren und kompakteren Typ Zen 5c. Schon im Juli sollen die ersten Notebooks mit Ryzen AI 300 erscheinen; so spannend war es bei Notebooks seit Jahren nicht.

Intels "Lunar Lake"-Mobilprozessor wirkt dagegen eher schwach. Er hat zwar eine starke KI-Einheit, also NPU. Und auch seine Xe-GPU der zweiten Arc-Generation, Codename Battlemage, verspricht relativ viel Performance. Doch mit nur vier P-Kernen wird er es schwer haben gegen die ARM-Zwölfender.

Alle wesentlichen Lunar-Lake-Chiplets produziert TSMC. Das wirkt wie eine Ohrfeige für Intels eigene Chipfertigung. Angesichts der jahrelangen Verzögerungen bei der 10-Nanometer-Technik, die Intel in die heutige, schwierige Situation gebracht haben, mag das verständlich sein – einerseits. Andererseits will Intel ab 2025 als Auftragsfertiger durchstarten. Da wirkt ein interner Tritt gegen das Schienbein der Fertigungssparte wenig hilfreich.

Überraschend stark präsentiert sich hingegen Intels 144-Kerner Xeon 6700E (Sierra Forest) – und zwar obwohl er ausschließlich Effizienzkerne (E-Cores) hat. Doch laut ersten Benchmarks, die US-Medien wie ServeTheHome veröffentlichten, rechnet er in manchen Disziplinen effizienter als die starken AMD Epyc 9004. Da wurde im Nachhinein klar, weshalb AMD-Chefin Lisa Su bei ihrer Keynote-Präsentation auf der Computex 2024 in Taipeh sehr ausführlich über die kommenden Zen-5-Epycs "Turin" redete. Dabei würfelte sie wohl absichtlich die Zen-5-Version mit bis zu 128 Kernen und die Zen-5c-Version mit bis zu 192 Kernen wild durcheinander.

Bei den Marktanteilen für Serverprozessoren sonnt sich Lisa Su im Licht toller Zahlen: Fürs erste Quartal 2024 schätzte Mercury Research den Epyc-Marktanteil auf 23,6 Prozent nach Stückzahlen und nach Umsatz sogar auf 33 Prozent. Demnach kann AMD die Epycs sogar teurer verkaufen als Intel seine Xeons. Der Xeon 6700E und vor allem der fürs zweite Halbjahr avisierte 6900P mit bis zu 128 P-Kernen sollen Intels Ruder wieder herumreißen.

Für die Billigprozessorfamilie Alder Lake-N – der bekannteste Vertreter N100 steckt in vielen Mini-PCs – plant Intel Nachfolger, die wohl "Twin Lake-N" (TWL_N) heißen. Ein Intel N250 wurde kürzlich gesichtet, dann dürften wohl auch N150 et cetera auftauchen.

In Israel stoppte Intel kürzlich den bereits laufenden Bau einer neuen Fab, ohne genaue Gründe zu nennen. Man betonte aber, dem Standort Israel weiter treu zu bleiben. Für die gewaltigen weltweiten Investitionspläne beschafft sich Intel frisches Geld: Vom irischen Werk Fab 34, einer der größten Chip-Fabs Europas, verkaufte Intel einen 49-Prozent-Anteil an die Investitionsfirma Apollo Global Management. Einen ähnlichen Deal schloss Intel 2022 mit Brookfield Asset Management für eine Fab in Arizona. Und auch die Raspberry Pi Foundation füllt ihre Geldspeicher: Die Fertigungssparte Raspberry Pi Holdings Plc startete am 11. Juni an der Börse in London.

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(ciw)