Einigung erzielt: EU-Rat bringt Ausbau erneuerbarer Energien voran

Monatelang legte sich Frankreich quer, doch jetzt haben die EU-Staaten die neue Richtlinie für einen Anteil von 45 Prozent Wind- und Solarenergie angenommen.

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Windkraftanlagen hinter Solarpaneelen in der Landschaft

(Bild: west cowboy/Shutterstock.com)

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Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz feiert einen "Durchbruch" für den ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Energien in der EU. Demnach hat der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (Coreper) des Ministerrats am Freitag einer umfassenden Novelle der Richtlinie für die Erneuerbaren zugestimmt. Das europäische Ziel für Wind- und Solarenergie wird damit von bisher 32 Prozent auf 45 Prozent im Jahr 2030 deutlich angehoben. Das entspricht eine Verdoppelung des Anteils erneuerbarer Energien gegenüber dem Stand von 2021, der damals knapp 22 Prozent betrug.

Der Kompromiss zwischen der EU-Kommission, dem Rat und dem Parlament stand prinzipiell nach zwei Jahren Verhandlungen Ende März schon fest. "Doch die Verabschiedung im Rat der Mitgliedsländer verzögerte sich monatelang, weil Frankreich unbedingt eigenen Wasserstoff aus Atomkraft mit Erneuerbaren gleichstellen wollte", berichtete Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold (Grüne) nach der Freigabe in dem Gremium der Regierungsvertreter. Dieses Vorhaben sei nun gescheitert. Letztlich habe Frankreich nur eine Zusage der Kommission erhalten, "dass einzelne Ammoniak-Werke bei der Berechnung des Unterziels für grünen Wasserstoff in der Industrie" ausgenommen werden könnten. Das sei "verschmerzbar".

Das Gas Ammoniak lässt sich als Energieträger nutzen. Mit der Vereinbarung könnte Frankreich für einen größeren Teil der Ammoniakproduktion Strom aus Kernkraftwerken einsetzen.

Von der 45-Prozent-Quote für die Erneuerbaren müssen die EU-Länder 42,5 Prozent rechtsverbindlich erbringen. Die restlichen 2,5 Prozent sind Richtwerte. Wenn sich andeutet, dass der Ausbau von Wind- und Solarkraft noch nicht ausreicht, müssen die zuständigen Regierungen konkrete Maßnahmen ergreifen. Der Zusatzanteil soll durch weitergehende freiwillige Beiträge der Mitgliedsstaaten oder durch gesamteuropäische Initiativen erreicht werden. Ersten Hochrechnungen zufolge sind die deutschen Ausbau- und Klimaschutzziele laut dem Wirtschaftsressort ausreichend, um die neuen EU-Vorgaben zu erreichen. Jetzt gelte es, alles daranzusetzen, die nationale Latte nicht zu reißen.

Jährlich bedeute das Gesetz europaweit die Notwendigkeit, etwa 100 Gigawatt Wind- und Solaranlagen zu installieren, erläuterte Giegold. Umgerechnet entspreche das täglich 17 Fußballfeldern Photovoltaik, 16 Windrädern an Land plus 4 Windkraftanlagen zur See.

Die Einigung führt weitere verbindliche nationale Sektorziele für die Nutzung der Erneuerbaren ein. Hält ein Mitgliedsstaat diese nicht ein, droht ihm ein Vertragsverletzungsverfahren. Der Anteil von Wind- und Solarenergie muss zwischen 2021 und 2025 jedes Jahr um 0,8 Prozentpunkte wachsen und anschließend jährlich um 1,1 Prozentpunkte. Dazu kommt ein neues, indikatives Ziel von 49 Prozent Anteil erneuerbarer Energien am Wärmebedarf in Gebäuden. Im Verkehrssektor erhöht sich das bereits verbindliche Ziel von 14 auf 29 Prozent. Eine zusätzliche Messlatte in diesem Bereich umfasst eine Kombination von strombasierten erneuerbaren Treibstoffen (E-Fuels) und fortschrittlichen Biokraftstoffen. Dieses Unterziel liegt bei 5,5 Prozent. Davon soll ein Prozent durch Wasserstoff und andere strombasierte Brennstoffe abgedeckt werden.

In der Industrie müssen bis 2030 42 Prozent des verbrauchten Wasserstoffs aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Dies entspricht einem Anstieg auf etwa 20 bis 25 Terawattstunden (TWh). Bis 2035 soll der Anteil auf 60 Prozent steigen. Dafür werden in Deutschland laut Schätzungen je nach Szenario etwa 41 bis 83 TWh Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen benötigt. Ferner soll der Anteil der Erneuerbaren am Gesamtenergieverbrauch in der Industrie jedes Jahr um 1,6 Prozent steigen.

Die Maßgaben zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für den Ausbau von Wind- und Solaranlagen sowie Stromnetzen, die mit der sogenannten EU-Notfallverordnung zunächst befristet eingeführt wurden, werden mit der Übereinkunft weitestgehend festgeschrieben. Der Ausbau liegt demnach im überragenden öffentlichen Interesse. In den Vorranggebieten können die Behörden so auf zeitaufwendige weitere Prüfschritte verzichten. Das gilt aber nur, wenn das Naturschutzniveau hoch bleibt.

Kohlenstoffarme Brenn- und Kraftstoffe wie Wasserstoff sollen nicht auf die Erneuerbaren-Ziele angerechnet werden. Es wird also weiter zwischen grünem und anderen Wasserstoffvarianten unterschieden, die aus fossilen Brennstoffen produziert werden. Das letzte Wort hat nun das EU-Parlament, das die Richtlinie endgültig beschließen muss. Die Mehrheit gilt hier als gesichert.

Außerdem verständigten sich die Diplomaten im Coreper auf den Markthochlauf von E-Fuels im Flugverkehr. Deren Anteil soll von 1,2 Prozent im Jahr 2030 auf 35 Prozent in 2050 nach oben gehen. Insgesamt müssen bis zur Jahrhundertwende 70 Prozent der Flugkraftstoffe erneuerbar sein. Im Flugverkehr gelten E-Fuels als strategisch wichtig, da hier eine direkte Elektrifizierung – anders als etwa im Automobilsektor – nur begrenzt möglich ist.

(tiw)