Blackout-Angst macht Stromgesetz flott
Mit dem Entwurf des Energiewirtschaftsgesetzes würde sich eine Menge ändern – für Solaranlagenbetreiber, E-Auto- und Heimspeichernutzer.
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(Bild: GRAFstock/Shutterstock.com)
452 Seiten umfasst die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes, das die Regierung aus SPD, Grünen und Volker Wissing am vergangenen Mittwoch schnell durchs Kabinett schob. Aufgrund der Neuwahl des Bundestages am 23. Februar 2025 beschloss die Regierung: Besser schnell regulieren als gar nicht regulieren. Denn sonst könnten regionale Blackouts drohen.
Drohen 2025 regionale Blackouts?
Die Gefahr regionaler Blackouts sei immanent, warnen mit 1komma5grad und Enpal zwei große Solarstrominstallateure. Wenn die PV-Erträge hoch sind, aber der Verbrauch niedrig, würden selbst negative Strompreise die Netze nicht mehr retten können. Mit der Folge, dass Verteilnetzbetreiber ganze Netzsegmente abwerfen müssten. Das drohe bereits zu Ostern und Pfingsten 2025, warnen die Unternehmen.
Ganz so dramatisch sei die Lage noch nicht, sagt Frank Borchardt vom Forum Netztechnik und Netzbetrieb (FNN) beim Verband der Elektrotechnik (VDE). Doch immer mehr nicht regelbare Leistung würde ins Netz drängen. Das würde "vielleicht nicht 2025, jedoch 'irgendwann' zu einer Gefahr für die Netzstabilität führen", sagt Borchardt. Und zwar deshalb, "weil nicht mehr genug regelbare Anlagen zur Verfügung stehen, um die Kleinanlagen auszugleichen."
Deshalb soll Flexibilität nun attraktiver werden: Zum einen soll die Einspeisevergütung bei negativem Börsenstrompreis gestrichen werden. Zudem sollen alle, die Strom produzieren, bei negativen Preisen die Einspeisung auf 50 Prozent der maximalen Kapazität kappen müssen – wenn eine Anlage nach dem Gesetzesinkrafttreten in Betrieb genommen wird und nicht vom Netzbetreiber steuerbar ist.
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Um das zu verhindern, müsste der Rollout von Steuerungseinrichtungen beschleunigt werden, die Signale von Netzbetreibern verarbeiten und ihren Status zurückmelden können. Bislang aber hängen sie den Plänen weit hinterher. Die Komplexität sei unterschätzt worden, sagt Borchardt. Derzeit werden Solaranlagen schneller zugebaut als Smart-Meter – 3,4 Millionen PV-Anlagen hat das Statistische Bundesamt für April 2024 ermittelt, ohne die Balkonkraftwerke. Nominale Spitzenleistung: 81,5 Gigawatt. Im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur sind bis November weitere 300.000 PV-Anlagen größer als vier Module hinzugekommen. Die 100-Gigawatt-Photovoltaik-Grenze wird also bald geknackt.
Steuerbarkeit auch fĂĽr Anlagen ab 2kW Pflicht
Laut der Novelle sollen alle neuen Anlagen, die über 2 Kilowatt nomineller Einspeiseleistung liegen, daher "smart" werden: Grundzuständige Messstellenbetreiber (gMSB) sollen zum Einbau von Steuerung ab dieser Grenze verpflichtet werden. Um sogenannte "Pflichteinbaufälle" handelt es sich auch, wenn steuerbare Verbraucher wie Wallbox und E-Auto oder Speicher installiert sind und ein Verbrauch von mehr als 6.000 kWh jährlich vorliegt.
Allerdings gibt es ein temporäres Schlupfloch vorrangig für Kleinanlagen: "Diese Verpflichtung gilt bereits als erfüllt, wenn jeweils mindestens 90 Prozent der in den letzten zwei Jahren neu zugebauten installierten Leistung ansteuerbar gemacht ist", teilt ein BMWK-Sprecher auf Anfrage von heise online mit. Wenn also die größten Anlagen schon mit Steuerungstechnik ausgestattet sind, kann der Rest später folgen. Fachleute halten das für sinnvoll. "Der stabilisierende Effekt der kleinen Anlagen für das Verteilnetz ist fragwürdig", meint Frank Borchardt vom FNN. Für die Systemstabilität wären die größeren Anlagen wichtiger.
