Bitkom: Hälfte der deutschen Unternehmen fehlt Digitalstrategie
Volle Auftragsbücher können für Unternehmen auch gefährlich sein. Sie halten davon ab, die moderne Wirtschaft von morgen zu planen. Der Zug in die Digitalisierung dürfe aber nicht verpasst werden, warnt der IT-Branchenverband Bitkom.
Rund die Hälfte der Unternehmen in Deutschland hat nach Einschätzung des IT-Branchenverbands Bitkom noch "keine echte Digitalstrategie". "Die Unternehmen müssen sich dringend mit strategischen Fragen des Umbaus ihres Geschäftsmodells für die digitale Wirtschaft von morgen beschäftigen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bitkom, Bernhard Rohleder, der dpa. Auf dem nationalen IT-Gipfel am 16. und 17. November in Saarbrücken stehen die Themen digitale Transformation und digitale Bildung im Fokus.
Die Digitalisierung betreffe jede Branche: Der Tankstellenbetreiber müsse sich fragen, womit er sein Geld verdienen wolle, wenn immer mehr Elektroautos unterwegs seien und irgendwann überhaupt nicht mehr getankt werde. Der Zahntechniker stehe vor der Herausforderung, dass demnächst 3D-Drucker hochwertige Inlays direkt in der Praxis produzierten. Und Krankenhäuser bräuchten eine Antwort darauf, dass medizinische Diagnosezentren in Asien für wenig Geld Röntgendiagnosen anböten.
Herausforderungen
"Jeder Veränderungsprozess ist eine Herausforderung, aus der sich gleichzeitig neue Geschäftsfelder ergeben können", sagte Rohleder. In der Haus- und Gebäudereinigung beispielsweise könnten Putzroboter eingesetzt werden, der Elektriker müsse künftig ein vollvernetztes Smarthome bauen.
"Wir haben eine Riesen-Chance, die wir jetzt ergreifen müssen", sagte Rohleder, dessen Verband 2400 Unternehmen mit bundesweit etwa einer Million Beschäftigten vertritt. Die digitalen Chancen lägen buchstäblich auf der Straße, man müsse sich aber "schon bücken" und sie aufheben. "Wenn jemand nichts tut und den analogen Gaul reitet, bis er tot umfällt, ist demnächst "Schluss mit lustig". Jetzt fahren die Züge aus dem Bahnhof und es heißt einsteigen", sagte Rohleder.
Deutschlands größte Stärke – "die vollen Auftragsbücher" – seien derzeit gleichzeitig seine größte Schwäche. Sie raubten Unternehmern Zeit und Aufmerksamkeit, die sie bräuchten, um strategisch den digitalen Umbau ihrer Geschäftsmodelle zu planen. "Man muss sich die Zeit dafür schaffen und die notwendige Kompetenz aneignen."
Digitalisierungszentren
Um Unternehmen bei der digitalen Transformation zu helfen, werde auf dem IT-Gipfel am 17. November eine "breite Initiative" vorgestellt: "In enger Zusammenarbeit zwischen Regierung und Wirtschaft werden wir jene Unternehmen unterstützen, die nicht wissen, wie sie auf die Digitalisierung reagieren sollen und sie für sich nutzen können", sagte Rohleder.
Speziell mittelständische Unternehmen sollten "genau die Unterstützung" erhalten, "die sie brauchen, um ihre Geschäftsmodelle zu überprüfen und digital auszurichten". Künftig soll es dafür überall in Deutschland Digitalisierungszentren geben. "Der IT-Gipfel wird ein Signal des digitalen Aufbruchs aussenden."
Rohleder zeigte sich für die deutsche Wirtschaft insgesamt "zuversichtlich". Deutschland habe wenig Rohstoffe und ein hohes Gehaltsniveau. Rohstoffe spielten in der digitalen Wirtschaft kaum noch eine Rolle. Und hohe Gehälter verlören durch steigende Produktivität an Bedeutung. "Wir haben jetzt die einmalige Chance, Wertschöpfung von den Niedriglohnstandorten wieder nach Deutschland zurückzuholen", sagte er.
Zum zehnten nationalen IT-Gipfel werden mehr als 1000 Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft erwartet, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). (jk)