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Allerdings verändern sich die Zielmarken nach den jetzigen Plänen auch für den Bestand: 2028 müssen 50 Prozent der seit 2018 installierten Leistung ansteuerbar sein – 2032 dann 90 Prozent der Gesamtleistung. Die restlichen Prozente dürften weiter nicht abregelbar ins Netz einspeisen, wenn diese Quoten erfüllt sind.
Wie das real erreicht werden kann, bleibt aber unklar: Es geht um Millionen Zähler und Steuerungseinheiten. Bisherige Ziele galten in Branchenkreisen als unerreichbar – und da galt als Pflichtgrenze noch 7 Kilowatt Einspeiseleistung. Mit dem Fokus auf den steuerbaren Anteil hofft die Politik auf Priorisierung durch die Messstellenbetreiber. Das wäre netzdienlich, da vor allem große Verbraucher und Erzeuger steuerbar würden. Denn steckt hinter dem Netzabschluss ein relevanter, steuerbarer Verbraucher wie eine Wärmepumpe oder eine E-Auto-Wallbox, greift die "Smartisierungspflicht" ebenfalls.
Kosten für Messeinrichtungen und Smart-Meter sollen geändert werden
Doch das kostet Geld. "Gerade bei PV-Anlagen mit einer installierten Leistung zwischen zwei und sieben Kilowatt sollte auf den Einbau verzichtet werden", sagt Henning Herbst, Referent Strommarkt und Erneuerbare Energien beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Die Mehrkosten für die Systeme würden solche Anlagen nämlich spürbar weniger rentabel machen. Denn mit den vorgeschlagenen Änderungen kämen auch geänderte Kostenbeteiligungen.
25 und damit 5 Euro mehr sollen Verbraucher jährlich schon für "moderne Messeinrichtungen" zahlen. Als "nicht gerechtfertigt", kritisiert das Henning Herbst vom vzbv, sie hätten kaum zusätzlichen Nutzen. Zwischen 2 und 15 KW sollen 50 Euro für das "intelligente Messystem", 100 Euro für die Steuerungsanlage jährlich fällig werden. Also 150 Euro, die von kleinen Betreibern und Nutzern erst einmal erwirtschaftet werden müssten.
Dazu kommen Einbaukosten. Herbst sagt deshalb: "Die starke Erhöhung der Kosten für den Einbau eines Smart Meters auf Kundenwunsch erschwert den Zugang zu dynamischen Tarifen, mit denen Verbraucherinnen von günstigen Strompreisen an der Börse profitieren können." 100 Euro können fällig werden, wenn ein Nutzer gerne früher ausgestattet werden will. "Ein Einmalentgelt darf nur erhoben werden, wenn der Anlagenbetreiber eine vorzeitige Ausstattung als kostenpflichtige Zusatzleistung bestellt", erklärt ein Sprecher des Bundeswirtschaftministeriums.
Neue Speicheroption auch fĂĽr smartere Tarifnutzung
Dabei sollen die smarten Stromtarife eigentlich schmackhaft gemacht werden. Ab Januar muss jeder Anbieter einen dynamischen Tarif im Portfolio haben. So richtig Sinn ergeben sie für viele Menschen aber erst in Kombination mit einem Speicher. Die sollen für Erzeuger ebenfalls attraktiver werden. Neben sortenreiner Grünstrom-Speicherung und zeitabhängigen Wechsel zwischen Grün- und konventionellem Graustrom soll die "Pauschaloption" treten. Besitzer von PV-Anlagen mit Speichern sollen auch Graustrom zwischenspeichern dürfen, ohne dass dadurch die EEG-Vergütung gefährdet wird. Pauschal könnten bei Anlagen bis 30 kW dann höchstens 300 kWh pro installiertem Kilowatt Solarerzeugungskapazität abgerechnet werden.
Welche Chancen all diese Änderungen tatsächlich haben, ist allerdings kaum abzusehen. Denn ob CDU und CSU der jetzt vorgelegten Novelle im Ganzen oder in Teilen tatsächlich noch durch den Bundestag helfen wollen, ist noch nicht abgemacht. Weite Teile der Energiewirtschaft allerdings fordern seine Umsetzung – was dem Gesetz noch über die Ziellinie helfen könnte.
(mki)